US-Wahl:Taktieren und diskriminieren: 7 Fakten zum amerikanischen Wahlrecht

Ein Erwachsener, eine Stimme? In den USA gilt das nicht zwangsläufig: Warum viele Wahlgesetze Minderheiten benachteiligen und alte politische Konflikte neu aufflammen.

Von Johannes Kuhn

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1. Wer darf wählen - eine erstaunlich kontroverse Frage

Early Voting At Polling Locations Start In Minnesota Ahead Of November's General Election

Quelle: AFP

Die amerikanische Geschichte der Wahl-Beschränkungen ist lang, in der Regel rassistisch motiviert oder gegen angeblich ungebildete Bürger gerichtet, denen die politische Reife für die Demokratie abgesprochen wurde. Bereits 1776 bemerkte Gründervater John Adams, dass Männer (von Frauen war damals noch nicht die Rede) doch Eigentum besitzen müssten, um einen freien Willen zu haben und damit auch das Wahlrecht zu erhalten. Tatsächlich erlaubten zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur drei Bundesstaaten Männern ohne Grundbesitz die Wahl.

Zwar war Landeigentum bald keine Voraussetzung mehr, um Präsidenten, Gouverneure und Abgeordnete zu wählen, doch die Versuche, Bürger auszuschließen, gingen weiter: Als nach dem Ende des Bürgerkriegs 1865 im Süden plötzlich die ehemaligen Sklaven schwarze Politiker in die Parlamente brachten, begannen die Staaten der ehemaligen Konföderation damit, die Zahl der afroamerikanischer Wähler strategisch durch Behinderungen zu reduzieren: durch hohe Wahl-Gebühren, unklar formulierte (und durch juristische Tricks nur von Schwarzen verlangte) Lesetests, die Pflicht zur Rezitation von Verfassungsartikeln oder generell bürokratische Hindernisse. Die Zahl der schwarzen Wähler im Süden ging auf wenige Tausend zurück.

Während (weiße) Frauen 1920 endgültig im ganzen Land das Wahlrecht erkämpft hatten, erhielten Afroamerikaner erst 1965 Schutzklauseln, die sie vor Diskriminierung bei der Stimmabgabe schützen sollten. Doch die Kontroverse ist noch lange nicht zu Ende - sie kehrt vielmehr mit großer Vehemenz zurück.

Weiterblättern zu: 2. Voting Rights - das ist der neue Konflikt 3. So weisen sich amerikanische Wähler aus 4. Die neuen Blockade-Gesetze der Staaten 5. Die Stimme zählt - wenn der Wahlkreis stimmt 6. Vorbestraft? Pech gehabt 7. Die Gegenbewegung

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2. Voting Rights - das ist der neue Konflikt

Supreme Court Issues Orders On Pending Cases

Quelle: AFP

Die USA haben weder ein landesweites Wahlregister, noch ein zentrales Wahlgesetz. In der Verfassung leitet sich der Rahmen des Wahlrechts aus unterschiedlichen Verfassungszusätzen wie dem 14. Amendment ab, der "das gleiche Recht vor dem Gesetz" garantiert. Das Resultat: 50 Bundesstaaten schreiben ihre Wahlgesetze selber und haben dabei durchaus Spielraum. Das ist wichtig, um die Entwicklungen seit der Wahl Barack Obamas im Jahr 2008 zu verstehen.

Seitdem haben mehr als zwei Dutzend konservative US-Bundesstaaten fast 30 Wahlgesetze verabschiedet. Die hohe Zahl hat auch damit zu tun, dass die Bundesstaaten des Südens nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs 2013 ihre Wahlgesetze nicht mehr dem US-Justizministerium in Washington vorlegen müssen. Die Aufsicht war 1965 eingeführt worden, um neue Initiativen der Staaten zu verhindern, die Afroamerikaner von den Urnen fernhalten.

Die meisten Gesetze ändern den Prozess der Wählerregistrierung (US-Bürger werden in der Regel nicht automatisch ins Register aufgenommen) oder ihre Identifizierung am Wahltag. Als Begründung geben republikanische Politiker in der Regel die Angst vor Betrug an, zum Beispiel durch Identitätsdiebstahl.

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3. So weisen sich amerikanische Wähler aus

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Quelle: Paul J. Richards/AFP

Für deutsche Verhältnisse wirkt der Wahlablauf tatsächlich anfällig: US-Bürger haben keine Ausweispflicht (es gibt auch kein "Einwohnermeldeamt"), elf Prozent der Amerikaner haben Schätzungen zufolge kein solches Dokument. Es sind deshalb auch andere Formen der Identifizierung erlaubt. Je nach Bundesstaat können dies zum Beispiel Sozialversicherungsnachweis, Kreditverträge, Kreditkarten, Gewerkschafts- oder Studentenausweise sein. Ein Lichtbild ist in der Regel nicht erforderlich. Einige Staaten verlangen nur bei der Aufnahme ins Wahlregister einen Ausweis und begnügen sich am Wahltag mit einem Vergleich der Unterschrift.

Bislang gibt es keine Anhaltspunkte, dass Wahlmanipulationen ein Problem sind. Häufig genannt wird eine Untersuchung des Rechtsprofessors Justin Levitt, der bei einer Überprüfung von Beschwerden zu landesweiten Wahlen zwischen 2000 und 2014 nur 31 Fälle von Identitätsmissbrauch gefunden hatte. Forscher aus Arizona fanden 2012 etwa 2000 Fälle von Wahlbetrug, davon allerdings nur zehn durch Identitätsmissbrauch am Wahltag. Die größeren Probleme waren demnach Briefwahl-Betrug und Stimmenverkauf.

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5. Die Stimme zählt - wenn der Wahlkreis stimmt

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Quelle: United States Department of the Interior via Wikimedia Commons

Zwei weitere Aspekte werden häufig erwähnt, wenn es um Einschränkungen des Wählerwillens geht: Der eine heißt "Redistricting" und beschreibt die Neu-Zuschneidung von Wahlbezirken. Das ist ein normaler Vorgang auf Ebene der Bundesstaaten, der Veränderungen in der Bevölkerungsstärke ausgleicht.

Schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts nutzen die Parteien dies jedoch, um sich einen Vorteil zu verschaffen und sich entlang der Wohnorte ihrer Anhänger sichere Mehrheiten zurechtzuschneiden ("Gerrymandering"). In den vergangenen zehn Jahren hat die strategische Wahlkreis-Veränderung wieder Konjunktur. Vor allem North Carolina, Maryland und Florida gelten als besonders "verschnitten"; einige Wahlbezirke dort haben auf der Karte abstruse Formen.

Die Republikaner gelten als aktiver, jedoch auch die Demokraten wenden die Taktik an. "Gerrymandering" in Staaten wie Florida dürfte bis 2020 - dann werden die Grenzen neu gezogen - die konservative Mehrheit im Repräsentantenhaus zementieren, mehr noch: In Dutzenden republikanischen Bezirken überbieten sich in den Vorwahlen die Rechtsausleger-Kandidaten. Konsens wird so noch schwieriger.

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7. Die Gegenbewegung

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Quelle: AFP

Während viele republikanisch dominierte Bundesstaaten das Wahlrecht verschärfen wollen, gehen einige Staaten mit demokratischer Mehrheit den umgekehrten Weg: In fünf Staaten, darunter das bevölkerungsreiche Kalifornien, werden US-Bürger bei der Beantragung eines Führerscheins oder Ausweises automatisch als Wähler registriert, wenn sie die Kriterien erfüllen und nicht widersprechen. Im liberalen Oregon ist Briefwahl Pflicht - hier liegt die Wahlbeteiligung deutlich höher als in anderen Staaten.

Im Jahr 2014 waren 219 Millionen US-Einwohner wahlberechtigt, mehr als 40 Millionen jedoch nicht registriert. Ob die automatische Registrierung zu einer nennenswert höheren Wahlbeteiligung führt, ist jedoch umstritten. Als entscheidend gilt immer noch die Mobilisierung am Wahltag, die in Jahren ohne Präsidentschaftsrennen in der Regel gerade bei Minderheiten deutlich schwächer ausfällt.

© SZ.de/segi
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