US-Wahl:Der Angstmacher

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Eigentlich reagieren die Amerikaner besonnen auf den Terror eines Einzelnen. Nur Donald Trump schürt die Furcht. Warum? Weil er auch beim Terror von der Angst der Menschen profitieren kann.

Von Hubert Wetzel

Vielleicht ist das ja wirklich die neue Normalität: Man geht am Samstagabend in Manhattan zum Essen und wird in die Luft gesprengt. Man geht in Minnesota - wo zum Teufel ist eigentlich Minnesota? - in die Mall und wird von einem Messerstecher attackiert. Ein paar Tage später, wenn die Polizei ihre Arbeit gemacht hat, erfährt man, dass es wieder ein wütender junger Mann war, der glaubte, er müsse seinem Gott dienen, indem er andere Menschen umbringt.

Man kann sich an das Leben mit der Bedrohung gewöhnen, und genau das tun die Amerikaner gerade. Zieht man das ganze hysterische Getwittere und ein paar Absurditäten ab (Mann tippt im Flugzeug etwas Arabisches ins Telefon, Sitznachbar ruft das Sondereinsatzkommando), dann bleibt die Erkenntnis übrig, dass die US-Bürger durchaus gelassen mit dieser neuen Art von Mikroterrorismus umgehen. Ja, es gibt immer einen gewissen Prozentsatz von Menschen, die aus Angst vor Islamisten nur noch mit dem Sturmgewehr zu Walmart gehen. Aber die allermeisten Amerikaner sind ruhig.

Trump schürt die Terrorfurcht, weil ihm das Stimmen bringt

Das wäre ein gutes Fundament, um darauf Politik aufzubauen. Die müsste mit einem ehrlichen Eingeständnis beginnen: Sofern man das Land nicht in einen Überwachungsstaat verwandeln will, jeden Bürger in einen Spitzel oder Denunzianten, kann man gegen den neuen Typus des Terroristen nicht viel tun. Einige Radikale wird man aufspüren können, und die Ermittler sollten alles Legale tun, damit sie so viele wie möglich erwischen. Aber ein paar Attentäter werden durchrutschen, und sie werden Anschläge verüben. Man braucht dazu, wie man in San Bernardino und Orlando sehen konnte, nur ein Gewehr und eine Portion Mordlust. Wer behauptet, dagegen könne man sich zuverlässig schützen, sagt nicht die Wahrheit.

Und damit ist man bei Donald Trump. Der republikanische Präsidentschaftskandidat bemüht sich, Panik und Hysterie, die es nach Anschlägen immer gibt, weiter zu schüren. Er weiß, dass er davon profitiert, wenn die Menschen sich fürchten. Er lebt von der Angst der Bürger. Deshalb zeichnet er ja diese grotesken Zerrbilder: Alle Einwanderer sind Mörder und Vergewaltiger. In Amerikas Städten herrscht Krieg. In jedem, der zu Allah betet, steckt ein Terrorist, der nur darauf wartet, zu töten.

In Wahrheit ist das Risiko für einen Amerikaner, im eigenen Land Opfer eines islamistischen Terroranschlags zu werden, sehr gering. Aber das kann Trump nicht sagen, denn dann müsste er zugeben, dass, erstens, die Regierung und die Sicherheitsbehörden die Bevölkerung recht gut schützen; und dass, zweitens, er als Präsident auch nichts anderes gegen Terroristen unternehmen könnte als das, was ohnehin bereits getan wird. Warum aber sollte ihn dann irgendjemand wählen?

Zur Wahrheit gehört aber auch das: Angst ist ansteckend, und es gibt keine Garantie, dass Trump mit seiner Angstmacherei nicht doch genügend Menschen ansteckt - und dass er gewinnt. Das wäre dann auch ein Sieg für die Terroristen.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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