USA:Das Phänomen Donald Trump

Republican presidential candidate Trump gestures at a rally in Manchester

Donald Trump gestikuliert während einer Wahlkampfgebung zu dem Slogan "You're fired" - "Sie sind gefeuert".

(Foto: REUTERS)
  • Der US-Milliardär Donald Trump bewirbt sich mit einer rassistischen Äußerung um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.
  • Er macht sich damit zum Gespött linker Satiresendungen und zum Feindbild einwandererfreundlicher Amerikaner, aber Aufmerksamkeit ist ihm sicher.
  • Chancen auf das Präsidentenamt kann sich Trump nicht ausrechnen.
  • Seine Teilnahme am Vorwahlkampf verrät viel über die politische Kultur in den USA und den Zustand der republikanischen Partei.

Von Nicolas Richter, Washington

Neulich sah es so aus, als hätten sich die Haare von Donald Trump davongemacht. Im peruanischen Regenwald entdeckte ein Fotograf das gelbliche, zerzauste Büschel, es hatte sich auf einem Blatt niedergelassen. Wissenschaftler ermittelten bald, dass es sich zwar nur um die Raupe Megalopyge Opercularis handelte, deren Haare Gift absondern.

Aber das Geschöpf erschien gleichwohl zur richtigen Zeit: In Amerika herrscht immer Nachfrage nach Witzen über die Frisur Donald Trumps, wobei alle gängigen Vergleiche erschöpft sind, der Fußabtreter, das Meerschweinchen, der Putzlappen. Jetzt also die Raupe, die auch noch giftig ist - sie erschien genau im richtigen Augenblick und beschäftigte tagelang die Sozialmedien.

Will Trump nur seine Produkte vermarkten, oder muss man ihn ernstnehmen?

Vor gut zwei Wochen hat sich Donald Trump, 69, zum Kandidaten erklärt für das Amt des US-Präsidenten. Der Republikaner erschien im New Yorker Trump Tower, jedenfalls legte die Körpergröße nahe, dass der megalomane Geschäftsmann selber die Rede hielt und nicht dessen peruanischer Doppelgänger Megalopyge. Trump ist in den USA allzu vertraut und als oberflächlicher Prahlhans verschrien, aber es gelingt ihm noch immer, das Land zu verwirren.

Die Experten rätseln, wo sie ihn einsortieren sollen - ob "The Donald" mit seiner Kandidatur also nur Alleinunterhaltung bietet, seine Produkte vermarktet oder ob man ihn wirklich als politisches Phänomen ernst nehmen muss.

Trumps erster Auftritt im Wahlkampf erregte zunächst den Verdacht, dass er nur den politischen Betrieb parodieren wollte. Seine Bewerbungsrede klang so wurstig, als drehe er bloß eine weitere Folge seiner Show "The Apprentice" ab, in der sich Geschäftsleute durch ein Bewerbungsverfahren quälen, bis Trump sie entlässt ("Du bist gefeuert"). Nachdem ihn seine Tochter Ivanka angekündigt hatte, erschien Trump auf der Mezzanine und fuhr auf einer Rolltreppe hinunter zum Rednerpult, wobei er der einzige Kandidat der US-Geschichte bleiben dürfte, der als Symbol für politischen Aufstieg eine Rolltreppe betritt, die nach unten fährt.

Trump verkörpert manchmal schlicht das Washington, wie es heute ist

Aber dann passte die Symbolik doch gut zur Abgründigkeit seiner Worte, denn schon nach 144 Sekunden machte er sich unwählbar: Mexiko, sagte er, schicke den Amerikanern nichts als Schmuggler und Vergewaltiger über die Grenze. Trump redete dann zwar noch eine Dreiviertelstunde weiter, sagte 195 mal "Ich", prahlte mit seinen Milliarden, seinen Hotels und Golfplätzen, die zumindest nach ihm benannt sind, und deutete sogar so etwas an wie ein politisches Programm ("Ich werde für den Arbeitsmarkt der großartigste Präsident sein, den Gott je erschaffen hat").

Aber das Entscheidende hatte er eben schon am Anfang gesagt: Mexiko "schickt" nichts als Schmuggler und Vergewaltiger. Da klang gleich wieder der mutmaßliche Ausländerfeind und Rassist durch, der auch immer wieder infrage gestellt hat, ob Barack Obama überhaupt ein Amerikaner ist.

Trump wirkt so, als dauerten die Achtzigerjahre noch immer an

Es liegt kein großes Risiko in der Prognose, dass Donald John Trump niemals ins Weiße Haus einziehen wird. In der Nähe, im Gebäude des alten Postamts, erschafft er zwar gerade ein neues Hotel; näher aber wird er der Regierungszentrale nicht kommen. Selbst eine deutliche Mehrheit von Republikanern distanziert sich von dem Mann, der unnachahmlich die Schattenseiten des US-Kapitalismus verkörpert. Trump, Enkel eines deutschen Einwanderers namens Drumpf und Sohn eines bescheidenen Bauunternehmers, wirkt so, als dauerten die Achtzigerjahre noch immer an, als passe das Motto aus dem damaligen Film "Wall Street", "Gier ist gut", noch immer in die Zeit.

