USA: Barack Obama und die Wende:"Den Hass nicht weiter schüren"

Obama und die Militärtribunale: Politikwissenschaftler Dietmar Herz über den Umgang mit dem schwierigen Bush-Erbe, die neue Realpolitik des US-Präsidenten und die Risiken einer juristischen Aufarbeitung.

Nicolas Richter

Dietmar Herz ist Professor am Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Erfurt. Er hat auch an mehreren US-Universitäten unterrichtet.

Barack Obama, AP

US-Präsident Barack Obama.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Professor Herz, warum ist es für Präsident Barack Obama so schwer, mit der Politik seines Vorgängers George W. Bush zu brechen?

Dietmar Herz: Obama hat mehr als andere US-Präsidenten mit der Vergangenheit gebrochen. Gleich zu Beginn hat er die Politik der Bush-Jahre total verrissen. Andererseits will er eine polarisierte Nation wieder zusammenführen. Beide Ziele widersprechen sich eigentlich.

SZ: Wie kann er den Konflikt lösen?

Herz: Obama beginnt nun eine realpolitische Wende. Er steht für eine neue Politik, aber er nimmt gleichzeitig Rücksicht auf Militär oder Geheimdienste, die den Demokraten traditionell eher misstrauen. Er wird die Folterfotos nicht veröffentlichen, weil ihm seine Generäle sagen, dass diese Dokumente den Hass auf US-Soldaten schüren werden. Er wird CIA-Mitarbeiter nicht vor Gericht stellen, obwohl sie gefoltert haben. Er will eine Entfremdung zwischen seiner Regierung und wichtigen Institutionen des Staats verhindern. Im Krieg in Afghanistan braucht er deren volle Loyalität.

SZ: Damit wird er jedoch seine Klientel, die Bürgerrechtler etwa, verärgern.

Herz: Die haben ja auch schon empört reagiert. Obama aber ist pragmatisch, er sagt sich, dass ihm diese Anhänger gleichwohl treu bleiben werden. Er ist der progressivste, liberalste Präsident seit langer Zeit. Seine Wähler wissen das.

SZ: Wie sind andere US-Präsidenten mit dem schwierigen Erbe ihrer Vorgänger umgegangen?

Herz: Gerald Ford wollte 1974 nach der Watergate-Affäre das Prestige der Präsidentschaft wiederherstellen. Er sagte, "unser Albtraum ist zu Ende". Er hat seinen Vorgänger Richard Nixon allerdings begnadigt, um zu verhindern, dass der wegen seiner Straftaten vor Gericht stehen musste. Das wurde damals heftig kritisiert, und es hat Ford wohl 1976 die Wahl gekostet. Allerdings muss man jetzt sagen, dass der Schritt sinnvoll war. Sonst wäre es zu der extremen Polarisierung, wie man sie unter George W. Bush erlebt hat, viel früher gekommen.

SZ: Muss man die Vergangenheit nicht auch juristisch aufarbeiten, um neu anfangen zu können?

Herz: Viele US-Präsidenten haben den Bruch ausgerufen, haben das Land neu gründen wollen. Jefferson hat das 1800 getan, später Ronald Reagan, indem er den Sozialstaat Roosevelts und Johnsons praktisch zerstört hat. Aber alle haben gewusst: Der Bruch muss für die Zukunft gelten, nicht für die Vergangenheit. Wenn Obama jetzt die Verantwortlichen der Bush-Zeit vor Gericht stellen würde, dann würden viele Amerikaner dies als "Angriff" auf Amerika begreifen, und viele würden sich wieder hinter die Republikaner stellen.

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