US-Wahl 2016:Angst und Hoffnung in Columbus - die Wahlnacht in Ohio

US-Wahl 2016: Im ganzen Land zeigen sich Clinton-Anhänger schwer getroffen - hier in New York.

Im ganzen Land zeigen sich Clinton-Anhänger schwer getroffen - hier in New York.

(Foto: AP)

Eine dramatische Wahl ist vorbei, und sie ist auf andere Weise historisch, als viele gehofft hatten. Wie unser Korrespondent die vergangene Nacht im Herzen der USA erlebt hat.

Live-Reportage von Jürgen Schmieder

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Ohio ist ein Battleground State, einer jener Staaten, bei denen bis zuletzt nicht klar ist, für wen sich die Wählerinnen und Wähler entscheiden werden. Battleground - das klingt nach Kampf und Krieg und das passt zu dieser Präsidentschaftswahl. Die Kandidaten haben hier nicht für sich geworben, sie wollten diesen Bundesstaat erobern. Wenn es bei dieser Wahl um die Seele der Vereinigten Staaten geht - und das sagen nicht wenige -, dann ist hier der Ort, um sie zu erkunden.

Jürgen Schmieder, US-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, berichtet an diesem Wahltag live aus Columbus. Er schildert, wie sich dieser Tag der Entscheidung im Herzen Amerikas anfühlt. So entsteht eine Reportage, die Stück für Stück wächst.

Früher Morgen - in den Straßen von Columbus

Am Ende der Nationalhymne der Vereinigten Staaten von Amerika steht eine Frage: Weht dieses mit Sternen besetzte Banner noch immer über dem Land der Freien und der Heimat der Tapferen? Wer in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, gegen zwei Uhr morgens, durch die Straßen von Columbus läuft zum Ohio Statehouse, dem offiziellen Regierungssitz des Bundesstaates Ohio, der sieht die Antwort vor diesem Gebäude: Nein, es weht gerade nicht, dieses mit Sternen besetzte Banner, es hängt trostlos herunter über dem Land, das gerade ganz offensichtlich Donald Trump zum Präsidenten gewählt hat.

Info

Columbus ist die Hauptstadt von Ohio. 850 000 Menschen leben hier; auf der Liste der größten Städte der USA liegt der Ort auf Platz 15. Es gibt ein paar Spitznamen für die Stadt: "größte Kleinstadt Amerikas" etwa oder auch "Stadt der Entdecker". Es gibt Menschen, die nennen Columbus "das Herz der Vereinigten Staaten": Weil die Demografie ziemlich genau dem Rest des Landes entspricht, testen Unternehmen neue Produkte hier, bevor sie landesweit eingeführt werden.

Es gibt eine andere Frage, Thomas Mann stellt sie gleich zu Beginn seines Meisterwerks Buddenbrooks - Verfall einer Familie: "Was ist das. - Was - ist das ..." Genau das denkt der Mensch, der in dieser Nacht verwirrt und verstört durch die Straßen dieser Stadt wandert, von der es heißt, dass sie das Herz der USA sei. Dass hier an diesem Dienstag über die Seele der Vereinigten Staaten entschieden würde. Was ist das? Was - ist - das? Bei den Amerikanern heißt es: "What the fuck?"

Angst und Hoffnung in Columbus, mit dieser Überschrift - in Anlehnung an das Buch Fear and Loathing in Las Vegas von Hunter S. Thompson - hat dieser Bericht über einen Tag in Ohio begonnen. Die Sonne hat geschienen, die Menschen sind in die Wahllokale gefahren und haben ihre Stimme abgegeben. Sie haben ihren Nachbarn Schildern aus dem Garten geklaut. Sie haben debattiert. Sie haben gestritten. Sie haben sogar gerauft. Sie haben begründet, warum sie für Hillary Clinton gestimmt haben oder für Donald Trump - oder warum sie keine Lust hatten, überhaupt ihre Stimme abzugeben. Warum sie auf Clinton gewettet und warum sie vor dem Ohio Statehouse Anzeigetafeln aufgestellt haben mit der Aufschrift: "BlahBlahBlah".

