US-Wahljahr:Erste US-Vorwahlen 2018: Texas als Trendsetter?

Texas Voters Head To Polls For First Primary For 2018 Midterm Elections

Wähler vor einem Wahllokal in Austin, Texas.

(Foto: AFP)
  • Im Herbst stehen in den USA die wichtigen Midterm-Wahlen an, die die Mehrheitsverhältnisse in Washington zugunsten der Demokraten verändern könnten.
  • Am Dienstag gab es bereits Vorwahlen in Texas, sie gelten als ein erster, wichtiger Test für die Strategie der Demokraten.

Von Beate Wild, Austin

Können die Demokraten den Ärger auf Donald Trump in Wählerstimmen verwandeln? Das ist die wichtigste Frage bei den "Midterms", den US-Zwischenwahlen im Herbst 2018. In Texas ist am Dienstag dafür der landesweite Startschuss gefallen: Die beiden Parteien wählten ihre Kandidaten für November.

Die zwei republikanischen Amtsinhaber, Gouverneur Greg Abbott (etwa 90 Prozent) und Senator Ted Cruz (um die 85 Prozent), gewannen die texanischen Vorwahlen locker. Cruz wird im November seinem Herausforderer Beto O'Rourke (mehr als 60 Prozent), dem Vorwahlsieger der Demokraten, gegenüberstehen.

Auch um Sitze im US-Repräsentantenhaus wird im Wahljahr 2018 hart gekämpft - Texas als einer der bevölkerungsreichsten US-Bundesstaaten wird insgesamt 36 Abgeordnete dorthin entsenden. Die Vorwahlen in Texas gelten darum als ein erster, wichtiger Test für die Strategie der Demokraten. Nach 14 Monaten mit Trump als Präsident dürfen sie sich selbst in einem durch und durch republikanisch geprägten Bundesstaat wie Texas plötzlich wieder Hoffnung machen, den Konservativen zumindest hier und da ein paar Sitze abzuluchsen - und so vielleicht am Ende wieder die Kongressmehrheit zu erreichen.

Beide Parteien beobachten auch jenseits von Texas genau, wie sich die Wähler entscheiden. Was sich vom Dienstag bislang lernen lässt:

1. Demokraten gehen massenweise wählen

Knapp 900 000 Texaner hatten schon vor der eigentlichen Vorwahl am Dienstag ihre Stimme abgegeben - ein Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zu den Midterm-Vorwahlen 2014. In der vorgezogenen Stimmabgabe füllten vor allem die Demokraten ihre Wahlzettel aus, was im tiefroten Texas ungewöhnlich ist. Die Partei betrachtet das als gutes Zeichen: In den Wahljahren ohne Abstimmung über den Präsidenten haben sie oft Probleme, ihre Anhänger zu mobilisieren. Das ist dieses Jahr offenbar anders: In den 15 größten Wahlbezirken in Texas erreichten die abgegebenen Stimmen sogar Rekordniveau.

Trotz der guten Wahlbeteiligung dürfen sich die Demokraten aber keinen Illusionen hingeben. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sie in Texas keine entscheidende Wahl - etwa zum Gouverneur oder für den US-Senat - gewonnen. Und im Herbst werden auch die republikanischen Wähler zahlreicher ins Wahllokal gehen, eine "blaue Welle" im konservativen Bundesstaat ist unwahrscheinlich.

2. Die Demokraten haben viele Kandidaten. Zu viele?

In Texas schickten die Demokraten in allen 36 Wahlbezirken Kandidaten im Rennen, selbst in den vielen aussichtslosen ländlichen Wahlkreisen. Das gelang ihnen zum ersten Mal seit 25 Jahren. Auch im Rest des Landes drängeln sich die demokratischen Kandidaten regelrecht um einen Platz auf der Wahlliste. Im Grunde sind das gute Nachrichten für die Demokraten, die Partei muss bei den Midterms insgesamt 24 Sitze gewinnen, um im Repräsentantenhaus in Washington die Mehrheit zu übernehmen.

Aber: Zu viele Kandidaten nehmen sich nicht nur gegenseitig wichtige Stimmen weg, sondern schicken sich auch noch gegenseitig in die kostspielige Verlängerung. Wenn niemand 50 Prozent erreicht, gibt es im Mai eine Stichwahl.

Das Partei-Establishment fürchtet außerdem, dass die Vorwähler allzu linke Kandidaten für November ins Rennen schicken. Diese hätten dann aber gegen einen Republikaner keine Chance, glaubt das Democratic Congressional Campaign Committee (DCCC), das Wahlkampfkomittee der Demokraten im Abgeordnetenhaus.

Aus diesem Grund haben die Hauptstadt-Demokraten in den vergangenen Wochen versucht, sehr linke Kandidaten - unter anderem die Aktivistin Laura Moser vom 7. Wahlbezirk in Texas - zu torpedieren. Moser unterstellten sie etwa keine Heimatliebe für Texas zu besitzen. Nach den ersten Prognosen schaffte Moser es auf Platz zwei und wird im Mai in der Stichwahl gegen Lizzie Pannill Fletcher, die auf den ersten Platz gewählt wurde, antreten.

Die Partei streitet nun, ob es richtig ist, die Kandidaten-Auswahl zu beeinflussen oder ob die Parteispitze den Dingen besser ihren Lauf lassen sollte. Viele Demokraten warnen die Führung, den gleichen Fehler wie bei Bernie Sanders zu machen. Ihm zog das Partei-Establishment Hillary Clinton vor, die vermeintlich konsensfähigere Kandidatin. Wie die Wahl ausging, ist bekannt. Der Konflikt wird auch in anderen Bundesstaaten geführt.

3. Texanische Damenwahl

Die Zahl der Frauen, die in diesem Jahr für die Demokraten ins Rennen gehen, ist explodiert. Das hat verschiedene Gründe: die #MeToo-Debatte, Trumps frauenfeindliche Politik und die Hoffnung, mit mehr Frauen in Washington die Frauen zuhause besser repräsentieren zu können. Alleine in Texas haben sich für die Vorwahlen mehr als 50 Frauen registrieren lassen. Unter ihnen Veronica Escobar aus El Paso und Sylvia Garcia aus Houston. Die beiden Demokratinnen müssen nicht in die Stichwahl und haben Chancen als erste Latinas aus Texas in den Kongress in Washington einzuziehen.

Unterstützung erhalten Demokratinnen, die Interesse an einer politischen Karriere haben, von Emily's List. Die Organisation ist bereits 30 Jahre alt und plötzlich so gefragt ist wie noch nie.

4. Reiche Vororte sind Trump-skeptisch

Bisher konnten sich die Republikaner auf Wähler in den Vororten texanischer Metropolen verlassen, die gut gebildet, wohlhabend aber mit deutlicher Mehrheit konservativ sind. Im Jahr 2018 ist nicht mehr sicher, ob das noch gilt. Bereits 2016 zogen Wähler in zwei streng konservativen Vororten von Dallas und Houston Hillary Clinton dem Republikaner Donald Trump vor. Wer dort dieses Wunder im November wiederholen soll, steht erst nach den Stichwahlen im Mai fest. Unter den Kandidaten in Dallas befanden sich gleich drei ehemalige Mitarbeiter der Obama-Regierung.

5. Wissenschaftler werden politisch

Donald Trump hält den Klimawandel für ein Hirngespinst und hat kein großes Interesse, Forschung staatlich zu fördern. Seine fast schon feindliche Haltung gegenüber der Wissenschaft hat deren Vertreter mobilisiert: Bei den Midterms 2018 kandidieren landesweit zahlreiche Wissenschaftler für ein Amt.

Etwa Joseph Kopser, ein in der US-Militär-Akademie ausgebildeter Raumfahrtingenieur. Bei einem Kandidatenforum im Scholz Garten in Austin erklärte der Texaner ohne Umschweife, warum er antritt: "Ich habe absolut das Gefühl, dass die Wissenschaft angegriffen wird." Sein Wahlbezirk ist in San Antonio. Bei den Vorwahlen schaffte er es bei den Demokraten auf den ersten Platz, muss aber im Mai in die Stichwahl.

Viele der Kandidaten hat "314 Action", ein 2016 gegründetes politisches Komitee, aktiviert. Ziel ist es, Menschen mit technischem oder wissenschaftlichem Hintergrund in die Politik zu bringen. Der Gruppe zufolge haben sich landesweit 7000 Menschen gemeldet, die für ein Amt kandidieren wollen. Einige der Kandidaten treten parteiunabhängig an, die meisten jedoch für die Demokraten.

In Kalifornien etwa ist der Herausforderer des republikanischen Abgeordneten Dana Rohrabacher der bekannte Stammzellenforscher Hans Keirstead. Die Kandidaten aus der Wissenschaft dürften auch in anderen Bundesstaaten noch für ein interessantes Rennen sorgen.

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