US-Wahlkampf:Einmal Ruhm und zurück

John McCain machte ihn im letzten TV-Duell zum Symbol des anständigen Amerikaners. Doch jetzt entpuppt sich "Klempner Joe" als Schummler.

Lilith Volkert

Die vergangene Woche wird Joseph Wurzelbacher sein Leben lang nicht vergessen. Der Klempner aus dem Örtchen Holland in Ohio hat innerhalb der letzten fünf Tage eine rasante Wandlung durchgemacht: vom einfachen Handwerker zur amerikanischen Symbolfigur - und wieder zurück.

US-Wahlkampf: Bekannt sein ist anstrengend: Nach fünf Tagen hat Joseph Wurzelbacher genug vom Ruhm.

Bekannt sein ist anstrengend: Nach fünf Tagen hat Joseph Wurzelbacher genug vom Ruhm.

(Foto: Foto: AP)

Am Sonntag war Joseph Wurzelbacher, genannt Joe, bei einem Wahlkampfauftritt auf Barack Obama zugegangen und hatte forsch gesagt: "Ihr neuer Steuerplan bedeutet mehr Steuern für mich." So sei es schwierig für ihn, sich wie geplant selbständig zu machen. Er warf Obama vor, "harte Arbeit" zu bestrafen.

John McCain, der die Szene im Fernsehen gesehen hatte, machte Joe und sein Problem zum Hauptgesprächsthema im dritten Fernsehduell der beiden Präsidentschaftskandidaten: "Joe, ich will dir sagen, ich werde dir nicht nur helfen, das Geschäft zu kaufen, in dem du dein ganzes Leben gearbeitet hast. Ich werde auch deine Steuern niedrig halten", versprach McCain. Seine Botschaft: Barack Obama verhindert den sozialen Aufstieg arbeitswilliger Bürger - und stellt sich so dem amerikanischen Traum in den Weg.

Auch der Demokrat benutzte daraufhin den Rohrverleger, um die Auswirkungen seines Programms auf das Leben von Millionen Handwerkern und kleinen Geschäftsleuten durchzuspielen. Schließlich wandte er sich auch direkt an ihn: "Joe, wenn Sie zufällig zuschauen: Ich würde gerne mit Ihnen reden."

Spätestens in diesem Moment war Joe, der kräftige Mann mit Glatze und Dreitagebart, Teil der großen Politik. Nicht mehr Joseph Wurzelbacher aus Holland, Ohio, sondern "Joe der Klempner", der kleine Mann aus der amerikanischen Mittelschicht. Ein Symbol für Fleiß und Anstand.

Doch anscheinend hat John McCain gerade kein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Mitstreiter. Seit letzter Woche gilt es als erwiesen, dass Sarah Palin, McCains Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten, ihre Macht als Gouverneurin für persönliche Rachefeldzüge genutzt hat. Und nun entpuppt sich "Joe der Klempner" als sich durchs Leben schummelnder Otto Normalamerikaner.

Die amerikanischen Medien, die sich nach dem TV-Duell mit Begeisterung auf den kleinen Handwerker aus Ohio gestürzt hatten, fanden heraus, dass Joseph Wurzelbacher nicht der vorbildliche Arbeiter ist, als den McCain ihn dargestellt hat. Er schuldet dem Finanzamt von Ohio 1200 Dollar und hat deswegen ein Gerichtsverfahren am Hals. Außerdem hat er keine Ausbildung als Klempner gemacht. So fehlt ihm auch die Lizenz, die es ihm erlauben würde, diesen Beruf auszuüben. Joe findet das nicht weiter schlimm, schließlich habe sein Arbeitgeber eine Lizenz.

Interessant ist auch, dass Joseph Wurzelbachers Vorwürfe gegenüber Barack Obama vermutlich falsch waren: Die Lokalzeitung "Toledo Blade" will herausgefunden haben, dass Wurzelbacher 2006 einen Verdienst von 40.000 Dollar beim Finanzamt angegeben hat - damit würde er von der geplanten Steuerreform profitieren.

John McCain scherzte bei einem Wohltätigkeitsdinner am Donnerstag noch, er habe dem Klempner angeboten, sich für gutes Geld um seine sieben Häuser zu kümmern - denn er könne gar nicht genug Geld verdienen, um die von Obama geplante Steuererhöhung zu verkraften. Offensichtlich wusste er da noch nichts von den Geschäftspraktiken seines Vorzeige-Handwerkers.

Auf jeden Fall dürften die 15 Minuten Ruhm, die Andy Warhol jedem Menschen in der Mediengesellschaft prophezeit hat, für Joseph Wurzelbacher nun auch wieder vorbei sein. Wahrscheinlich findet er das nicht einmal schlimm.

Denn obwohl er anfangs begeistert war, seinen Namen im Fernsehen zu hören und von Fernsehteams und Fotografen zu Hause besucht zu werden - inzwischen ist ihm der ganze Rummel um seine Person zu viel. "Ich fühle mich wie eine Art Britney Spears mit Kopfschmerzen" sagte er gestern. "Ich hoffe nur, dass ich mich nicht zu sehr zum Narren mache."

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