US-Wahl:Darum unterstützen so viele Amerikaner weiter Donald Trump

US-Wahl: Eine riesige Mehrheit der Republikaner ist mit Trumps bisheriger Bilanz zufrieden

Eine riesige Mehrheit der Republikaner ist mit Trumps bisheriger Bilanz zufrieden

(Foto: AP)
  • Donald Trump wird weiterhin von der großen Mehrheit der Republikaner unterstützt, obwohl er ein Jahr nach seinem Wahlsieg nur wenige Versprechen umsetzen konnte.
  • Für das Verständnis von Trumps Popularität ist es wichtig, die verschiedenen Gruppen seiner Wähler zu kennen.
  • Er profitiert davon, dass der Kongress unbeliebt ist: Viele Trump-Fans geben nicht ihm die Schuld an der mickrigen Bilanz, sondern den Senatoren und Abgeordneten.

Von Matthias Kolb

So richtig schien es auch Donald Trump nicht glauben zu können, dass er wirklich als US-Präsident ins Weiße Haus einziehen werde. Am 8. November 2016 hatte er die Demokratin Hillary Clinton besiegt und versprach noch in der Nacht in seiner Siegesrede, "das Land vereinen" und "ein Präsident aller Amerikaner" sein zu wollen. Das Publikum jubelte. Ein Jahr später ist klar: Dieses Ziel hat er bisher nicht erreicht. Trumps Zustimmungswerte sind historisch schlecht.

Diese Zahlen sind umso bemerkenswerter, da die US-Wirtschaft weiter boomt - und die Popularität der Präsidenten oft an die ökonomische Lage gekoppelt ist. Trump hilft das nicht, bei ihm ist es anders: Fast alle Demokraten lehnen ihn "voller Überzeugung" ab, während unter den parteiunabhängigen Amerikanern nur etwa 30 Prozent den 45. Präsidenten unterstützt. Beide Gruppen umfassen jeweils ein Drittel der Bevölkerung. Ganz anders sieht es aber unter jenen aus, die sich als Republikaner definieren. Eine riesige Mehrheit ist mit Trumps bisheriger Bilanz zufrieden (Fox News ermittelte zuletzt 83 Prozent, NBC kam auf 81 Prozent).

Aktuelle Daten zeigen, dass die Art, wie sich der 71-Jährige als Staatsoberhaupt verhält, nur bei einer Minderheit der Amerikaner ankommt. Trumps Stil wird eher toleriert und stößt bei einer Mehrheit auf klare Ablehnung.

Noch extremer ist die Stimmung in Europa. Nicht erst seit Sonderermittler Bob Mueller mehrere Trump-Mitarbeiter angeklagt hat (es geht um Russlands Einfluss auf die Wahl 2016), fragen sich viele nahezu verzweifelt: Wie können Amerikaner noch Trump unterstützen? Darauf gibt es drei Antworten. Auch wenn in der aktuellsten Washington Post-Umfrage 70 Prozent der US-Bürger Trumps Regierung als dysfunktional bezeichnen, so halten 80 Prozent den Kongress für unfähig. Sogar Kakerlaken und Fußpilz sind in den USA populärer als Abgeordnete und Senatoren. Hier liegt ein Schlüssel für das Verständnis der US-Politik 2017: Trump mag wenig zustande bringen, doch die Schuld geben viele seiner Anhänger den Republikanern im Kongress: Diese würden dem Polit-Neuling keine Chance geben.

Zweitens verfolgen nur 59 Prozent "meistens", was in der Politik passiert: Ein großer Teil kriegt anders als Leser von New York Times oder SZ nicht jede Wendung rund um das Weiße Haus mit. Als dritter Grund ist zu nennen: Demokraten und Republikaner sind in der Wahrnehmung vieler Amerikaner so weit voneinander entfernt, dass ein "Seitenwechsel" ungefähr so realistisch ist wie hierzulande ein Übertritt von der CSU zur Linken. Trump war für viele Konservative nicht ideal (in den Vorwahlen erhielt er nur 40 Prozent), aber fraglos besser als Hillary Clinton.

Die fünf Gruppen der Trump-Koalition

Zum Jahrestag des Trump-Siegs wird die Frage "Wie konnte das passieren?" erneut debattiert. Gerade für Deutsche ist es interessant, jene knapp 63 Millionen Trump-Wähler sowie deren unterschiedliche Motive zu studieren. Dieser "Block" ist eben nicht homogen und wer weiter denkt, dass Trump nur von weißen, wütenden, rassistischen Männern gewählt wurde, wird die Vorgänge jenseits des Atlantiks noch weniger verstehen (hier muss aber betont werden, dass die sexistischen und fremdenfeindlichen Sprüche von Kandidat Trump bestens belegt waren und von all diesen Wählern toleriert, ignoriert oder irgendwie rationalisiert wurden).

Mittlerweile liegen umfangreiche Daten zur Präsidentschaftswahl 2016 vor. Alle vier Jahre befragt die parteiunabhängige Stiftung Democracy Fund für die "Voter Study Group" 8000 Amerikaner und Emily Ekins, Meinungsforscherin beim libertären Thinktank Cato, hat die Trump-Wähler in fünf Kategorien eingeteilt.

Bewahrer des alten Amerikas (20 Prozent)

Hier sammeln sich jene Menschen, die unter dem Begriff "White Trash" das öffentliche Bild der Trump-Wähler prägen. Zwei Drittel geben an, dass ihnen ihre weiße Hautfarbe sehr wichtig ist und 50 Prozent nennen "europäische Herkunft" als Grundlage für das Amerikanischsein. Eine Mehrheit hält es für wichtiger, Kindern Gehorsamkeit beizubringen als sie zur Eigenständigkeit zu erziehen. Migranten (egal ob mit oder ohne Dokumente) werden als Konkurrenz wahrgenommen: 85 Prozent sind überzeugte Anhänger des Einreiseverbots für Muslime.

Diese Gruppe sorgt sich um die Zukunft ihrer Kinder. 88 Prozent sind überzeugt, dass die Politiker in Washington vor allem den Reichen helfen, zwei Drittel verachten die Wall-Street-Banker und wollen den Wohlstand umverteilen. Die Lebensumstände prägen diese Haltungen: Viele sind arbeitslos, haben keine gute Ausbildung und fast die Hälfte ist über das Medicaid-Programm krankenversichert. Sie wollen also nicht, dass der Staat weniger leistet: Er soll nur mehr für sie tun. Dass jeder Fünfte 2012 noch für Obama gestimmt hat, wird viele überraschen. So lässt sich aber erklären, dass 53 Prozent Kompromisse beider Parteien fordern - das Image des "Dealmakers" hat Trump eindeutig geholfen. Eine Mehrheit hält den Klimawandel für ein von Menschen verursachtes Problem, doch sie haben schlicht andere Prioritäten.

Für Trump bedeutet das: Die Unterstützung der Gruppe ist stark, sie sehen ihn als jemand, der unangenehme Themen anspricht. Die Kritik der Medien ist in ihren Augen unpatriotisch. Da Obamacare nicht abgeschafft wurde und Trump sein Spar-Budget nicht durchsetzen konnte, hat sich der Alltag dieser oft armen Menschen (noch) nicht verschlechtert. Unklar bleibt, ob sie Trump die Schuld daran geben würden - oder dem Kongress.

Was sich die größten Trump-Fans wünschen

Überzeugte Konservative (31 Prozent)

Diese Gruppe ist nicht nur zahlenmäßig am größten: Ihre Mitglieder unterstützen Trump ohne Wenn und Aber. Sie blicken misstrauisch auf Einwanderer (vor allem auf Muslime), definieren "echte Amerikaner" als Christen, die den Großteil ihres Lebens im Land verbracht haben und sind überzeugt, dass Weiße gegenüber Latinos und Schwarzen benachteiligt werden (55 Prozent aller weißen US-Bürger denken so).

