US-Wahlkampf:Sehnsucht nach "Amerikas CEO"

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Als seine größte Stärke stellt Trump sein Verhandlungsgeschick heraus. (Foto: AFP)

Der Erfolg von Trump zeigt: Seine Wähler haben mehr Vertrauen in Unternehmenschefs als in Politiker. Doch sind sie wirklich die besseren Staatslenker?

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Stellen wir uns Donald Trump einmal nicht als narzisstischen Populisten und Hauptfigur rassistischer Kontroversen vor, sondern als Chef: Als CEO seines neuen Unternehmens, der amerikanischen Regierung.

Trump selbst propagiert diese Idee schon lange: "Vielleicht ist es Zeit, dass Amerika wie eine Firma geführt wird", erklärte er bereits im Jahr 2000. Damals kämpfte er noch um die Nominierung der Reform Party. Deren Gründer war der Geschäftsmann und mehrmalige Präsidentschaftskandidaten Ross Perot, ein früher Protagonist dieser Strömung.

2016 ist die Idee reif für den Mainstream. Viele Trump-Wähler begründen ihre Unterstützung immer wieder damit, dass die Vereinigten Staaten keinen Politiker an der Spitze brauchen, sondern einen Geschäftsführer, der unabhängig von politischen Interessen und Gemengelagen agiert.

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Trump spielt in die Hände, dass die Republikaner in den vergangenen acht Jahren die USA immer wieder zum Sanierungsfall erklärten, dem nur ein "Turnaround" helfe - also ein unternehmerischer Umschwung, wie er in der Regel durch einen neuen Chef eingeleitet wird. Auch Mitt Romney trat 2012 in diesem Rahmen als "Amerikas CEO" an. Die Mehrheit der Wähler nahm ihn jedoch nicht als Führungsfigur, sondern als abgehobenen Patrizier wahr.

Gleichzeitig hat sich die Perspektive auf Politiker verändert: In einer Vielzahl von demokratischen Industrienationen sind sie unbeliebter als je zuvor, politische Mechanismen erscheinen einer wachsenden Zahl von Wählern als bezugslose Rituale. Zugleich hat sich der politische Diskurs in fast allen Feldern auf ökonomische Fragen verengt: Von der Bildung über die Digitaldebatte bis hin zur Flüchtlingspolitik dreht sich fast alles um die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes im Kontext der Globalisierung.

Regieren wird zum Verwaltungsakt

Genau hier erscheint die Figur des CEO-Politikers attraktiv, denn in diesem Wettbewerb hat er sich - anders als herkömmliche Politiker - bereits bewiesen. Australiens Premier Malcolm Turnbull, Gründer einer Investmentbank und später Goldman-Sachs-Mitarbeiter, hat seine Aufgabe so beschrieben: "Australier erwarten von mir als Premierminister, dass ich den Haushalt verantwortungsvoll verwalte, dem Steuerzahler am meisten für sein Geld biete und die Regierung effizient manage."

Diese vereinfachte Idee von Regierungsverantwortung reduziert Politik auf Fragen der Wohlstandssicherung, einen spätdemokratischen Verwaltungsakt. Die Folgen reichen von einer Entideologisierung bis hin zur Entpolitisierung; der CEO steht über dem Kampf der politischen Lager, dem Streit um Ideen bleibt er als pragmatischer Entscheider fern. Auch die Politik Angela Merkels vor der Flüchtlingskrise trug solche Züge, ohne dass die Physikerin dafür einen MBA gebraucht hätte.

In den USA gilt New Yorks ehemaliger Bürgermeister Michael Bloomberg als Pionier dieser Politik. Der erfolgreiche Unternehmer machte Effizienz zur Chefsache, die Bürger der Metropole wurden zu Kunden, die über die Telefonnummer 311 stets die Stadt kontaktieren und online Feedback geben konnten. Genau dieser postideologische Dienstleistungsgedanke lässt heute noch manchen Politik-Professionellen von einer unabhängigen Kandidatur Bloombergs träumen.

Nun agiert Trump jedoch alles andere als Ideologiefrei, sondern vertritt eine Reihe von Extrempositionen. Seine Anhänger erwarten auch gar keine Kompromisse, so wie auch etablierte politische Mechanik und Gewaltenteilung ausgeblendet werden. Entweder wird der Gegner von der richtigen Politik überzeugt, oder einfach bei Verhandlungen besiegt. Denn von allen Chef-Fähigkeiten betont Trump sein Verhandlungsgeschick am stärksten.

Negativbeispiel George W. Bush

Keine Erfolg versprechende Strategie wenn man James Pfiffen von der George Mason University glauben mag. Er hat vor einigen Jahren das Vorgehen von Unternehmenschefs in politischen Führungsfunktionen untersucht und kommt zu dem Schluss: Am erfolgreichsten in der Politik seien jene Wirtschaftsvertreter, die unideologisch agierten und gleichzeitig großes Interesse an politischen Prozessen und Details der Lösungen zeigten.

Als Negativbeispiel gilt George W. Bush, der erste MBA unter US-Präsidenten und wie sein Vater mit Erfahrung als CEO ausgestattet. Der habe zwar viele flotte Meetings durchgezogen und schnell Entscheidungen gefällt, sich aber weder für Ratschläge außerhalb seines Zirkels, noch für Details in politischen Abläufen interessiert, so Pfiffen. Zu den Konsequenzen gehören unter anderem Irak-Krieg und der CIA-Folterskandal.

Bush entspreche, so das Fazit, als Typ eher dem jovialen Verkäufer als dem strategisch denkenden Macher. Das erinnert an Donald Trump. Könnte die nächste Staffel von "Amerikas CEO" schlicht auf die Neuauflage eines Desasters hinauslaufen?

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