USA:Bushs Justizminister spielt Guantanamo-Urteil runter

Das Oberste Gericht der USA gewährt Guantanamo-Insassen das Recht auf Zugang zu ordentlichen Gerichten in den USA. US-Präsident Bush ist damit nicht einverstanden. Sein Justizminister will aber keine Auswirkungen des Urteils auf die Kriegsgerichtsprozesse in Guantanmo erkennen.

Der amerikanische Justizminister Michael Mukasey erwartet vom jüngsten Urteil des US-Verfassungsgerichts keine Auswirkungen auf geplante Kriegsgerichtsprozesse in Guantanamo.

USA: Künftig dürfen die Fälle von Guantanamo-Häftlingen auch an amerikanischen Zivilgericten verhandelt werden.

Künftig dürfen die Fälle von Guantanamo-Häftlingen auch an amerikanischen Zivilgericten verhandelt werden.

(Foto: Foto: AP)

Mukasey sagte am Freitag in Tokio, die Entscheidung des Obersten Gerichts beziehe sich nicht auf militärische Verfahren, die fortgesetzt würden. Das Verfassungsgericht hatte am Donnerstag entschieden, dass auch im Krieg gegen Terror festgenommene und in Guantanamo auf Kuba inhaftierte Gefangene verfassungsmäßige Rechte hätten und bei zivilen Gerichten Einspruch gegen ihre Haft einlegen könnten.

"Die (Verfassungs-) Gerichtsentscheidung betrifft nicht Prozesse der Militärkommission, die weitergehen werden", sagte Mukasey bei einem Treffen der G-8-Justizminister in Tokio. Er sei enttäuscht über das Urteil gegen Bushs Regierung im Zusammenhang mit Guantanamo.

Das Urteil betrifft seiner Ansicht nach aber nicht die Militärgerichtsprozesse, sondern nur das Verfahren, nach dem feindliche Kämpfer festgehalten werden. Man werde sich an die Auflagen halten und prüfen, ob ein neues Gesetz oder andere Maßnahmen erforderlich seien.

Bushs Parteifreund und möglicher Nachfolger als US-Präsident, John McCain, zeigte sich besorgt über das Urteil, während sein Konkurrent um das Präsidentenamt, Barack Obama die Entscheidung der Richter begrüsste.

Anwälte von Guantanamo-Gefangenen, deren Prozess demnächst beginnt, sehen das anders. Der Verteidiger des seit sechs Jahren in Guantanamo inhaftierten ehemaligen Fahrers von Osama bin Laden, Korvettenkapitän Brian Mizer, sagte, das Oberste Gericht habe den gesamten rechtlichen Rahmen auf den Kopf gestellt, nach dem sein Mandant Salim Hamdan der Prozess gemacht werden solle. Hamdans Prozess ist das erste Kriegsverbrecherverfahren in Guantanamo überhaupt und soll am 14. Juli beginnen.

Auch für den vergangene Woche in Guantanamo begonnenen Prozess gegen fünf mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 erwartet die Verteidigung Auswirkungen.

Bush teilt Meinung des Gerichts nicht

Korvettenkapitän Suzanne Lachelier, Anwältin des angeklagten Ramsi Binalschibh, sagte: "Der ganze Zweck der Regierung war, die Anwendung der Verfassung zu umgehen. Das funktioniert offensichtlich nicht mehr."

Die Regierung von Präsident George W. Bush hatte den Standpunkt vertreten, sie könne feindliche Kämpfer ohne Anklage für die Dauer eines Konflikts festhalten, um die USA und ihre Verbündeten zu schützen. Im Fall des von ihr erklärten "Kriegs gegen den Terrors" könnte das Generationen dauern.

Bei einem Besuch in Rom sagte Bush: "Ich bin mit dieser Entscheidung nicht einverstanden". Seine Regierung werde bis zuletzt alles tun, um die Sicherheit des amerikanischen Volkes zu gewährleisten. UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour äußerte nach dem Urteil die Hoffnung, dass sich nun rasch Zivilgerichte mit der Situation der Gefangenen in Guantanamo befassen könnten. Amnesty International sprach von einem "bedeutenden Schritt vorwärts in Richtung Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit". Die US-Organisation ACLU erklärte, der "Gesetzlosigkeit der gescheiterten Guantánamo- Politik der Bush-Administration" sei eine Absage erteilt worden.

Die Entscheidung des Obersten Gerichts fiel mit fünf zu vier Stimmen. Danach kam die Richter-Mehrheit zu dem Schluss, dass ein seit dem Mittelalter geltendes Grundrecht, das jedem Menschen die Anfechtung seiner Gefangenschaft vor einem Gericht erlaubt, auch für die Guantánamo-Häftlinge zu gelten hat. Die Gesetze und die Verfassung seien so angelegt, dass sie auch in "ungewöhnlichen Zeiten" Geltung hätten, schrieb Richter Anthony Kennedy in der Urteilsbegründung.

Die Wahrung von Freiheitsrechten und Sicherheitsbelange müssten kein Widerspruch sein. Nach Medienberichten wurde in dem Urteil zugleich das geltende Verfahren bei der Einstufung der Gefangenen als "ungesetzliche feindliche Kämpfer" als rechtlich unzureichend bezeichnet.

In dem Gefangenenlager werden zurzeit etwa noch 270 Männer festgehalten, fast alle von ihnen ohne Prozess und sogar ohne jede Anklage. Unter den Häftlingen befinden sich auch fünf mutmaßliche Hauptverantwortliche der Anschläge vom 11. September. Ihnen soll nach dem Willen der US-Regierung nach einer ersten Anhörung in der vergangen Woche im September der Prozess vor einem Sondergericht gemacht werden. Welche Auswirkungen das Urteil des höchsten Gerichts auf diese und schätzungsweise bis zu 80 weiter geplante Prozesse hat, blieb zunächst unklar.

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