Höhere Steuern lehnt diese Gruppe ebenso ab wie Abtreibung oder die Homo-Ehe. Staatliche Auflagen sind ihnen ein Graus, Obamacare ist für sie der Weg in den Sozialismus und drei Viertel halten Klimawandel für nicht-existent. Diese Ultrakonservativen sind wohlhabender als die "Bewahrer des alten Amerikas", sie waren während der Vorwahlen oft Fans von Ted Cruz und schätzen es, wenn Politiker keine Kompromisse eingehen. Hier ist der Anteil an Männern am größten und die Nachrichten werden obsessiv verfolgt (vor allem Fox News und Talkradio).

Für Trump heißt das: Bisher deckt sich die präsidiale Agenda mit den Vorstellungen der Gruppe - und mit Neil Gorsuch kam ein Hardliner ans Oberste Gericht. Sie schätzen, dass Trump die Abschaffung von Obamacare und Steuersenkungen fordert. Blockiert werde dies durch das republikanische Establishment, das seit Langem seine Versprechen nicht einhält.

Marktgläubige (25 Prozent)

Die Motive der Free Marketeers sind ganz andere: Sie waren vor allem gegen Hillary Clinton (99 Prozent denken schlecht über sie) und haben eher widerwillig Trump gewählt. Sie sind überzeugt, dass freie Märkte Probleme besser lösen als Politiker oder Bürokraten und sie sehen Freihandel als etwas Positives. Trumps Versuche, den Nafta-Deal mit Mexiko und Kanada neu zu verhandeln, sehen sie kritisch.

Die Marktgläubigen sind die größten Optimisten: Mitmenschen halten sie mehrheitlich für faire Zeitgenossen und das politische System benachteilige niemand. Diese Gruppe möchte zwar illegale Einwanderung begrenzen, doch mit legaler Migration hat sie kein Problem. Dies könnte daran liegen, dass 39 Prozent der Marktgläubigen einen Uni-Abschluss haben und überdurchschnittlich gut verdienen. Der Staat soll sich aus ihrem Alltag heraushalten und Reiche keineswegs stärker besteuern.

Für Trump heißt das: Die Marktgläubigen schätzen, dass Trump Auflagen der Obama-Ära zurückdreht. Dass die Mauer an der Grenze zu Mexiko bislang nicht gebaut wurde, ist dieser Gruppe egal: Sie hofft auf eine Entlastung bei der versprochenen Steuerreform. Rumoren tut es in dieser Gruppe auch nicht.

Gegner des Establishments (19 Prozent)

Die Mitglieder dieser Gruppe haben wenig Bindungen an die Republikaner. Jeder Vierte der Anti-Elites wählte 2012 noch Obama: Diese Zahl erinnert daran, dass 2016 Trump für Veränderung stand. Die Vorbehalte gegenüber Hillary Clinton waren enorm: Nur jeder elfte Wähler in dieser Gruppe dachte positiv über sie. Ekins hält trocken fest: "Ein anderer Demokrat hätte hier besser abgeschnitten."

Die Anti-Establishment-Wähler sehen Einwanderung nicht als Problem an: Sie haben nichts gegen Latinos und Schwarze, sondern etwas gegen Reiche. 83 Prozent nehmen das politische System als ungerecht wahr. Höhere Steuern für Wohlhabende sind in dieser Gruppe äußerst populär - sowohl Einkommen als auch Bildungsniveau ist eher unterdurchschnittlich. Auffällig: Da das politische Engagement und der Konsum von Nachrichten gering sind, dürften viele Trumps Provokationen nicht mitkriegen.

Für Trump heißt das: Dass der Präsident Washington aufmischt und sich nicht verbiegt, gefällt den Kritikern der Eliten. Da es wirtschaftlich gut läuft, hat sich ihre Lage nicht verschlechtert. Wenn Trump allerdings keine Gesetze durchsetzt (oder diese dem Normalbürger schaden), dürfte sich die Gruppe enttäuscht abwenden.

Entfremdete (5 Prozent)

Die kleinste Gruppe ist überzeugt, dass das politische und das wirtschaftliche System korrupt sind und nur ein Außenseiter helfen kann. Sie haben sich abgekoppelt von der Politik (Forscherin Ekins nennt sie disengaged) und möchten etwa die Einreise von Muslimen begrenzen. Sie sind relativ jung (60 Prozent sind unter 45), überwiegend weiblich und verfügen über eher geringe Bildung und wenig Vermögen. Sie wollen, dass die sozialen Sicherungssysteme erhalten bleiben und in Infrastruktur investiert wird. Für keine andere Gruppe ist es wichtiger, dass Politiker Kompromisse suchen.

Für Trump bedeutet das: Er hatte viele dieser Wähler an die Urnen gebracht und muss zeigen, dass er sich für sie einsetzt und ihre Lage verbessert. Sollte Trump nur Radau machen, dann wenden sie sich wohl ab und werden zu Nichtwählern.

Die US-Gesellschaft wird gespalten bleiben

Diese Kategorien der Trump-Wähler decken sich recht genau mit einer Typologie des renommierten Meinungsforschungsinstituts Pew. In einer aktuellen und sehr lesenswerten Studie werden die Republikaner in "Kern-Konservative", "Mein Land zuerst"-Konservative", "Marktskeptiker" und die optimistischen "Neue Zeit"-Unternehmer eingeteilt. Die Pew-Forscher führten ihre Interviews im Frühsommer durch und ihre Ergebnisse stützen die Analysen der Voter Study Group.

Deren Arbeit ist nicht nur so wertvoll, weil außergewöhnlich viele US-Amerikaner befragt werden: Viele von ihnen nahmen schon 2012 und 2008 an der Studie teil. Emily Ekins betont zu Recht, wie unterschiedlich die Meinungen und Motive der Trump-Wähler sind. Allerdings gibt es vier Punkte, auf die sich alle einigen konnten:

  • Die Unterstützung für einen temporären Reisebann für Muslime ist deutlich höher als bei Demokraten.
  • Härteres Vorgehen gegenüber illegalen Einwanderern wird unterstützt: Anders als unter Anhängern der Demokraten wird ein path to citizenship als Weg zu einem rechtmäßigen Aufenthalt mehrheitlich abgelehnt.
  • Die Zukunftsaussichten für die US-Wirtschaft werden von vielen Trump-Fans als schlecht angesehen, auch um die eigenen Finanzen steht es nicht gut.
  • Enorme Ablehnung gegenüber Hillary Clinton (ihre Negativ-Werte sind deutlich höher als jene von Obama 2012).

Es spricht wenig dafür, dass die US-Gesellschaft im nächsten Jahr wieder näher zusammenrückt. Die Meinungsforscher von Pew bestätigen in ihrer neuen Erhebung einen Eindruck aus dem Wahlkampf 2016. Immer mehr Amerikaner definieren sich nur über das Kontra, also über die Ablehnung des politischen Gegners.

Neben den Republikanern sind auch die Demokraten sehr zerstritten und orientierungslos - und verbergen dies hinter möglichst harten Attacken auf Trump. Der scheint längst von seinem Versprechen aus der Wahlnacht abgerückt, ein "Präsident aller Amerikaner" sein zu wollen.

Es ist paradox. Einerseits versendet Bloomberg Meldungen wie "Die Stimmung unter den Verbrauchern ist so gut wie seit Juni 2001 nicht mehr", andererseits fasst die Washington Post ihre aktuelle Meinungsumfrage so zusammen: "Die politische Spaltung ist so tief wie zu Zeiten des Vietnamkriegs". Sieben von zehn befragten Amerikanern sprechen von einem "gefährlichen Tiefpunkt" - und die meisten rechnen nicht mit einer baldigen Verbesserung.

Für das Wohlbefinden der Bürger verheißt dies wahrlich nichts Gutes. In der jüngsten Stress-Studie der American Psychological Association (APA) heißt es, dass 63 Prozent der US-Amerikaner wegen der aktuellen Lage beunruhigt sind und über Stressgefühle klagen. Der zuständige Wissenschaftler hat drei Tipps zur besseren Bewältigung: sportliche Betätigung, viel Kontakt zu Freunden und Familie und "so wenig Nachrichtenkonsum wie möglich".

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