USA: Die Kandidatensuche der Republikaner:Sehnsucht nach dem großen Unbekannten

Gesucht ist ein aussichtsreicher Kandidat der Republikaner bei der Präsidentschaftwahl 2012, doch Amerikas Rechte hadert mit ihrem Personal: Lau und lustlos wirkt der Aufmarsch der Konservativen, ein knappes Dutzend potentieller Obama-Herausforderer hat schon abgesagt - und die Verbliebenen kommen nicht mal bei den eigenen Leuten gut an.

Christian Wernicke, Washington

Da waren's nur noch Neune. Abzählen wie in dem alten Kinderreim können Amerikas Republikaner dieser Tage den Reigen jener Parteihelden, die doch eigentlich in den Kampf ziehen wollten - gegen Barack Obama, für die Errettung der Nation bei den Präsidentschaftswahlen 2012.

Mitt Romney

Gilt als derzeit aussichtsreichster und vor allem finanziell potentester Kandidat der Republikaner: Mitt Romney, der frühere Gouverneur von Massachusetts.

(Foto: AP)

Aufsehen erregen bisher nur die Aspiranten, die keine mehr sein wollen: Der Immobilien-Milliardär Donald Trump beendete seinen medialen Ego-Trip ("Aber ich hätte gewonnen."), der populäre Baptistenprediger und TV-Moderator Mike Huckabee suchte himmlischen Rat und fand innere Einsicht ("Mein Herz sagt Nein.").

Nein hat nun auch Mitch Daniels gesagt, der Gouverneur von Indiana und Geheimfavorit des republikanischen Establishments. Dieser moderate Konservative, so das Kalkül der Großspender und Parteistrategen, hätte auch viele unabhängige Wechselwähler angezogen. Daniels wollte antreten - aber Frau und Töchter legten ihr Veto ein. "Es wird mir ewig leidtun", bedauerte Daniels, "so sorry."

Lau und Lustlos

Eineinhalb Jahre vor der Präsidentschaftswahl und neun Monate vor Beginn der parteiinternen Primaries hadert Amerikas Rechte mit ihrem Personal. Ein knappes Dutzend Prominente hat schon abgesagt. Derweil bekundet mehr als die Hälfte aller Anhänger, sie seien "nicht zufrieden" mit dem Angebot an Bewerbern. Und auch das Wahlvolk scheint skeptisch: In sämtlichen hypothetischen Umfragen unterliegen alle aktuellen Anwärter dem demokratischen Amtsinhaber. Zumeist siegt Obama mit einem Vorsprung von mehr als zehn Prozent.

Lau und lustlos wirkt der Aufmarsch der Konservativen. Das liegt auch daran, dass Mitt Romney, unter den Übriggebliebenen bislang der Anführer, sich nicht erklären mag: Jeder weiß, dass der 64-jährige Mormone ins Weiße Haus strebt - aber er sagt's nicht. Der Multimillionär und frühere Gouverneur von Massachusetts hatte bei den Vorwahlen 2008 den dritten Platz belegt. Das gewährt ihm nach den ungeschriebenen Regeln der Grand Old Party eine Art Vorrecht auf den Zugriff in 2012. Wenn, ja wenn er denn sein Parteivolk wenigstens leidlich für sich begeistern kann.

Romney gilt als suspekt

Daran jedoch hapert's. Gleich zwei Parteiflügeln gilt Romney als suspekt. Die christliche Rechte hat nicht vergessen, dass Romney einst Schwangerschaftsabbrüche und Schwulenehe tolerabel fand. Und die Tea-Party-Bewegung, die Amerikas Rechte wiederbelebt hatte mit ihren leidenschaftlichen Protesten gegen Staatsverschuldung und Obamas Gesundheitsreform, verzeiht ihm nicht, dass er als Gouverneur einst ein Gesetz unterschrieb, das es jedem Bürger zur Pflicht machte, eine Krankenversicherung abzuschließen. Genüsslich streut das Weiße Haus süßes Gift gegen Romney: Dessen Reform, so raunt das Weiße Haus, sei ein Vorbild gewesen für "Obama-Care".

Romney weiß, dass er verwundbar ist. Sein Argument, er würde "Obama-Care" sehr wohl abschaffen und es allein den 50 Bundesstaaten überlassen, jeweils ihr Gesundheitssystem zu organisieren, verhallt bei der konservativen Basis. 2008 trat er als rechtskonservativer Geist an, diesmal rückt er zur Mitte und profiliert sich als Mann der Wirtschaft - als einer, der Unternehmer und Jobs schaffen und der "Obamas Schuldenwirtschaft beenden" will.

Debatten mit anderen Kandidaten geht Romney geflissentlich aus dem Weg. Stattdessen scheint der frühere Hedge-Fonds-Manager eine Strategie finanzieller Abschreckung zu verfolgen: Statt Wähler umgarnt Romney nur Spender und füllt die Konten seiner Kampagne. Vorige Woche trieb er an einem einzigen Tag zehn Millionen Dollar ein.

Parteibasis verlangt Linientreue

Das soll die Garde im zweiten Glied einschüchtern. Männer wie Tim Pawlenty zum Beispiel, den biederen Ex-Gouverneur von Minnesota, der am Montag ganz offiziell seine Kandidatur bekannt gab. Oder Jon Huntsman, den früheren Gouverneur von Utah, der bis vor wenigen Wochen noch Barack Obama als US-Botschafter in China diente. Am Wochenende tingelte er nun fünf Tage lang durch New Hampshire, den Bundesstaat mit der ersten Vorwahl im Jahr 2012. Pawlenty wie Huntsman gelten als moderate Politiker, die im November 2012 Obama durchaus viele Wähler in der Mitte abspenstig machen könnten. Nur, in den parteiinternen Vorwahlen schadet ihnen dieses gemäßigte Image mehr als dass es ihnen nützt.

Die Parteibasis verlangt Linientreue. Das erklärt, warum Vernunft-Politiker wie sie eilfertig widerrufen, was sie früher etwa zum Klimaschutz gesagt haben. Tim Pawlenty etwa fleht seine Zuhörer bei jedem Auftritt um Vergebung an dafür, dass er einst "Cap and Trade" (den Handel mit Emissionsschutz-Zertifikaten) befürwortet hat.

Ganz ähnlich leistet auch Newt Gingrich, der selbsterklärte Partei-Intellektuelle, nun Abbitte. Es hilft ihm wenig. Gingrichs Kandidatur gilt in Parteizirkeln bereits als gescheitert. Vor einer Woche nämlich hat der bullige Politiker, der in den neunziger Jahren als "Mister Speaker" im Repräsentantenhaus den Widerstand gegen Präsident Bill Clinton angeführt hatte, es gewagt, der republikanischen Beschlusslage zur radikalen Sanierung der Staatsfinanzen zu widersprechen: "Zu radikal" seien etwa die Pläne, die gesetzliche Krankenversicherung für Amerikas Senioren zu privatisieren. Prompt traf Gingrich der geballte Zorn aller Kongresspolitiker. Gingrich widerrief - und machte sich erneut lächerlich, als er vorsorglich warnte, das am Vortag Gesagte künftig gegen ihn zu verwenden: "Jeder Werbespot, der zitiert, was ich am Sonntag gesagt habe, ist eine Unwahrheit."

So gärt unter Republikanern nun die Sehnsucht nach dem großen Unbekannten - nach dem charismatischen Kandidaten, der die Partei wachrüttelt und eint. Vielleicht ist es am Ende ja eine Kandidatin: Doch Sarah Palin ziert sich.

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