US-Wahl: Republikaner John Boehner:"Zur Hölle - Nein!"

Nach dem Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen wird er Obamas wichtigster Widersacher im Repräsentantenhaus: John Boehner liebt große Worte und fühlt sich mit Lobbyisten "pudelwohl".

Christian Wernicke, Washington

John Boehner ist kein geborener Orator. Aber er kultiviert gern große Worte. So wie am Abend des 21. März dieses Jahres: Da trat der Fraktionsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung über Barack Obamas Gesundheitsreform ans Rednerpult und flehte mit historischem Atem alle guten Geister - vom biblischen Moses bis zum US-Gründervater Thomas Jefferson - um Beistand an gegen das legislative Machwerk der Demokraten: "Mit unseren heutigen Taten schänden wir deren Werte!"

John Boehner

Nachdem die US-Wähler die Republikaner zur stärksten Fraktion im Abgeordnetenhaus gemacht haben, wird der 60-jährige Biedermann John Boehner versuchen, die Gesundheitsreform Obamas wenigstens zum Teil zunichtezumachen.

(Foto: AP)

Dann jedoch wechselte Boehner jäh die Tonart. Mit hochroten Wangen und Wut in der Stimme stieß er wieder und wieder jenen Kampfschrei aus, der ihn zu einem Helden von Amerikas Rechten machen sollte: "Zur Hölle - Nein!"

Es war John Boehners spektakulärster Augenblick in Washington. Und er hat ihn genossen. Einig wie nie stand damals seine ansonsten so zerstrittene Fraktion hinter ihm, geschlossen skandierten alle Konservativen im Saal Boehners Refrain des Widerstands.

Nun definiert jener Auftritt seine Zukunft: Sobald die US-Wähler die Republikaner am Mittwoch zur künftig stärksten Fraktion im Unterhaus des Kongresses gemacht haben, wird der 60-jährige Biedermann daran gemessen, ob es ihm gelingt, die geschmähte Gesundheitsreform Obamas wenigstens zum Teil zunichte zu machen.

John Boehner ist damit oberster Oppositionsführer. Als wahrscheinlicher künftiger "Speaker of the House" lenkt er alle Geschäfte und Machtspiele in "unserer Kammer des Volkes", wie der Familienvater aus Ohio das Repräsentantenhaus gerne nennt.

Barack Obama muss sich arrangieren: Wenn der Präsident sich mit diesem Kettenraucher und Weinliebhaber nicht wenigstens ab und an im Hinterzimmer auf Kompromisse verständigt, dürfte Boehner bis Ende 2012 ziemlich jede Gesetzesinitiative der Regierung blockieren.

Boehners Aufstieg zum ersten Mann im Repräsentantenhaus ist ein kleines amerikanisches Märchen. Als zweitältestes von zwölf Kindern eines Kneipenwirts und einer streng katholischen Mutter in Amerikas tiefster Provinz schaffte er es als erstes Familienmitglied bis aufs College. Die Gebühren fürs Studium der Betriebswirtschaft verdiente er sich als Kellner und Nachtwächter.

Durch Glück und Kontakte fiel ihm ein Verpackungsunternehmen zu, das ihn zum Millionär machte. Aber er wollte mehr, höher hinaus: "Ich verdiente viel Geld, aber ich langweilte mich zu Tode", sagt Boehner.

Ähnlich wundersam ist freilich, dass eine nationale Protestwahl gegen das Establishment nun ausgerechnet einen langjährigen Washingtoner Insider an die Macht bringt. "Ich fühle mich pudelwohl mit Lobbyisten", gesteht Boehner, der seit 1991 im Kongress sitzt. Boehner erwarb sich den Ruf eines geschmeidigen Verhandlers.

Statt mit Konzepten beeindruckt er durch Fleiß: Mit Werbe-Auftritten für Fraktionskollegen trieb er in diesem Wahlkampf 44 Millionen Dollar ein. Ob sich alle Republikaner, wie einst im März, treu hinter ihm scharen, wird sich zeigen: Seine ideologisch konservativeren Stellvertreter haben schon angedeutet, nicht jeden von Boehners Deals mittragen zu wollen.

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