US-Wahlkampf:Hau den Donald

Hillary Clinton wollte nicht nur fachlich punkten, sondern auch ihren Kontrahenten Donald Trump zu unkontrollierten Äußerungen zwingen. Das ist ihr gelungen. Ob es die Amerikaner beeindruckt?

Von Sacha Batthyany

Was wurde nur mit Superlativen um sich geworfen vor dieser ersten Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald J. Trump. Der wichtigste Moment im Wahlkampf werde es, "das größte Spektakel des Jahres", hieß es bei CNN. Es schien, als würde das Land am Montagnachmittag die Luft anhalten, es gab kein anderes Thema. Und als dann alles vorbei war gegen Mitternacht, werden sich viele der Millionen Menschen gefragt haben: War das wirklich alles?

Ob sich die unentschlossenen Wähler aufgrund dieses Abends eine Meinung gebildet haben, ist jedenfalls fraglich. Das allermeiste von dem, was Clinton und Trump auf der Bühne der Hofstra-Universität auf Long Island von sich gaben, war bekannt. Wer die Vorwahlen verfolgt hatte, kam sich vor wie in einem neunzigminütigen Déjà-vu.

Die Frage nach seinen Steuererklärungen wird den Republikaner verfolgen

Die Strategie von Hillary Clinton war nach wenigen Minuten zu erkennen. Sie wollte nicht nur fachlich punkten, sie wollte Trump, der als äußerst dünnhäutig gilt, zu unkontrollierten Äußerungen zwingen — was ihr auch gelang. Nach 20 Minuten fing Trump zum ersten Mal an zu bellen. Clinton warf ihm vor, seine Steuererklärung nicht veröffentlicht zu haben, "was will er uns eigentlich verheimlichen?" Entweder sei er gar nicht so reich, wie er behaupte, mutmaßte sie, oder er mache Geschäfte, die er lieber für sich behalten wolle, fuhr sie fort. Frühere Steuererklärungen zeigten zudem eines: "Er hat keine Einkommensteuer bezahlt." Worauf Trump sie unterbrach und sagte: "Das zeigt nur, dass ich ein schlauer Kerl bin." Da hatte sie ihn zum ersten Mal erwischt.

Trumps unüberlegter Satz landete Sekunden später auf Twitter, wo er tausendfach verlinkt und um den Erdball geschossen wurde. "Schlau ist, wer keine Steuern bezahlt, um unsere Schulen zu finanzieren?", hieß es etwa. Unser Militär? Unsere Straßen? Die Nachbearbeitung in den sozialen Medien ist entscheidend. In den kommenden Tagen wird sich in den Videos und Kommentaren zeigen, was von dieser Debatte übrig bleibt. Schon jetzt ist klar: Für Donald Trump sieht das nicht gut aus.

Patrons at McGregor's Bar and Grill watch the first televised debate between Democratic presidential candidate Hillary Clinton and Republican presidential candidate Donald Trump in San Diego

Als "wichtigsten Moment im Wahlkampf" haben US-Medien das TV-Duell bezeichnet. In der McGregor's Bar in San Diego fanden manche zeitweilig anderes genauso bedeutend.

(Foto: Sandy Huffaker/Reuters)

Die Frage nach der fehlenden Steuererklärung wird ihn verfolgen, so wie seine sexistischen Bemerkungen, die ihm die ehemalige Außenministerin genüsslich unter die Nase rieb. Er habe Frauen als "Hündinnen" bezeichnet, erinnerte Clinton die Zuschauer, als "Schlampen", als "Miss Piggy" und minderwertige Arbeitskräfte.

Nein, es war nicht der Abend des Donald J. Trump. Er wollte präsidial wirken, die Aussetzer aus dem Vorwahlkampf vergessen machen, aber es gelang ihm nicht. Während Trump zunehmend grimmig wirkte und fahrig wurde, blieb Clinton cool und souverän. Sie hat sonst oft etwas Theatralisches, aber nicht an diesem Abend. Clinton lachte und schien weniger angespannt als der Politnovize. Dazu kam Trumps Schnupfen, der durch das Mikrofon verstärkt wurde. Das mögen Kleinigkeiten sein, aber so etwas bleibt haften.

