US-Wahlkampf:Cruz und Sanders erreichen Wendepünktchen

Die Vorwahlen in Wisconsin zeigen die Schwächen der Favoriten Trump und Clinton auf - doch was ändert sich gerade wirklich im Wahlkampf?

Analyse von Johannes Kuhn, New Orleans

Die beiden Verfolger erklärten am Wahlabend den Trend zu ihrem Freund. "Heute ist ein Wendepunkt", verkündete der Republikaner Ted Cruz, nachdem er seinen Rivalen Donald Trump deutlich hinter sich gelassen hatte. "Mit unserem Sieg in Wisconsin haben wir jetzt sieben der letzten acht Vorwahlen gewonnen", rechnete der Demokrat Bernie Sanders vor, nachdem sein Vorsprung gegenüber Hillary Clinton für uneinholbar erklärt worden war.

Die Senatoren aus Texas und Vermont könnten unterschiedlicher kaum sein, doch die Botschaft ähnelte sich: Der Wahlkampf ist noch nicht vorbei, er hat eigentlich gerade erst begonnen.

Wer den Wahltag isoliert betrachtet, könnte ihnen sogar Recht geben. Cruz konnte fast 50 Prozent der Stimmen gewinnen, obwohl er in Wisconsin nicht auf eine große Zahl evangelikaler Wähler setzen konnte - und obwohl Trump im Februar in Umfragen noch deutlich geführt hatte. Sanders wiederum hat bewiesen, dass er nicht nur bei Wahlversammlungen, sondern auch bei klassischen Abstimmungen Erfolg haben kann - auch wenn die progressive, vorwiegend weiße Wählerschaft inzwischen ein verlässliches Milieu für ihn bildet.

Trend-Erzählungen und Realität

Doch so wie Wisconsin mehr als guten Käse und kalte Winter zu bieten hat, lassen sich Vorwahlen nicht auf Trend-Erzählungen reduzieren. In Wahrheit kämpfen Cruz und Sanders nicht darum, die Mehrheit der Delegierten zu erreichen, sondern nur noch dagegen, dass dies Trump gelingt und Clinton schon vor den letzten Vorwahlen die Nominierung erntet.

Cruz und die republikanischen Funktionäre in den US-Bundesstaaten haben bereits begonnen, den Auswahlprozess der Wahlgesandten zu beeinflussen: Wenn es im ersten Wahlgang keine Mehrheit gibt, können diese frei entscheiden - und so einen Kandidaten wählen, der nicht Trump heißt (und auch nicht Cruz oder Kasich heißen muss). Voraussetzung ist natürlich, dass der Immobilien-Milliardär nicht zuvor die erforderlichen 1237 Delegierten erreicht.

Dafür müssten Cruz und der in Wisconsin erneut schwache John Kasich jedoch klare Trump-Mehrheiten verhindern, an der Ostküste Ende April und vor allem in Kalifornien im Juni. Dagegen spricht: Außerhalb ihrer Heimatstaaten Texas und Ohio konnten die beiden in den Flächenstaaten bislang noch nicht überzeugen.

Das Sanders-Team wiederum spekuliert inzwischen offiziell darauf, die einst verhassten Superdelegierten der Demokraten umzustimmen, die sich frei entscheiden können. Ein aussichtsloses Unterfangen, zumal die Führung der Demokraten Hillary Clinton bevorzugt.

Clinton und Mathematik, Trump und Angst

Sanders will deshalb in 14 Tagen in New York, wo er in Brooklyn geboren wurde und Clinton US-Senatorin war, die Führung seiner Konkurrentin in den Umfragen aufholen und in einen Sieg verwandeln. Es wäre die bislang größte Sensation seiner Kampagne - abgesehen von der Tatsache, dass ein 74-Jähriger Sozialdemokrat im April 2016 noch im Rennen ist. Und selbst eine solche Demütigung würde Clinton zwar schwächen, aber ihre Nominierung angesichts der proportionalen Delegierten-Verteilung nur bei deutlichem Vorsprung Sanders' gefährden.

Während bei den Demokraten Hillary Clinton weiterhin wie die mathematische Siegerin aussieht, spürt die "#NeverTrump"-Koalition der Republikaner Rückenwind. Der Freistil-Kampagnenmodus des populistischen Milliardärs - Strafverfolgung bei Abtreibungen, herablassende Retweets über die Ehefrau Ted Cruz' - wirkte vergangene Woche so deplatziert, dass er erstmals Konsequenzen an der Wahlurne zu fürchten hatte.

Zwar ist Wisconsin nicht mit den anstehenden Bundesstaaten im Osten vergleichbar, doch sagte dort immerhin ein Drittel der republikanischen Wähler, dass es "Angst" vor einer Präsidentschaft Trumps habe.

Die späte Vermessung des Donald T.

Was dies in Kombination mit Trumps mäßigem Ergebnis zu bedeuten hat, wird in den kommenden Tagen die Debatte bestimmen. Der Kandidat schwieg am Wahlabend, und das selbst auf Twitter. Sein Team dagegen erklärte Cruz zum "trojanischen Pferd" republikanischer Funktionäre, die Trumps Nominierung stehlen wollten. In den kommenden Tagen will der Immobilien-Unternehmer allerdings erstmals konkrete Vorschläge zu Themen wie Nominierungen für Supreme-Court-Richter oder seiner Verhandlungsstrategie mit Mexiko in der "Mauerfrage" vorstellen.

Spät im Wahlkampf werden die Qualitäten Donald Trumps doch noch einmal genauer vermessen. Nach Monaten einer populistischen Teflon-Kampagne ist das vielleicht die erstaunlichste Erkenntnis aus dem Wahlkampf in Wisconsin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: