US-Wahl:Sie wollen einen, "der das System schüttelt und kaputt macht"

Latinos for Trump"

"Latinos for Trump", das ist ein bisschen wie Migranten gegen Migration. Trotzdem unterstützt ein Teil dieser Gruppe den umstrittenen republikanischen Präsidentschaftskandidaten.

(Foto: AP)

"Latinas für Trump", das klingt wie "Migrantinnen gegen Migration". Denn eigentlich hat der republikanische Präsidentschaftskandidat alles getan, um Hispanics zu vergraulen. Doch wie immer, wenn es in den USA um Identität geht, ist es komplizierter.

Von Lena Kampf, Miami

Es gibt einen Cartoon des amerikanischen Wochenmagazins New Yorker, auf dem eine Schafweide zu sehen ist. Auf der Weide steht ein Wahlplakat, das das Gesicht eines Wolfs im Anzug zeigt, daneben der Satz: "Ich werde euch fressen." Zwei Schafe betrachten das Plakat, eins sagt zum andern: "Er sagt, wie es ist."

Darf man an diesen Cartoon denken, wenn man die "Latinas für Trump" besucht? Die Frauen, die unbedingt wollen, dass Donald Trump nächster Präsident der Vereinigten Staaten wird, treffen sich an einem Mittwochabend in einer Schönheitsklinik in Miami. Hier gibt es, Politik inklusive, "Verjüngungskur ohne OP" im Nebenzimmer. Fast könnte man das als Sinnbild für den republikanischen Wahlkampf verstehen, der beim Thema Migration ein neues Gesicht bekommen soll. Vergangene Woche hat der Präsidentschaftskandidat angekündigt, "weicher" werden zu wollen, und am Mittwoch ist er nach Mexiko gereist, um Präsident Peña Nieto zu treffen. Dort präsentierte er sich dann tatsächlich weich - nur um direkt im Anschluss, in seiner Grundsatzrede zur Einwanderungspolitik, wieder den harten Hund zu geben.

Es sind etwa 25 Frauen und wenige Männer zu dem Treffen in der Schönheitsklinik gekommen, sie haben Wurzeln in Argentinien, Kuba, Kolumbien oder Venezuela. Die jüngste ist 20, die älteste mehr als 70 Jahre alt, als Rednerin ist eine Fachanwältin für Migration geladen, ein ehemaliges Model, Miss Dominikanische Republik.

"Der Traum ist hier, wir müssen ihn bewahren."

Mayra Joli ist schwarz, trägt ihre Haare blondiert und tritt in einem hochgeschlossenen, pfirsichfarbenen Etuikleid auf. Vor Gericht kämpft sie gegen die Abschiebung ihrer Mandanten, oft sind sie illegal eingewandert, sie hat schon Tausende verteidigt. Sie ist eingetragenes Mitglied der Demokratischen Partei und hat bei der letzten Wahl Barack Obama unterstützt. Doch unter Obama seien mehr Menschen deportiert worden als je zuvor. Sie habe vergeblich auf eine Reform der Einwanderungsgesetze gehofft. Jetzt brauche es jemanden, der das System "schüttelt und kaputt macht", sagt sie. Sie ist dafür, Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko von Migranten bauen zu lassen. "Der Traum ist hier, wir müssen ihn bewahren."

"Latinas für Trump", das ist ein bisschen wie "Migrantinnen gegen Migration". Illegale Migration, betonen die Frauen. Viele erinnern sich an lange Zeiten des Verzichts - meist auf ein Elternteil. "Meine Mutter ist als erste ausgewandert, nach einem Jahr hat sie mich geholt. Mein Vater kam dann sechs Jahre später", erzählt Erika Kam, 43, eine Finanzberaterin, in Panama geboren. Andere Frauen wissen noch, wie sie als kleine Kinder tagelang bei Behörden anstanden, um die richtigen Papiere zu bekommen. Weil sie es geschafft haben, legal einzuwandern, sollen sich alle anderen auch an die Spielregeln halten. "Es gibt nichts amerikanischeres als Trump", sagt eine. Ihn zu wählen, heißt auch, zu zeigen, dass man ein guter Einwanderer ist. Den Widerspruch, dieselbe Chance weniger Privilegierten zu verwehren, können diese Latinas nicht auflösen.

Dass sie einen Mann unterstützen, der sich nicht vom Ku-Klux-Klan distanziert und Mexikaner pauschal als Vergewaltiger bezeichnet, tun sie hier mit seiner fehlenden Erfahrung ab. Er habe sich noch nicht unter Kontrolle, weil er kein Karriere-Politiker sei, heißt es, gerade deshalb wird Trump hier unterstützt.

Trumps bestes Minderheiten-Aushängeschild

Denise Galvez, 41, Unternehmerin aus Miami, hat "Latinas für Trump" im Mai gegründet. Auf Trumps letzter Kundgebung in Florida, Mitte August in Fort Lauderdale, stand Galvez direkt hinter Trumps Rednerpult und trug das rote T-Shirt mit dem Namen ihrer Gruppe. Seitdem ist Galvez so etwas wie Trumps bestes Minderheiten-Aushängeschild. Eine der Gründerinnen ist in Trumps Team für die Öffentlichkeitsarbeit im Wahlkampf angestellt worden.

Dass Trump Geschäftsmann ist, hat die Geschäftsfrau Galvez überzeugt: "Wenn es einen gibt, der weiß, wie man Jobs schafft, dann er." Sie will die unabhängigen Wähler in Florida überzeugen, für Trump zu stimmen. Das Wahlkampfmaterial musste Galvez erst ins Spanische übersetzen, Trumps Manager hatten daran nicht gedacht.

Florida ist der große Preis, der wichtigste Wechselwählerstaat. Obama hat Florida 2008 und 2012 gewonnen, 2000 entschieden wenige Stimmen aus Florida die Wahl für George W. Bush. Wenn Hillary Clinton hier gewinnt, wird sie rein rechnerisch wohl Präsidentin. Trump muss Florida gewinnen, sonst hat er kaum eine Chance. Weil in Florida rund 25 Prozent der Bevölkerung Wurzeln in Lateinamerika haben, geht es auch hier um den "Latino-Vote".

Galvez wird angefeindet, weil sie Trump unterstützt

Dass Frauen eher für Hillary Clinton stimmen, Weiße für die Republikaner, Schwarze demokratisch wählen und Latinos eher nicht Trump, basiert auf der Annahme, dass Mitglieder einer Gruppe entsprechend ihrer Zugehörigkeit wählen. "Identity politics", Identitätspolitik nennt man das, und nie ist sie in den USA wichtiger als bei einer Präsidentenwahl. Doch wie immer wenn es um Identität geht, ist es komplizierter.

Denise Galvez zum Beispiel, sieht sich zuerst als Amerikanerin. Ihre 1959 aus Kuba eingewanderten Eltern legten sehr viel Wert darauf, sich schnell zu integrieren. Galvez hatte keine dieser amerikanischen Bindestrich-Identitäten. Jedenfalls nicht, bis es hieß, Frauen und Latinos könnten kaum für Trump abstimmen, den Champion der weißen Unterschicht. Weil Denise Galvez ihn öffentlich unterstützt, wird sie angefeindet, fast nur von Latinos. Für die Ankündigung ihres ersten Treffens benutzte sie die Rhetorik der Schwulen- und Lesbenbewegung und nannte es: "Coming out for Trump" - sich zu Trump bekennen. Konsequent bezeichnen sich einige Anwesende als "closeted", versteckte Trump-Unterstützerinnen. Sie fürchten negative Konsequenzen und wollen anonym bleiben.

Als Trumps Umfragewerte zuletzt fielen, habe ihre Gruppe viel Zuspruch gewonnen, sagt Denise Galvez. Gradmesser sind ihre beiden Facebook-Gruppen, eine betreibt sie auf Spanisch, eine auf Englisch. "Je heftiger sie ihn fertigmachen in den Medien, umso mehr wächst die Zustimmung für uns." Umfragen zeigen, dass nur etwa zwölf Prozent der lateinamerikanischstämmigen Bevölkerung für Trump stimmen wollen. Galvez glaubt aber, dass es bei der Wahl in November eine Überraschung geben wird.

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