US-Wahl:Politische Paranoia - Donald Trumps Wahlhelfer

Der Erfolg von "The Donald" ist kein Zufall. Trump profitiert vom vergifteten Klima, das die Republikaner durch jahrzehntelange Agitation geschaffen haben.

Gastbeitrag von Stephan Bierling

Zunächst die gute Nachricht: Donald Trump wird nicht der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden. Die schlechte: Sein Aufstieg ist mehr als nur der Ego-Trip eines Publicity-gierigen Multimilliardärs.

Alle Vorhersagen, sein Wahlkampf werde rasch unter der Last seiner Ferkeleien kollabieren, haben sich als falsch erwiesen. Die Eiferer, die Trump mit xenophoben und spalterischen Parolen bedient, verschwinden nicht so schnell. Der Trumpismus, wie der Politologe Norman Ornstein das Phänomen nennt, hat tiefe gesellschaftliche und politische Wurzeln. Er wird diesen Präsidentschaftswahlkampf überdauern.

Weltanschaulich ist der Trumpismus ein Erbe des Nativismus, einer nationalistischen Bewegung, die im Amerika des 19. und 20. Jahrhunderts wiederholt auftauchte. Ihr Ziel war es, angesichts großer Einwanderungswellen die Alteingesessenen gegenüber den Neuankömmlingen zu privilegieren und die Immigration unliebsamer Gruppen zu unterbinden.

In den 1840ern richtete sich der Nativismus gegen Katholiken aus Irland und Deutschland, die vor Hunger und politischer Verfolgung flohen, in den 1880ern gegen Chinesen, die zum Eisenbahnbau in den USA gekommen waren. Nach dem Ersten Weltkrieg waren es Italiener und Polen.

Iowa: The First Battleground For The 2016 Presidential Nomination

Überlebensgroße Erwartungshaltung: Ein Unterstützer hat ein Trump-Plakat in seinem Hinterhof aufgestellt

(Foto: AFP)

Unter massivem Druck der Nativisten legte der Kongress Obergrenzen für Zuwanderer fest. Der Ku-Klux-Klan, der sich in den 1920ern neu formierte und Schwarze, Katholiken und Juden als Gefahr für das weiße protestantische Amerika attackierte, war eine besonders unappetitliche Spielart des Nativismus.

Erfolg trotz kruder Parolen

Trump knüpft an diese unselige Tradition an. Bei ihm sind die elf Millionen illegalen Einwanderer aus Lateinamerika die Sündenböcke für fast alles. Er verleumdet sie pauschal als Drogenhändler und Vergewaltiger und verspricht im Falle seiner Wahl, jeden einzelnen in sein Geburtsland zu deportieren.

In diese Hetze mischt Trump noch die angeblich unfairen Handelspraktiken der Chinesen und das politische Kartell in Washington, das den Ausverkauf des Landes betreibe. Dass er sich mit solch kruden Parolen an die Spitze der republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten setzen konnte, hat zwei Ursachen.

Erstens die tiefe Verunsicherung älterer weißer Männer, Trumps wichtigste Unterstützer. Sie verzweifeln an einem Land, in dem die Regierung die fat cats der Wall Street mit Steuergeld rettet, in dem Vermögen immer ungleicher verteilt sind, in dem ohne College-Diplom eine gesicherte Existenz kaum mehr aufzubauen ist.

Sie kommen nicht mehr zurecht in einer Welt, in der junge Frauen besser ausgebildet sind als Männer, in der der Anteil der Minderheiten an der Bevölkerung rapide wächst, in der ihre Landsleute zunehmend liberaler und weniger gläubig werden.

Barack Obama personifiziert alles, was die Trumpisten verabscheuen, noch dazu demütigte er sie mit seinen Wahlsiegen. Ausgerechnet ein Schwarzer mit kenianischem Vater und alleinerziehender Mutter, Kindheit im muslimischen Indonesien und Abschluss an der Elite-Uni Harvard ist seit 2009 oberster Repräsentant der Nation.

