US-Wahlkampf: TV-Duell Palin vs. Biden:Unfähigkeit als Chance

Freiheit ist, wenn man nichts mehr zu verlieren hat: Nach Sarah Palins verbalen Stümpereien hoffen die Republikaner, dass es beim TV-Duell mit Biden nur noch besser werden kann.

C. Wernicke, Washington

Sie kann nur gewinnen, denn verloren hat sie schon. Zwar lächelt und winkt Sarah Palin, Amerikas republikanische Vizepräsidentin in spe, weiterhin sehr tapfer, wann immer sie irgendwo eine TV-Kamera erspäht.

US-Wahlkampf: TV-Duell Palin vs. Biden: Sarah Palin lächelt tapfer, obwohl viele Parteifreunde sie für eine Katastrophe im US-Wahlkampf halten.

Sarah Palin lächelt tapfer, obwohl viele Parteifreunde sie für eine Katastrophe im US-Wahlkampf halten.

(Foto: Foto: AFP)

Aber in ihrem Innern weiß sie, dass viele Journalisten sich ihr nur nähern, um Zeuge (und Bote) ihrer nächsten Panne, ihres neuesten Aussetzers zu sein. Und mit genau dieser Erwartung dürften am Donnerstagabend auch Millionen Amerikaner vor ihrem Fernseher Platz nehmen: Die Nation harrt - halb bange, halb hämisch - all der Peinlichkeiten, die da kommen mögen.

Welche Panik die verbalen Stolpereien der Sarah Palin inzwischen im republikanischen Lager ausgelöst haben, offenbarte die McCain-Kampagne eher unfreiwillig zu Beginn dieser Woche. Erneut stellte sich die 44-jährige Konservative einem Fernsehinterview. Und plötzlich hockte da, wie ein Schutzengel, der alte Senator neben ihr.

Palin im Interview: Völlig aus der Spur

"Das wirkte doch, als säßen da Vater und Tochter", bemängelte der Politstratege Ed Rollin, immerhin ein ehemaliger Wahlkampfmanager von Ronald Reagan. Auf CNN hatte Rollin kopfschüttelnd nur einen Rat parat für seine Parteifreunde: "Lasst Palin endlich Sarah Palin sein!"

Den Vorwurf, die McCain-Kampagne habe Palin gleichsam "übertrainiert", erheben inzwischen viele Konservative. Drei Wochen lang hatte die national wie international unerfahrene Gouverneurin von Alaska mit PR-Beratern alle möglichen Antworten auf jede noch so unmögliche Journalistenfrage bimsen müssen. Erst dann durfte sie antreten zum Interview bei Katie Couric, der Anchorwoman von CBS. Und was Palin da ablieferte, war schlicht ein Fiasko.

Sichtlich nervös, bisweilen fast wirr rezitierte die potentielle Vizepräsidentin nur Versatzstücke aus ihrem Trockentraining. Zum nationalen Finanzkrise fiel ihr kaum mehr ein, als dass "die Amerikaner darauf warten, was John McCain sagt - und nicht, darauf, was Barack Obama wohl macht." Derweil führte sie ihre rechte Hand zum Mund, um den befeuchteten Zeigefinger dann in den imaginären Wind zu halten.

Ihre eigenes Konzept zur Rettung der Wall Street verlor sich in unvollständigen Sätzen über Krankenversicherung und Arbeitsplatz-Beschaffung. Und völlig aus der Spur geriet sie, als sie ihre außenpolitische Kompetenz mit Alaskas Nähe zu Russland belegen wollte: "Wenn Putin seinen Kopf zurücklegt und in den Luftraum von Amerika kommt - wohin geht er? Das ist Alaska, es liegt gleich hinter der Grenze."

Palin hatte sich lächerlich gemacht, und dem Schaden folgte am Samstag dann der Spott. Die populäre Comedy-Show "Saturday Night Live" parodierte die Kandidatin acht Minuten lang als augenrollendes, naives Dummchen. Schlimmer noch, die Autoren nutzen zu einem guten Teil Palins Originalzitate, um die Republikanerin durch den Kakao zu ziehen. Zugleich etablierte sich im Internet eine Website, die per Computer Palins Wortbrocken zu immer neuen, sinnlosen Phrasen zusammenwürfelt.

Seither wollen auch manche Konservative die Notbremse ziehen. Die Kolumnistin Kathleen Parker etwa rief Alaskas "Hockey Mom" flehentlich auf, zum Wohle von McCain und unter dem Vorwand familiärer Nöte daheim doch bitte zurückzutreten. Seriöse Publizisten wie Fareed Zakaria mahnten, in Zeiten drängender Krisen könne sich Amerika so viel Inkompetenz nicht leisten: "Sie mag Antworten geben, aber sie versteht die Fragen nicht!"

Erwartungen an Palin gegen null gesunken

Doch McCain hält zu ihr. Der Senator weiß, dass bei der rechten Basis der Palin-Effekt noch immer wirkt. Ein PR-Manager schwärmt, Palins Nominierung habe der Kampagne ein Heer freiwilliger Wahlhelfer zugespült, er könne nun dreimal so viele Werbetelefonate und Hausbesuche bei potentiellen Wählern organisieren.

Im Gelächter über die TV-Auftritte geht fast unter, was Skeptiker sonst noch über Palins Vorleben zu Tage förderten. Bei YouTube tauchten Szenen auf, wie ein Pfingstkirchen-Pastor die Lokalpolitikerin 2004 mit aufgelegter Hand gegen Hexerei zu schützen versuchte. In derselben Kirche dankte Palin erst in diesem Sommer für den damaligen Segen, und sie erinnerte daran, dass der Irak-Krieg "von Gott gewollt" sei.

Zudem wiesen Recherchen seriöser Journalisten inzwischen unzweideutig nach, dass die Kandidatin bestenfalls die halbe Wahrheit erzählt, wenn sie über ihr Wirken als Alaskas reformeifrige Gouverneurin schwadroniert: Die Behauptung, sie habe schon immer Washingtons Verschwendung gegeißelt und deshalb sogar Bundeszuschüsse für eine umstrittene Brücke abgelehnt, ist mittlerweile als Lüge entlarvt.

All das mag zur Sprache kommen, wenn Palin auf die TV-Bühne tritt. Wenn sie leidlich jede Frage pariert, kann sie, angesichts der gegen null gesunkenen Erwartungen, kaum verlieren. Nur, wirklich gewinnen kann sie für John McCain auch dann nicht mehr viel.

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