In seiner Bewerbungsrede definierte er sich durch das, was er hat (Milliarden, Hochhäuser) und das, was er umsetzt ("Ich habe jemandem aus China eine Wohnung für 15 Millionen verkauft"). In Trumps Logik, wonach Geld über Recht oder Unrecht entscheidet, kann er nur recht haben. Amerika aber leidet unter den Folgen der Wirtschaftskrise und wachsender Ungleichheit. Der großmaulige Immobilienhai passt schon deswegen nicht in die Zeit.

Trups derzeitiger Erfolg offenbart, wie führungslos die Republikaner sind

Immerhin ist Trumps Bewerbung vielsagender, als es sein Geschwätz und Macher-Gehabe nahelegen. Zum einen ist Trump eine Berühmtheit; er ist der einzige Kandidat mit einem Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood, und weil die Amerikaner Berühmtheiten lieben, ist ihm Aufmerksamkeit immer gewiss. Nach der Antrittsrede machten sich sämtliche linken Satiresendungen über seine Redekünste lustig, aber es machten sich eben auch alle lustig. Viele republikanische Politiker sagen die unglaublichsten Sachen; eine universelle Nachricht wird daraus aber erst, wenn eine Berühmtheit wie Trump diese unglaublichsten Sachen sagt.

Die permanente Aufmerksamkeit schlägt sich unmittelbar in den Umfragen nieder. Sowohl landesweit als auch in den ersten Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire liegt Trump an zweiter Stelle. Das muss nicht heißen, dass Trump ein mehrheitsfähiger Kandidat ist, schließlich verteilen sich die Stimmen der Republikaner derzeit auf mehr als ein Dutzend Kandidaten. Aber Trumps derzeitiger Erfolg offenbart auch, wie zersplittert und führungslos seine Partei ist: Weil jeder frühe Konsens darüber fehlt, welche zwei oder drei seriösen Bewerber für Amerikas Konservative antreten sollen, kann sich eben jede finanzkräftige Berühmtheit selbst zum nächsten Anführer ausrufen.

Trump steht für das alte, weiße, arrogante Establishment

Die Logik der Vorwahlen legt nahe, dass Trump noch eine Weile mitreden wird. Im August beginnen die Fernsehdebatten, dort stehen jene zehn Kandidaten auf der Bühne, die in den Umfragen am besten abschneiden. Trump wird dazugehören, und er wird deswegen auch das Bild prägen, das die Partei vor einem landesweiten Publikum abgibt.

Die Republikaner haben zwar erkannt, dass sie das Weiße Haus erst dann wieder erobern werden, wenn sie auch die wachsende Wählergruppe der Latinos von sich überzeugen, die mehr Mitgefühl mit Amerikas Einwanderern verlangen. Trump hingegen steht für das alte, weiße, arrogante Establishment, das auf Menschen anderer Hautfarbe herabblickt: Er hat angekündigt, dass er die USA mit einer Mauer von den Mexikanern abschotten wird, eine Mauer, die natürlich die Mexikaner bezahlen sollen.

Fernsehsender und Kaufhausketten boykottieren Trump

In den bunten, politisch korrekten USA des Jahres 2015 aber bleiben Äußerungen über Mexikos "Vergewaltiger" nicht ohne Folgen. Die Fernsehsender Univision und NBC haben Trump gefeuert, sie werden weder seine "Apprentice"-Show ausstrahlen noch die "Miss USA"- und "Miss Universe"-Wettbewerbe, die er vermarktet. Die Kaufhauskette Macy's hat derweil ihr Trump-Sortiment aus den Regalen geräumt, dazu gehörten Manschettenknöpfe und bügelfreie Hemden, unter anderem ein holunderfarbenes mit weißem Kragen, wie man es offenbar als sehr erfolgreicher Manager trägt. Trump wirft seinen bisherigen Geschäftspartnern Feigheit vor und hat Klagen angekündigt.

So gesehen schadet der Politiker Trump dem Geschäftsmann Trump, aber die ganze Aufmerksamkeit könnte sich wieder für den Politiker Trump auszahlen, was langfristig auch wieder dem Geschäftsmann nutzen könnte. Der Name Trump ist überall: In einer Abendtalkshow ist ein Latino vor einer Mariachi-Formation aufgetreten und hat (auf Spanisch) gesagt, Trump könne sich seine unsäglichen Bemerkungen wo hinstecken. In Mexiko steigt der Absatz von Trump-Pinatas, auf die man lustvoll einschlagen kann, und die Kolumbianerin Paulina Vega, amtierende Miss Universe, nannte Trumps Tirade "ungerecht und verletzend".

Trump wirkt im Kreis seiner Parteifreunde wie ein Exot, aber in mancher Hinsicht verkörpert er auch schlicht Washington, wie es heute ist. Politik und Unterhaltung gehen fließend ineinander über, zwischen Syrien-Politik und Politikerfrisuren liegt immer nur eine Werbepause. Und wer Geld hat, kann nach Belieben versuchen, dieses Spiel zu beeinflussen.

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