US-Wahl:Neue Jobs lassen Obamas Chancen steigen

23 Millionen Menschen ohne Job! Quote weiter bei mehr als acht Prozent! Die schlechten Arbeitsmarktzahlen waren das große Menetekel in der Bilanz von US-Präsident Obama - und haben den Republikanern die größte Angriffsfläche geliefert. Nun sinkt der Wert deutlich unter die kritische Marke von acht Prozent.

Matthias Kolb, Washington

Egal ob es um Sport oder Politik geht, die Amerikaner sind besessen von Zahlen. An diesem ersten Freitag im Oktober dreht sich alles um drei Werte: 33, 8 und 270. Denn 33 Tage vor dem Wahltermin Anfang November ist die Arbeitslosigkeit in den USA zum ersten Mal seit Januar 2009 unter die symbolisch wichtige Marke von 8 Prozent gesunken. Das Büro für Arbeitsmarktstatistik meldete für September eine Quote von 7,8 Prozent. Dies könnte US-Präsident Barack Obama helfen, die 270 Stimmen der Wahlmänner zu erhalten, die er für eine Wiederwahl braucht.

Die Arbeitslosenzahlen gelten als wichtigster Konjunkturindikator der USA, auch wenn die Werte sehr vorläufig sind und sich in Nachberechnungen noch deutlich ändern können. Die Zahl der Beschäftigten in der US-Wirtschaft stieg im September um 114.000 - Ökonomen hatten einen ähnlichen Wert vorhergesagt. Auffällig ist jedoch, dass die Werte für die Vormonate deutlich nach oben korrigiert wurden. Im Juli sind 40.000 mehr Arbeitsplätze entstanden als bislang angenommen, im August weitere 46.000. Vor allem deswegen ist die Arbeitslosenquote nun deutlich gesunken.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis das konservative Amerika auf die Nachricht reagierte. Mitt Romney ließ mitteilen, dass "echte Erholung" anders aussehe: Im September seien weniger Jobs entstanden als im August, im August weniger als im Juli und überhaupt seien unter Präsident Obama mehr als 600.000 Arbeitsplätze in der Industrie verloren gegangen.

Verschwörungstheorien gegen das Arbeitsministerium

Jack Welch, der frühere Chef von General Electric, zweifelte via Twitter gar am Wahrheitsgehalt der Daten: "Unglaubliche Zahlen vom Arbeitsmarkt. Diese Typen in Chicago sind zu allem bereit. Können nicht debattieren, also ändern sie die Zahlen". Die Wahlkampfzentrale von Barack Obama befindet sich in Chicago.

Arbeitsministerin Hilda Solis verwahrte sich gegen solche Anschuldigungen. Im Kabelsender CNN wies Stephen Moore vom Wall Street Journal den Vorwurf zurück: Nachträgliche Korrekturen seien ziemlich normal. Doch da die US-Wirtschaft weiterhin nur langsam wachse, fielen die Änderungen stärker ins Gesicht. Die Statistiker befragten sowohl Geschäftsleute als auch Normalbürger über ihre Jobsituation und offensichtlich hat sich die Lage bei den Arbeitnehmern verbessert. Zuletzt war die Zuversicht der Amerikaner an die US-Wirtschaft wieder gestiegen.

Die wirtschaftliche Lage ist mit Abstand das wichtigste Wahlkampfthema in den USA. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist noch nie ein Präsident wiedergewählt worden, wenn die Arbeitslosenquote höher als 7,2 Prozent lag.

"Herr Präsident, wie erklären Sie das den Menschen?"

Die Republikaner versuchen deshalb, den Präsident als den Verantwortlichen für die Misere auf dem Jobmarkt zu brandmarken. Im ersten TV-Duell ist das Mitt Romney auch ziemlich gut gelungen. Auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik hat er einen eindrucksvollen Punktsieg gelandet. Mit einer ganzen Reihe von Vorwürfen überzog der Herausforderer seinen Gegner während der Debatte. Die Wirtschaftsbilanz der vergangenen vier Jahre sei verheerend: Schulden und Staatsdefizit seien gewachsen, die Benzinpreise hätten sich verdoppelt, Strom würde teuer, genauso wie Lebensmittel. Und Romney war noch lange nicht am Ende: 47 Millionen Amerikaner erhielten Lebensmittelmarken, jeder Sechste lebe unterhalb der Armutsgrenze.

Doch es war vor allem die hohe Arbeitslosigkeit, die Romney immer und immer wieder betonte. 23 Millionen Menschen ohne Job! Arbeitslosenquote weiter bei über acht Prozent! "Herr Präsident, wie erklären Sie das den Menschen?"

Obama konnte es nicht wirklich erklären. Keinen dieser Anwürfe Romneys konnte er wirkungsvoll entkräften. Fast hilflos wirkte er, als er auf die schlechte wirtschaftliche Lage zu Beginn seiner Amtszeit verwies und um mehr Zeit bat. Doch viele Bürger wollen nichts mehr wissen vom schlichten "Weiter so", das Obama als Devise ausgibt. Sie wollen endlich bessere Zahlen sehen. Die neusten Arbeitsmarktzahlen könnten den Demokraten im Wahlkampf deutlich nutzen.

Romney hatte im Schlussstatement der TV-Debatte versucht, Obama mit hoher Arbeitslosigkeit gleichzusetzen. "Wenn der Präsident wiedergewählt wird, wird es zu chronischer Arbeitslosigkeit kommen. Und wir hatten bereits 43 Monate am Stück eine Arbeitslosenquote von über acht Prozent." Zumindest den letzten Satz kann Romney beim nächsten Duell nicht mehr bringen.

Linktipp: Die New York Times zeigt in einer Grafik, wie Republikaner und Demokraten die neuen Arbeitsmarktzahlen interpretieren werden.

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