So funktioniert Demokratie

Irgendwann ungefähr um die Zeit, als die Wahllokale in Ohio geschlossen wurden, da begann es zu regnen in Columbus. Und bei vielen Menschen wurde Hoffnung zu Angst. Bei noch mehr Menschen jedoch, da wurde Angst zu Hoffnung. Die meisten Menschen in Ohio nämlich, sie haben für Donald Trump gestimmt an diesem Dienstag. Die meisten Amerikaner haben für Donald Trump gestimmt an diesem Dienstag. So funktioniert Demokratie. Die Amerikaner haben Donald Trump zum Präsidenten gewählt.

Gegen 23 Uhr, es regnete noch immer, bemerkten die Menschen im Union Café im Stadtzentrum, dass etwas nicht stimmt. Eigentlich wollten sie eine historische Nacht feiern: die erste Präsidentin dieses Landes. Diese Bar ist bekannt dafür, dass Hautfarbe, Geschlecht und sexuelle Orientierung keine Rolle spielen. Es ist eine Bar, die für die Offenheit der Menschen in Columbus und Ohio steht, für die Vielfalt in diesem Land.

Columbus, Ohio

Trump wird doch nicht wirklich Präsident werden? Im Union Café in Columbus weicht Zuversicht zunehmender Sorge.

(Foto: Jürgen Schmieder)

Jetzt zeichnete sich für die Besucher des Union Café immer stärker ab: Dieses Land steht vielleicht doch auch für ganz andere Dinge, Dinge, die Donald Trump in diesem Wahlkampf gesagt hat. Gegen Schwule. Gegen Frauen. Gegen Menschen anderer Hautfarbe. Ach was, gegen fast alle.

Von Mitternacht an, da haben viele Menschen in dieser Bar geweint. Sie haben Angst.

Wer in dieser Nacht durch die Straßen von Columbus läuft, denkt lange darüber nach, was er erlebt hat an diesem Tag. Was er gesehen hat. Mit wem er gesprochen hat. Er denkt aber vielleicht auch an Abraham Lincoln, der in seiner Rede The Perpetuation of Our Political Institutions gesagt hat: "Als Nation freier Menschen müssen wir entweder alles überleben oder durch Selbstmord sterben." Das mag zunächst ängstlich klingen, und oftmals wird dieser Satz auch so interpretiert. Er kann aber auch so gelesen werden, dass diese Nation alles überstehen kann - so vermittelt er Hoffnung.

Angst und Hoffnung in Columbus. Vor dem Ohio Statehouse in Columbus fällt der Blick erneut auf das mit Sternen besetzte Banner. Es hängt nicht trostlos herunter. Es weht.

Später Abend - In der Bar mit Clinton-Anhängern

"Oh mein Gott! Oh! Mein! Gott!" Nein, das sind nicht die Worte, die Menschen rufen in dieser Bar im Stadtzentrum von Columbus im Bundesstaat Ohio - es sind die Worte, die der SZ-Reporter kurz nach Mitternacht denkt. Er ist schockiert und kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Er denkt: "Was ist da los?" Die Menschen in dieser Bar rufen: "What the fuck? What? The? Fuck?" Sie texten einander: "WTF" - die Kurzform des Was-in-aller-Welt-passiert-da-gerade-Ausrufs.

Was in aller Welt da gerade passiert: Donald Trump gewinnt in Florida. Trump gewinnt in Ohio. Trump gewinnt in North Carolina. Trump gewinnt in Utah. Das heißt, dass er wohl tatsächlich der nächste Präsident der USA werden wird.

What the fuck, America? What the fuck?

Die Menschen sind in das Union Café im Stadtzentrum von Columbus gekommen, um eine historische Nacht zu feiern. Es ist 22 Uhr, die Stimmung ist grandios. Nur keine Panik, wenn Trump jene Bundesstaaten gewinnt, die als Trump-Staaten prognostiziert worden sind. Jubel bei jedem Staat, den seine Kontrahentin Hillary Clinton für sich entscheidet.

Kristen Blanks ist dennoch nervös, sie schreibt Textnachrichten mit ihrer Mutter, ihren Freundinnen, ihrer Familie. Ihr Ehemann James ist bereits nach Hause gefahren, er muss am nächsten Morgen arbeiten. Er will, dass seine Frau in dieser Bar feiert, dass die Vereinigten Staaten von Amerika zum ersten Mal von einer Frau regiert werden.

23 Uhr: Die Menschen in der Bar werden unruhiger. Sorgenvoller. Panischer. Es wird doch nicht passieren, was kaum jemand für möglich gehalten hat? Donald Trump wird doch nicht wirklich Präsident werden? Das Union Café ist bekannt dafür, dass sich Homosexuelle hier treffen - es ist eine Bar, die für die Offenheit der Menschen in Columbus und im Bundesstaat Ohio steht: Hier darf jeder sein, wie er wirklich ist. Wer schwul ist, der ist eben schwul. Wer schwarz ist, der ist schwarz. Na und? Ist Amerika nicht das Land all jener, die hier so sein können, wie sie sind? Oder ist Amerika ein anderes Land? Das wird sich entscheiden an diesem Abend.

500 Menschen sind da, sie tragen Hillary-Shirts, sie halten Hillary-Masken hoch, sie jubeln bei jeder positiven Nachricht, die ihnen der Fernsehsender CNN liefert. Es gibt zwei Großleinwände und insgesamt 25 Fernseher, auf allen wird die Wahlberichterstattung von CNN gezeigt. FoxNews? Nein, die wollen das Ergebnis doch nur künstlich spannend machen, damit die Menschen möglichst lange vor dem Bildschirm sitzen und die Werbefilmchen sehen. Außerdem redet Bill O'Reilly ohnehin nur Müll. Sagen die Menschen in der Bar.

Kristen Blanks wird langsam nervös, es ist jetzt 23.30 Uhr. "Ich schäme mich dafür, dass Donald Trump in Ohio gewonnen hat", sagt sie. "Ich denke mir bei jedem einzelnen Bundesstaat: 'Wie können die Menschen nur für diese Person stimmen?' Und dann ist der Staat, in dem ich geboren bin und in dem ich lebe, für diesen Typen. Das kann ich nicht glauben! What! The! Fuck!" Sie will lächeln. Sie will Hoffnung verbreiten. Sie will noch daran glauben, dass Clinton Präsidentin wird. Doch in ihren Augen sind Tränen zu sehen. Sie weint.

Sie spricht über ihren Mann, der nach Hause gefahren ist und den zwei Jahre alten Sohn Dominick ins Bett gebracht hat in der Hoffnung, dass die Menschen in den Vereinigten Staaten die seiner Meinung nach richtige Entscheidung treffen werden. "Ich will, dass mein Sohn in Sicherheit aufwachsen kann", hatte der Afroamerikaner tagsüber gesagt. "Es geht mir nicht um Geld und Wohlstand und diese Dinge. In diesem Land sind Menschen, die nicht weiß sind, noch immer die anderen. Ich fürchte um meine Sicherheit aufgrund meiner Hautfarbe, wenn diese Wahl nicht so ausgeht, wie sie ausgehen sollte."

Diese Wahl, so sieht es kurz vor Mitternacht aus, sie wird nicht so ausgehen, wie sie laut James Blanks ausgehen sollte. What the fuck?

Kurz nach Mitternacht sind nur noch 300 Menschen da. 200 sind gegangen. Viele haben geweint. Einige haben Gläser auf den Boden geworfen. Manche haben gerufen: "What the fuck?" Auch Kristen Blanks ist nach Hause gefahren. Sie ist bei ihrem Mann James im Osten von Columbus. Sie schreibt per Textnachricht, dass die beiden in ihrem Bett liegen und weiterhin die Nachrichten verfolgen. Es war ein Tag voller Angst und Hoffnung in Columbus - doch kurz vor ein Uhr haben Kristen und James Blanks nur noch wenig Hoffnung. Sie haben Angst. Große Angst.

"Wie sollen wir das unserem Sohn erklären?", schreibt Kristen und schickt einen Link zum Beatles-Song "Let it be". Ihr Mann James schickt ebenfalls eine Nachricht: "Ich habe meinen Sohn ins Bett gebracht und muss ihm erklären, in welchem Land er morgen aufwachen wird."

Was ist da los? Der SZ-Reporter steht in dieser Bar. Er ist nicht mehr Herr seiner Sinne. Er kann nichts anderes denken außer: "Oh mein Gott! Oh! Mein! Gott!"

20 Uhr - Im Haus der Familie Hennessey im Norden von Columbus

"Auf die Demokratie", sagt Marie Hennessey und fordert alle auf, mit ihr anzustoßen. An diesem Abend in ihrem Haus im Norden von Columbus finden sich ein: ihr Sohn Andrew, der nicht gewählt hat (siehe Bericht vom frühen Nachmittag) und deshalb mindestens alle 15 Minuten von seiner Mutter gerügt wird; ihr Sohn Matthew, der während des Wahlkampfs für Hillary Clinton gearbeitet hat und deshalb mindestens alle 15 Minuten von seiner Mutter gelobt wird. Und die Familie Blanks, die bereits am Morgen für Clinton gestimmt hat (siehe Berichte von 5.40 und 8.45 Uhr).

Marie Hennessey hat Spaghetti gekocht und einen Kuchen gebacken, doch darauf ist sie nicht besonders stolz. Worauf sie stolz ist: Auf das Schild mit der Aufschrift "Hillary for Prison", das sie aus dem Garten eines Nachbarn geklaut hat (siehe Bericht von 5.40 Uhr).

Es herrscht gespannte Aufgeregtheit im Haus der Hennessys, als die ersten Ergebnisse verkündet werden, die nun wahrlich nicht überraschend sind. Jubel bricht nur aus, als es zwischenzeitlich heißt, dass Clinton in Florida in Führung liegt. Panik dagegen kommt bei ersten Prognosen für Ohio auf: "Oh mein Gott, Trump wird doch nicht hier gewinnen", sagt Kristen Blanks. "Das wäre so traurig. Ich will nicht, dass die Leute sagen: Was sind das nur für Leute in Ohio, die diesen Typen gewählt haben? Ich denke nämlich bei jedem neuen Ergebnis: Was müssen das für Menschen in Tennessee sein? Ich verabscheue einen ganzen Bundesstaat nur deshalb, weil Trump dort gewinnt."

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Es herrscht gespannte Aufgeregtheit im Haus der Hennessys - das Schild stammt aus dem Garten der Nachbarn.

(Foto: Jürgen Schmieder)

Zwischen den Hochrechnungen darf jeder der Anwesenden seine ganz persönliche Geschichte erzählen, warum er oder sie Donald Trump nicht leiden kann. Genannt werden die Klassiker: Rassismus, Sexismus, Unfähigkeit. Eine Anekdote handelt davon, wie Trump eine Nachbarin während einer Autogrammstunde vor mehr als 20 Jahren in New York anzüglich angesehen haben soll und sie deshalb beschlossen hat, keinesfalls für ihn zu stimmen oder jemals wieder ein Hotel von Trump zu betreten.

Es ist eine interessante Erfahrung, diesen Wahlabend hier in Columbus zu verbringen, in diesem Haus. Auf zwei Fernsehgeräten laufen zwei verschiedene Sender (CNN und FoxNews), Andrew starrt andauernd auf sein Telefon und verkündet die neuesten Informationen, die nicht immer mit dem übereinstimmen, was im Fernsehen gezeigt wird. Trai Blanks kommt ab und zu mit komplett anderen Zahlen und Ergebnissen um die Ecke. Er tippelt nervös durchs Haus, nascht immer wieder kurz von den Spaghetti mit Bolognese-Sauce und nippt vom Rotwein. Dann verschwindet er wieder: "Ich bin aufgeregt! Aber positiv aufgeregt." Andauernd klingelt ein Telefon, weil ein Nachbar oder Freund oder Familienmitglied seine Begeisterung oder seinen Unmut über neue Meldungen kundtun möchte.

Der SZ-Reporter erinnert sich an einige Wahlabende in Deutschland. Im Jahr 1998 etwa, als er mit seinen Freunden Karten spielte und relativ gelassen aufnahm, dass es im Bundestag eine rot-grüne Regierung geben würde. Niemand starrte damals auf ein Mobiltelefon. Der Fernseher lief, das war es aber auch schon. Oder im Jahr 2005: Er saß mit seiner Familie im Wohnzimmer und verfolgte eine hitzige und im Nachhinein ungemein unterhaltsame Debatte mit der heutigen Kanzlerin Angela Merkel und dem damals frisch abgewählten Gerhard Schröder.

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Alle schimpfen im Haus Hennessey auf die Fernsehsender und ihre Sendungen.

(Foto: Jürgen Schmieder)

Jetzt, in diesem Haus in Columbus, bemerkt er, wie sehr sich in nicht einmal 20 Jahren die Welt verändert hat - und auch der Umgang mit solchen Wahlen. Die Informationen kommen nicht mehr gebündelt wie aus einem Wasserhahn, sie strömen wie aus einem Duschkopf über die Menschen. Fast ununterbrochen gibt es neueste Ergebnisse, die dann doch keine Ergebnisse sind, sondern nur Zwischenstände. Permanent werden Analysen getroffen zu Sachverhalten und Szenarien, die noch nicht einmal passiert sind. Und jede neue Meldung, ob tatsächlich bedeutsam oder völlig gaga, wird ekstatisch aufgenommen.

Es wird am Abend keine gemeinsame Runde der Präsidentschaftskandidaten im Fernsehen geben - es steht noch nicht einmal fest, ob Donald Trump seine Niederlage anerkennen wird, sollte er denn verlieren. Das Einzige, was derzeit feststeht: Es könnte eine sehr lange Wahlnacht werden. "Ich bin bereit", sagt Trai Blanks und schiebt sich ein Stück Kuchen in den Mund: "Ich bin bereit für eine historische Nacht." Dann geht er am Hillary-for-Prison-Schild vorbei und schüttelt den Kopf.

Die Berichterstattung im US-Fernsehen ähnelt der von einem Sportereignis

Können wir uns, bevor wir wieder über Columbus und Donald Trump und Hillary Clinton sprechen, darauf einigen, dass sich die Berichterstattung auf den amerikanischen TV-Sendern so anfühlt, als würde man Daten aus dem Internet herunterladen? John King etwa sagt bei CNN: "73 Prozent in Michigan ausgezählt. 74. 75. 77." Dann sagt er: "In Ohio sind wir bei 23 Prozent. 45. 48." Und schließlich: "In Florida sind es 89 Prozent. 94. 96." Und so wie jeder gerne mal seinen Computer aus dem Fenster werfen will, wenn ein Download minutenlang "99 Prozent" anzeigt - so schimpfen nun alle im Haus auf die Fernseher und ihre Sendungen.

Was noch auffällt: Die Berichterstattung zur US-Wahl ähnelt der von einem Sportereignis. Das ist deshalb so offensichtlich, weil hin und wieder zum Basketballspiel der in Ohio sehr beliebten Cleveland Cavaliers umgeschaltet wird. Bei CNN steht es 97:84 für Clinton, bei FoxNews 80:66 für Trump. Was das bedeutet? Überhaupt nichts, denn diese Wahl wird nicht irgendwann abgepfiffen und der zu dem Zeitpunkt Führende zum Sieger erklärt. Aber die knappen Zwischenstände sorgen freilich dafür, dass Kristen Blanks mittlerweile auf ihren Fingern herumkaut, weil keine Nägel mehr übrig sind.

Daneben fällt auf, wie oft die Moderatoren anmerken, dass es noch viel zu früh für eine Analyse sei - und dann mit der Analyse beginnen. Ein typischer Satz von John King bei CNN: "Wir haben hier in diesem Bezirk in Ohio erst 31 Prozent der Stimmen ausgezählt, es ist also noch viel zu früh für eine Analyse. Aber Clinton muss gewaltig aufholen, wenn sie diesen Bundesstaat noch gewinnen will." Diese Aussage hat ungefähr so viel Gehalt wie die von Donald Trump am Nachmittag: "Ich will gewinnen."

Aber es funktioniert: Bei jeder neuen Ankündigung, dass es neue Meldungen aus den einzelnen Bundesstaaten gebe, rücken die Leute in diesem Haus in Columbus aufgeregt auf ihren Sitzen herum. Dann sagt King: "New Hampshire. 14 Prozent. 15. 17."

17.45 Uhr - vor dem Ohio State Building

Die Sonne geht gerade unter in Columbus an diesem Dienstag, es regnet. Vor dem Ohio State Building im Stadtzentrum sind immer mehr Journalisten zu sehen. Sie warten auf Gouverneur John Kasich und Bürgermeister Andrew Ginther, die heute Abend hier sprechen sollen. Auf der anderen Straßenseite lungert ein junger Mann herum, er macht ein paar Fotos von diesem Gebäude und lächelt. Es ist Tyler Cann, Kurator für zeitgenössische Kunst am Columbus Museum of Art. Er ist verantwortlich für diese Anzeigetafel, die nicht den Verkehr regelt, sondern auf der in blinkenden Buchstaben zu lesen ist: "BlahBlahBlah."

"Es ist ein Kunstprojekt von Mel Bochner, der seit den 1960er Jahren Politik und Gesellschaft mit sprachlichen Installationen kommentiert", sagt er: "Diese Zeichen sind Teil einer größeren Aktion in Ohio, die den politischen Diskurs kommentieren soll. Es gibt Plakate an den Highways und Anzeigetafeln neben dem Museum. In Cincinnati haben wir etwa ein Schild aufgestellt mit der sarkastischen Botschaft, dass die Menschen die Geheimorganisation Skull & Bones wählen sollen, der viele Politiker wie George W. Bush angehören. Gerade in diesem Bundesstaat wurde so viel geredet und so wenig gesagt - und die Menschen haben das bemerkt."

Es hat zu dieser Wahl bereits einige Projekte von Straßenkünstlern gegeben: Plastic Jesus, der bereits mit auf Trump gemünzten Parkverbots-Schildern ("No Trump Anytime", die SZ berichtete im Mai) in Los Angeles und anderen Städten für Aufsehen gesorgt hatte, errichtete im Juli eine 18 Zentimeter hohe Mauer um Trumps Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood. Er spielte damit auf Trumps Ankündigung an, als US-Präsident eine Mauer an der mexikanischen Grenze bauen zu wollen. "Das war mein Lieblingsprojekt während des Wahlkampfes", sagt Cann.

Am Abend wird vor dem Ohio State Building John Kasich erwartet, der im Vorwahlkampf der republikanischen Partei gegen Donald Trump verloren und danach angekündigt hatte, es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren zu können, bei der Präsidentschaftswahl für Trump zu stimmen. "Trump ist ein Mensch, den ich nicht unterstützen kann", meinte Kasich. Er hielt sein Versprechen und gab seine Stimme John McCain, der im Jahr 2008 gegen Barack Obama angetreten war. Es wird erwartet, dass Kasich bei einer Niederlage von Trump in vier Jahren noch einmal versuchen wird, US-Präsident zu werden.

Vielleicht wird Kasich an diesem Abend über die Straße sehen, hinüber zu der Anzeigetafel von Mel Bochner und Tyler Cann. Und vielleicht wird er erkennen, wovon es viel zu viel gegeben hat in diesem Wahlkampf.

15 Uhr - Hollywood Casino im Westen von Columbus

Es ist ordentlich was los an diesem Dienstagnachmittag im Hollywood Casino im Westen von Columbus, vor allem die Tische mit den Kartenspielen Baccarat und Blackjack sind gut besetzt. Die Menschen unterhalten sich über das Blatt, das ihnen der Croupier überreicht (meistens nicht so gut wie gewünscht), sie sprechen auch über Basketball (am Abend spielen die noch unbesiegten Cleveland Cavaliers aus Ohio gegen die Atlanta Hawks). Sie reden auch über die Präsidentschaftswahl, doch sie tun das anders als die meisten Menschen in Columbus an diesem Tag. Sie verkünden nicht, für wen sie gestimmt haben. Sie sagen, auf wen sie gewettet haben.

