US-Wahl: Die kuriosen Spots der Kandidaten:"Ich bin keine Hexe"

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Prostitutionsskandale, die Abkehr vom Hexenzirkel und der schlechteste Präsident aller Zeiten: In ihren Wahlkampfvideos für die US-Kongresswahlen versuchen die Kandidaten mit allen Mitteln, Stimmen an Land zu ziehen.

Angelika Hild

Eine adrette Frau mit Perlenkette steht vor blau-schwarzem Hintergrund, blickt treuherzig in die Kamera und versichert, unterlegt mit säuselnder Klaviermusik: "Ich bin keine Hexe." Christine O'Donnell, Tea-Party-Kandidatin in Delaware für die US-Kongresswahlen, muss das klarstellen. Schließlich war zuvor ein zehn Jahre altes Video aufgetaucht, in dem sie über Hexenzirkel zur Geisterstunde berichtete. In ihrem Wahlkampf-Werbespot räumt sie jetzt nicht nur mit dem Hexen-Vorwurf auf, sondern erklärt auch gleich, warum der Wähler gerade ihr seine Stimme geben sollte: "Ich bin du."

Das Image ist manchmal eine verhexte Sache: Christine O'Donnell, republikanische Kandidatin für Delaware bei den US-Kongresswahlen, hat ihres jedenfalls satt und erklärt in einem Wahlkampf-Werbespot: "Ich bin keine Hexe".   (Foto: dpa)

Das klingt unheimlich. Dabei ist O'Donnells Video noch harmlos im Vergleich zu anderen Spots, die republikanische und demokratische Kandidaten für die US-Kongresswahlen vor den Wahlen im Fernsehen schalten oder auf Youtube veröffentlichen. Nicht nur gegen die Kandidaten der gegnerischen Partei richten sich die Werbefilme, sondern häufig auch gegen innerparteiliche Konkurrenten. An Skurilität und unfreiwilliger Komik überbieten sich die Clips gegenseitig - vielleicht gerade deshalb erreichen sie ein großes Publikum.

Da ist zum Beispiel der Werbespot von Charly Melancon, dem demokratischen Kandidaten für den Senatssitz in Lousiana. Der Zweiminüter in der Art einer reißerischen Kriminalsendung greift einen Prostitutionsskandal auf, den Melancons republikanischer Gegenkandidat David Vitter 2007 durchstehen musste. Vitter hatte Jahre zuvor mehrmals die Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen, was in den USA in fast allen Bundesstaaten unter Strafe steht. Allerdings waren die Fälle bereits verjährt.

Der Wahlwerbesspot holt mit der frei erfundenen Sendung "Vergessene Verbrechen" den Skandal wieder hervor und erzählt ihn in allen Einzelheiten nach, inklusive melodramatischer Musik, nachgespielter Szenen in schwarz-weiß und einem Einspieler einer Prostituierten, die von ihrer Begegnung mit Vitter berichtet. Angebliche Bürger Louisianas, deren Gesichter nicht zu sehen sind, raten anschließend zur Abwahl des derzeitigen Senators. "Ob die Wähler genügend Informationen haben? Wir schließen die Akte noch nicht", erklärt eine Männerstimme am Schluss des Werbespots.

Auf die eigene Partei abgesehen hat es dagegen der Demokrat Joe Manchin, der in West Virginia für die Wahl zum Senat antritt. In seiner Wahlwerbung marschiert er mit den Gewehr in der Hand durch einen Wald und versichert: "Ich verteidige immer West Virginia."

In Zeitlupe wird gezeigt, wie Manchin eine Patrone einlegt, während er auf die Rechte der Amerikaner zum Waffenbesitz pocht. Manchin verspricht, der US-Regierung unter Präsident Barack Obama auf die Finger zu klopfen, weil diese den Bürgern das Geld aus der Tasche ziehe, und außerdem die Ausgaben der USA zu reduzieren. Dann legt er an, zielt und schießt auf ein Blatt Papier, das an einer Holzwand befestigt ist. Die Kamera zoomt heran und der Zuschauer sieht eine Kopie des Gesetzes zum Emissionsrechtehandel - die hat jetzt ein Loch. Zwar wurde das Gesetz nicht verabschiedet. Manchin erklärt aber trotzdem, er werde es "tödlich treffen". Schließlich, sagt er mit besorgtem Gesichtsausdruck, sei das Gesetz "schlecht für West Virginia": Der Bundesstaat hat immerhin Hunderte Kohleminen.

US-Wahl: Skurrile Kandidaten
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Ungewöhnliche Politiker mischen in den USA derzeit den Wahlkampf auf, darunter eine ehemalige Hexe, ein Fan der Waffen-SS und eine Wrestling-Millionärin. Ähnlich fragwürdig sind so manche ihrer politischen Ziele. Die skurrilsten Kandidaten.

Ebenfalls auf Obama und seine Politik eingeschossen hat sich Ben Quayle, Sohn des früheren Vizepräsidenten Dan Quayle und im Bundesstaat Arizona republikanischer Kandidat für den US-Kongress. "Barack Obama ist der schlechteste Präsident aller Zeiten", sagt Quayle gleich zu Beginn seiner Wahlwerbung und blickt dabei drein, als wolle er einer Kindergartengruppe erklären, wie schädlich Gummibärchen wirklich sind. Danach redet er von Drogenkartellen in Mexiko und Steuerkartellen in Washington, um anschließend traurig zu fragen, was denn nur mit den USA passiert sei. Quayles Lösung: "Jemand muss in Washington auf den Tisch hauen" - und dieser jemand ist natürlich er selbst.

"Ist es nicht das, was die Bürger von Delaware verdienen?"

Offenen Rassismus betreibt der Republikaner Dan Fanelli, der sich für Florida in den US-Kongress wählen lassen will. Zu Beginn steht der (hellhäutige) Fanelli in einer Art Maschinenhalle, mit einem Kleinflugzeug hinter und einem ernst dreinblickenden, ebenfalls weißen Brillenträger neben sich. "Ich hab' hier ein bisschen gesunden Menschenverstand für Sie", sagt Fanelli, und stellt dann die alles entscheidende Frage: "Sieht dieser Mann wie ein Terrorist aus oder..." - ins Bild kommt ein breitschultriger, gefährlich dreinblickender Araber - "dieser hier?" - "Wir müssen endlich mit dieser politischen Korrektheit aufhören", fordert Fanelli, und fährt fort: "Wenn ein gut aussehender Mann mit nicht besonders vielen Haaren" - damit meint er offensichtlich sich selbst - "Flugzeuge in die Twin Towers fliegen würde, hätte ich kein Problem damit, am Flughafen gesondert kontrolliert zu werden."

Nicht gegen Ausländer, dafür umso mehr gegen die Republikaner ist der demokratische Kandidat in Florida fürs Repräsentantenhaus, Alan Grayson. Sein Wahlwerbespot "Wenn sie lügen" übernimmt alle Elemente eines Trailers für einen Action-Film, inklusive pathetischer Hintergrundmusik, schneller Schnitte und der Darstellung der "Bösen". Das sind Graysons Meinung nach selbstverständlich die Republikaner, denn diese "lügen" - wann und wo genau, erfährt der Zuschauer allerdings nicht.

Graysons Spot begnügt sich mit Fotos republikanischer Parteigrößen, die in schneller Reihenfolge hintereinander gezeigt werden. In einer Art Weltuntergangsszenario sieht der Zuschauer anschließend Bilder von Brände bekämpfenden Feuerwehrleuten, einer Schwulen- und Lesben-Parade, betenden Kindern und Armeehubschraubern. "Wähl' die Wahrheit, wähl' Alan Grayson", befiehlt der Werbespot, und verweist auf die Website des Kandidaten: www.congressmanwithguts.com (Kongressabgeordneter mit Mumm).

Die US-Comedy-Sendung Saturday Night Live spinnt die Wahlkampfspots weiter und zeigt so die Absurdität vieler Aussagen der Kandidaten auf. In einer Parodie von O'Donnells Werbespot erklärt eine Frau, die exakt wie die republikanische Kandidatin in deren Video angezogen ist, vor dem gleichen Hintergrund und unterlegt mit derselben Musik, sie sei "du": "Genau wie du muss ich die ganze Zeit bestreiten, dass ich eine Hexe bin", so die O'Donnell-Kopie. Und fährt fort: "Ist es nicht das, was die Bürger von Delaware verdienen? Eine Kandidatin, die vor allen Dingen verspricht, keine Hexe zu sein?"

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