US-Wahl:Bill könnte Hillary im Wahlkampf bremsen

Hillary und Bill Clinton

Hillary und Bill Clinton bei einer Wahlkampfveranstaltung in Las Vegas.

(Foto: dpa)

Dass der frühere US-Präsident Bill Clinton für seine Frau auftritt, ist einerseits selbstverständlich. Birgt aber auch ein Risiko.

Analyse von Hubert Wetzel, Philadelphia

Irgendwann war plötzlich dieses eine Wort da, nur sechs Buchstaben, zwei kurze Silben - und doch so etwas wie eine lang ersehnte Unabhängigkeitserklärung: Rodham. Jahrzehntelang war Hillary Clinton immer nur Hillary Clinton, die Ehefrau von Bill Clinton, dem Wunderkind der amerikanischen Politik. Dann, vor fünfzehn Jahren, als Bill nicht mehr Präsident war und Hillary mit der Kandidatur für einen New Yorker Senatssitz eine eigene politische Karriere begann, fing sie auch an, wieder ihren Mädchennamen zu tragen. Aus Hillary Clinton, der Politikerfrau, wurde Hillary Rodham Clinton, die Politikerin. Unter den gegebenen Umständen, vor allem mit dem Wissen, dass sie irgendwann selbst um die Präsidentschaft kämpfen würde, war das wohl die größtmögliche Distanzierung von Bill, die Hillary Clinton sich politisch leisten konnte.

Aber so ganz losgekommen ist die Clinton von dem Clinton natürlich nie. Heute, als demokratische Präsidentschaftskandidatin, ist Hillary Rodham Clinton wieder nur Hillary. Und Bill reist durchs Land und macht das, was er früher so meisterhaft in eigener Sache machte, nun für seine Frau: Wahlkampf.

Man sieht Bill Clinton, der in diesem Jahr 70 wird, sein Alter schon an. Er ist dünner und manchmal etwas wackelig geworden, er nuschelt stärker, wenn er schnell redet, und seine Stimme hängt noch tiefer in der Kehle, so, als müsse er sich einmal kräftig räuspern. Für seine ersten Auftritte bekam er schlechte Rezensionen, Bill habe seine Magie verloren, hieß es.

Er formuliert Kompliziertes so, dass jeder glaubt, es sei glasklar

Inzwischen läuft es besser. Dennoch hängt über dem Wahlkampf die Frage, ob Bill für Hillary eigentlich ein Vor- oder ein Nachteil ist. Die Zeitschrift The New Republic, die Bibel der demokratischen Intelligenzia, kam jüngst zu dem Schluss, dass "Bills Ballast" doch eher eine Last sei: "Die Wahrheit ist, dass Bill Clinton wiederholt die Ambitionen seiner Frau, Präsidentin zu werden, sabotiert hat."

US-Wahl: Familienpolitik: Bill Clinton, damals Gouverneur von Arkansas, und seine Frau 1980 als junge Eltern.

Familienpolitik: Bill Clinton, damals Gouverneur von Arkansas, und seine Frau 1980 als junge Eltern.

(Foto: Donald R. Broyles/AP)

Bills Vorteil, den auch seine Kritiker nicht wegreden können: Er liebt Menschen, und er liebt Politik. Das macht ihn zu einem erstklassigen Wahlkämpfer. Bill Clinton kann Reden halten, die die Zuhörer begeistern - eine Eigenschaft, die der stets reserviert wirkenden Hillary Clinton nicht gegeben ist. Clinton genießt immer noch hohe Popularitätswerte, zwischen 50 und 60 Prozent der Amerikaner mögen ihn. An seine Präsidentschaft von 1993 bis 2001 denken die meisten Menschen als eine Zeit des Wohlstands und der Sicherheit zurück. Unter seinen Affären hat der Ruf der betroffenen Frauen weit mehr gelitten als seiner.

Und Bill Clinton ist ein großartiger Erklärer. Er kann komplizierte Politik so formulieren, dass jeder Normalmensch zumindest glaubt, die Sache sei glasklar. Seine Rede beim Parteitag der Demokraten im Jahr 2012, als er darlegte, warum Amerika lieber Barack Obama wiederwählen sollte, anstatt sich dem Republikaner Mitt Romney anzuvertrauen, gilt bis heute als Wendepunkt im damaligen Wahlkampf. Nach Bills Auftritt war Obamas Sieg sicher. Richtig eingesetzt, müsste Bill Clinton daher eigentlich ein effektiver Fürsprecher seiner Frau sein können - allemal gegen einen Widersacher wie den Republikaner Donald Trump, dessen Programm so voller Widersprüche und hohler Phrasen ist.