Zweitens: Trump konnte zur Projektionsfläche aller Frustrierten im Lande werden, weil die Republikanische Partei ein Klima dafür schuf. Seit 25 Jahren diffamieren viele ihrer Vertreter das politische Establishment, verunglimpfen den Staat als Feind, denunzieren die Medien und kehren sich von der Wissenschaft ab.

Trumpismus wird überleben, auch ohne Trump

Mit Fernsehsendern wie "Fox News" schufen sich die Konservativen ihr weltanschauliches Sprachrohr; Radio-Talkmaster wie Rush Limbaugh pöbeln vor 15 Millionen Hörern gegen alles Linke und Liberale. Das Internet forciert den Trend, nur Nachrichten und Informationen wahrzunehmen, die die eigene Weltsicht und die eigenen Vorurteile bedienen.

Das gilt erst recht für politische Eiferer. Sie sind auf die passenden Blogs und Verschwörungstheorien abonniert: Jene 23 Prozent der Amerikaner, die glauben, Obama sei nicht in den USA geboren, die 28 Prozent, die annehmen, eine Geheimelite mit globaler Agenda wolle die Welt beherrschen, die 37 Prozent, die den Klimawandel für einen Schwindel halten - sie alle holen sich ihre tägliche Dröhnung Ideologie auf entsprechenden Kanälen und Websites. Sie alle sind die natürliche Zielgruppe Trumps.

"The Donald", wie sich Trump mit leichtem Größenwahn gern nennen lässt, ist also kein politischer Zufall. Er gründet seinen Wahlkampf clever auf die politische Paranoia und die gesellschaftliche Polarisierung, die die Republikaner ins Land gehämmert haben. Er zieht wütende weiße Männer oder evangelikale Christen an, die die Republikanische Partei hofierte - und am Ende doch enttäuschte, weil sie nicht radikal genug war.

Am wichtigsten aber ist: Trump erntet die Früchte der jahrzehntelangen Agitation gegen die Washingtoner Elite. Sein Außenseiter-Status, seine große Bekanntheit als Fernsehstar, seine Beteuerung, mit Karrierepolitikern nichts gemein zu haben und als milliardenschwerer Selfmademan nicht von Lobbygruppen abzuhängen - all das lässt seine Anhänger sogar verdrängen, dass er noch vor wenigen Jahren für Abtreibung und Waffenkontrolle war - Kernpositionen der Demokratischen Partei -, und dass er Hillary Clintons Wahlkampf mit Spenden unterstützte.

Truppen rein, Islamisten verdreschen

Trump verspricht vor allem eines: Action. Er macht die Verdrossenen und Enttäuschten glauben, Probleme ließen sich per Handstreich lösen, Kompromisse seien des Teufels und Amerikas Macht sei unbegrenzt, wenn sie nur in den Händen eines starken Führers liege.

Seine Lösung für den Kampf gegen den IS? Truppen rein, Islamisten verdreschen, Öl wegnehmen. Das US-Handelsdefizit mit China? Zölle rauf um 25 Prozent. Die mexikanischen Einwanderer? Eine große Mauer bauen und deren Regierung dafür zahlen lassen. Islamistische Terrorattacken in den USA? Einreiseverbot für Muslime. Damit geht er weiter, als selbst ultrakonservative Republikaner zu gehen wagen.

Das Verletzen aller Verhaltensregeln und der Diskussionskultur sichert Trump die Aufmerksamkeit der Medien, johlende Fans und den ersten Platz bei den Umfragen. Mit Trump als Kandidaten droht der Republikanischen Partei aber eine krachende Niederlage bei der Wahl im November.

Und: Mit seinen Hasstiraden verprellt er genau jene beiden Wählergruppen, ohne die kein Republikaner das Weiße Haus erobern kann: die Latinos und die Frauen. Aber das ficht echte Trumpisten nicht an. Sie leben in ihrem eigenen Universum aus Wut und Frust, abgeriegelt und unzugänglich. Der Trumpismus wird selbst die Niederlage ihres prominentesten Bannerträgers Donald überleben.

Stephan Bierlin, 53, lehrt Internationale Politik mit dem Schwerpunkt Vereinigte Staaten an der Universität Regensburg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: