USA: Abstimmung über Gesundheitsreform:"Tut es für Amerika!"

Kurz vor der Abstimmung über das wichtigste Projekt seiner Amtszeit beschwört US-Präsident Obama die Demokraten. Auch die Gegner der Gesundheitsreform kämpfen bis zuletzt - mit Protesten vor dem Kapitol.

Kurz vor der Kampfabstimmung im Repräsentantenhaus hat US-Präsident Barack Obama an die Abgeordneten seiner Partei appelliert, die Gesundheitsreform zu verabschieden. "Ich weiß, unter welchem Druck Sie stehen", sagte Obama seinen Demokraten und forderte sie auf, nicht einzuknicken. "Dies ist einer dieser Momente, dies ist eine dieser Zeiten, in denen man wirklich zu sich sagen kann: Verdammt noch mal, das ist genau der Grund, warum ich hier bin!"

"Es liegt in Euren Händen. Lasst es uns zu Ende bringen", sagte Obama kämpferisch. Die Reform sei das Produkt eines "schwierigen Prozesses", sagte er. Obama ging auf zahlreiche Streitpunkte ein - etwa die Sorge, der Staat könnte die Kosten für Abtreibungen übernehmen oder sich zu sehr in das Privatleben einmischen. "Tut es nicht für mich. Tut es nicht für die Demokratische Partei. Tut es für das amerikanische Volk", appellierte Obama im Cannon House Office Building des Kongresses an die Demokraten.

Die Kongresskammer wollte an diesem Sonntag über den Umbau des 2,5 Billionen Dollar teuren Gesundheitswesens abstimmen. Allerdings gab es nicht nur bei den Republikanern Zweifler. Auch in Obamas eigenem Lager war das Vorhaben bis zuletzt umstritten, weshalb er um die nötige Mehrheit von 216 Stimmen der derzeit 431 Mitglieder bangen musste.

Demokraten sind optimistisch

Nach einer Reihe von Gesprächen hinter verschlossenen Türen und dem Kapitol-Besuch des Präsidenten zeigten sich die Demokraten aber siegesbewusst. "Ganz klar: Wir glauben, dass wir die Stimmen zusammenhaben", sagte der Mehrheitsführer der Regierungspartei im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer.

Geradezu euphorisch äußerte sich der einflussreiche demokratische Abgeordnete John Larson im Fernsehsender ABC: "Wir haben die Stimmen. Wir werden heute Geschichte schreiben." Er stellte das Reformvorhaben in eine Reihe mit historischen Entscheidungen unter den früheren Präsidenten Franklin Roosevelt, der das Sozialversicherungsgesetz auf den Weg gebracht hatte, und Lyndon B. Johnson, in dessen Amtszeit die sogenannte Medicaid für arme Menschen in den USA ins Leben gerufen wurde.

Die Abgeordneten sollen zunächst über eine Vorlage abstimmen, die vom Senat bereits abgenickt wurde. Da diese in mehreren Punkten aber auf Widerstand in den Reihen der Demokraten stößt, wird zusätzlich über ein Änderungspaket abgestimmt, über das dann auch noch - vermutlich kommende Woche - die Senatoren befinden müssen. Über Obamas wichtigstes innenpolitisches Projekt wird seit neun Monaten erbittert gerungen. Sie soll 32 Millionen Amerikanern eine Krankenversicherung verschaffen, die bisher keinen Schutz haben. Zahlreiche Amerikaner lehnen die Reform ab, weil sie unter anderem steigende Kosten und eine Verschlechterung der Versorgung befürchten.

Demonstrationen vor dem Kapitol

Vor dem Kapitol demonstrierten tausende Gegner des Reformvorhabens. In Anspielung an einen Action-Thriller skandierten sie "Kill the Bill" (Tötet das Gesetz). Auf Spruchbändern bezeichneten sie den Präsidenten und sein Reformvorhaben als "sozialistisch". Der republikanische Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, John Boehner, sagte, für die Demokraten in Washington sei es höchste Zeit, auf die Stimme des amerikanischen Volkes zu hören.

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