Bills Nachteil: Er passt nicht mehr so richtig in die Zeit. Seine große Leistung als Wahlkämpfer war es, die politische Mitte zu erobern - als unideologischer, baptistischer Südstaaten-Gouverneur, als Junge aus der Provinz bekam er die Stimmen vieler Wähler, die sonst eher rechts von den Demokraten stehen, vor allem von Weißen. Doch 2016 ist ein Jahr des Lagerwahlkampfs. Die politische Polarisierung ist stärker geworden. Es ist kein Zufall, dass der Spalter Trump republikanischer Kandidat geworden ist, nicht ein moderaterer Bewerber. Ähnlich sieht es bei den Demokraten aus: Von dem euphorischen Jubel, den die linksliberalen Helden Elizabeth Warren und Bernie Sanders am Montag beim Parteitag in Philadelphia einheimsten, kann Hillary Clinton nur träumen.

Chelsea Clinton holds her newborn son Aidan Clinton Mezvinsky  with her husband Marc Mezvinsky,  as U.S. Democratic presidential candidate Hillary Clinton and former President Bill Clinton pose together as they exit Lenox Hill Hospital in New York

Bill und Hillary Clinton als Großeltern im Juni mit Tochter, Enkelin und Schwiegersohn.

(Foto: Brendan McDermid/Reuters)

Bei der Wahl im November könnte es daher wichtiger sein, die eigenen Parteifreunde zu mobilisieren als neue Mittewähler zu gewinnen. Ob Bill also tatsächlich die Menschen anspricht, auf die es bei dieser Wahl ankommt, ist alles andere als sicher. "Bill Clinton lebt in den Neunzigerjahren, Hillary Clinton lebt in der Gegenwart", kommentiert die New Republic.

In der Praxis wird dieses Problem offensichtlich: Immer wieder ist Bill Clinton in den vergangenen Monaten mit Aktivisten der Black-Lives-Matter-Bewegung aneinandergeraten, die gegen Polizeigewalt gegen Schwarze protestiert. Sie kritisieren Clintons Strafrechtsreform von 1994, die am Anfang der großen Inhaftierungswelle stand, die seit Jahren vor allem Amerikas schwarze Gemeinden trifft. Als das Gesetz beschlossen wurde, wurden die USA von Drogen- und Gangkriminalität geradezu überrollt. Clinton hat die Reform, ein Teil seines innenpolitischen Erbes, bei seinen Auftritten stets gegen die Proteste verteidigt, den Störern hielt er vor, "Angst vor der Wahrheit" zu haben.

Viele, die einst den Mann aus Arkansas wählten, stimmen heute für Trump

Das ist allerdings heikel, denn seine Frau braucht die Unterstützung von Black Lives Matter, um im November möglichst viele Schwarze an die Wahlurnen zu bekommen. Hillary Clinton kann nur gewinnen, wenn sie im Herbst wieder die Koalition von Wählergruppen zusammenbinden kann, die Barack Obama zweimal ins Weiße Haus gewählt hat: Schwarze, Latinos, junge, gebildete, liberale Stadtbewohner und Frauen. Zur siegreichen Wählerkoalition ihres Mannes gehörten hingegen auch viele weiße Männer aus dem Süden, die dieses Jahr aber wohl mit großer Mehrheit für Trump stimmen werden.

Auch Bill Clintons restlicher politischer Nachlass ist nicht nur erfreulich für Hillary. Er hat als Präsident das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada durchgesetzt, das der linke Parteiflügel der Demokraten inzwischen genauso als Jobkiller verteufelt wie der Republikaner Trump. Clinton war auch der Präsident, der mit der Deregulierung der Finanzindustrie begann und es ärmeren Bürgern erleichterte, Häuser zu kaufen, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Beides waren wichtige Gründe für den Finanzkollaps im Jahr 2008.

Um seiner Frau zu nutzen, wird der Ex-Präsident daher versuchen müssen, seine früheren Entscheidungen zu verteidigen - und gleichzeitig den Kritikern recht zu geben. Das ist eigentlich unmöglich. Aber wenn es einer schafft, dann Bill Clinton.

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