Vor allem aber gelang es Donald Trump nicht, Clintons Schwächen auszunutzen, was überrascht, es ist sonst seine Domäne. Ihre E-Mail-Affäre war kaum Thema. Seinen besten Moment hatte er, als es um den Freihandel ging. Clinton habe das Nafta-Abkommen einst als "Goldstandard" bezeichnet, sei aber jetzt wieder davon abgerückt, was zeige, dass man ihrem Urteil nicht trauen könne. Handelsverträge wie Nafta werden von den Wählern in den umkämpften Staaten des Mittleren Westens für den wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich gemacht. Schon Bernie Sanders, ein Freihandelsgegner wie Trump, hatte damit gegen Clinton mobil gemacht.

Immer wieder warf Trump sein Argument in die Runde, Clinton habe 30 Jahre als Politikerin Zeit gehabt, Dinge zu verändern, doch nichts erreicht. Er hingegen sei ein erfolgreicher Geschäftsmann, der sein Leben lang nur Erfolge feierte. Mit diesem einen Satz hat Trump schon im Vorwahlkampf viele Wähler überzeugt - und er wird auch am Montag einige Menschen zu einem innerlichen Kopfnicken bewogen haben. Aber ob dieser eine Satz reicht?

Je länger diese erste Debatte dauerte, desto deutlicher wurde, dass hier nicht um politische Ansichten gerungen wird, sondern um die generelle Richtung des Landes. Es geht um die nationale Identität, um Rassismus, um Grundwerte, um Offenheit versus Abschottung. "Clinton und Trump verkörpern zwei unterschiedliche Amerikas. Solch gegensätzliche Kandidaten gab es in der Geschichte des Landes selten", sagte Randall Kennedy, Professor in Harvard, einen Tag vor der Debatte, und dies zeigte sich nun auf der Bühne. Angesprochen auf die afroamerikanischen Opfer von Polizeigewalt jüngst in Charlotte und Tulsa, sprach Clinton von einem systematischen Rassismus innerhalb der Polizei, "ja, in allen von uns". Trump dagegen hörte nicht auf, den Zerfall der Innenstädte Chicagos oder Baltimores zu erwähnen: "Da wird man auf den Straßen erschossen, wie in einem Dritte-Welt-Land." Er lobte die umstrittene, weil rassistische "Stop-and-Frisk"-Methode, bei der Polizisten jeden Passanten ungefragt anhalten und durchsuchen dürfen. Auf die Bemerkung des Moderators Lester Holt, der sonst zurückhaltend blieb, die Methode gelte als verfassungswidrig, weil Schwarze häufiger kontrolliert würden, antwortete Trump: "Das stimmt nicht. Sie ist sehr effektiv."

Drei der renommiertesten Zeitungen Amerikas haben Trump als Lügner bezeichnet

Viel wurde vor der Debatte über die Frage diskutiert, wie man in Live-Sendungen mit den Falschaussagen der Kandidaten umgehen solle. Drei der renommiertesten Zeitungen des Landes, die New York Times, die Washington Post und die L. A. Times haben unabhängig voneinander in Leitartikeln Donald Trump als Lügner bezeichnet. Auch in der Debatte selbst nahm es Trump mit der Wahrheit nicht sehr genau, er wurde aber nur selten unterbrochen. "Clintons Anzahl an Falschaussagen verblasst neben der Donald Trumps", schrieb die Website "Politfact.com". Trumps Bemerkung, er sei gegen den Irakkrieg gewesen, sei ebenso falsch, wie seine Kriminalitätsstatistik, die nur der Panikmache dient. Auch sein Hinweis, der Automobilhersteller Ford habe wegen neuer Werke in Mexiko Arbeitsplätze in den USA vernichtet, hält einer Überprüfung nicht stand.

Als nach 90 Minuten die Debatte vorbei war, das Spiel längst aus, sagte Trump in die Fernsehkameras, er habe bewusst darauf verzichtet, Bill Clintons Untreue zu erwähnen, aus Respekt vor Chelsea Clinton, der Tochter. Es war das absurde Ende dieses "größten Spektakels des Jahres". In zwei Wochen ist schon die nächste Debatte. Rückspiel. Es wird bestimmt wieder richtig groß.

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