Es ist illegal, auf den Ausgang dieser Wahl zu wetten - so wie es nicht erlaubt ist, auf den Sieger bei der Oscar-Verleihung zu setzen. Das liegt daran, dass die Ergebnisse nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt feststehen und veröffentlicht werden: Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten (es gibt womöglich noch Verlängerung und Elfmeterschießen), bis zum Schlusspfiff darf gewettet werden - dann ist es vorbei. Der beste Schauspieler bei den Academy Awards, der steht schon ein paar Tage vor der Veranstaltung fest. Bei der Präsidentschaftswahl kann es sein, dass der Sieger wie etwa im Jahr 2000 erst nach Wochen und zahlreichen Gerichtsverhandlungen verkündet wird.

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Das Hollywood Casino im Westen von Columbus

(Foto: Schmieder)

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Menschen tatsächlich die Finger davon lassen. Mehreren Studien zufolge haben die Amerikaner insgesamt mehr als eine Milliarde Dollar auf den Ausgang der Wahl gewettet: auf Internetportalen, die im Ausland angesiedelt sind. Mit dem Nachbarn, der für den anderen Kandidaten stimmen will. Im Hollywood Casino am Pokertisch, wenn es gerade mal langweilig ist.

"Ich habe 300 Dollar darauf gesetzt, dass Donald Trump den Bundesstaat Ohio gewinnt, die Wahl insgesamt aber verlieren wird", sagt einer, der seinen Namen und auch sein Foto nicht in der Zeitung oder auf einem Internetportal sehen will. Es sei okay, wenn dort steht, dass er eine Jacke der Ohio State University trägt, dass er sich gerade an einem Würfel-Automaten versucht und dass er später Poker spielen möchte.

Er will unbedingt, dass der SZ-Reporter seiner Wette beipflichtet - obwohl ihn der mit diesem wunderbaren Spruch ("Wie es in Ohio läuft, so läuft es im Rest der Vereinigten Staaten.") konfrontiert: "Schau' mal, Schlaumeier: Es wäre für Ohio wirklich besser, wenn Trump Präsident würde. Das begreifen die Leute, er wird hier mit sechs Punkten Vorsprung gewinnen. Für die USA insgesamt ist Trump natürlich untragbar, also wird Hillary mehr als 300 Wahlmänner bekommen. Diese Wette könnte mir 1000 Dollar einbringen." Er ist stolz darauf, dass er der seiner Meinung nach einzige Mensch in den Vereinigten Staaten ist, der für Trump gestimmt hat und auf einen Sieg von Clinton hofft.

Nur mal so ein Gedanke, während der Mann seinen Gewinn beim Würfeln abholt und in Richtung Pokerraum schlendert: Könnte es sein, dass es so etwas wie die Vereinigten Staaten von Amerika überhaupt nicht gibt? So was behaupten ja immer wieder die kulturnörgelnden Deutschen, wenn sie sich über die Lebenskultur dieses Land erheben, darüber lästern und nicht kapieren, dass die USA überhaupt nicht so sind, wie sie es von diesen Urlaubsreisen (Shoppen in New York, Biketour auf der Route 66, Abstecher nach Las Vegas oder Los Angeles und noch ein paar Tage in irgendeinem Kaff, damit sie behaupten können, auch woanders gewesen zu sein) kennen. Dieses Land ist, und das macht es so faszinierend, eines der vielfältigsten auf der Welt - doch genau das macht eine Wahl, bei der die Menschen aus gerade einmal zwei Kandidaten wählen dürfen, so verdammt kompliziert.

"Ich habe noch andere Wetten laufen heute und teilweise grandiose Quoten bekommen", sagt der Mann am Pokertisch. Worauf er noch gewettet hat: dass Hillary gewinnt, obwohl sie Florida, Pennsylvania und Nevada verliert (Quote: 4,1 zu 1 - das bedeutet, er bekommt bei einem Einsatz von einem Dollar bei Erfolg 4,10 Dollar von seinem Gegner) und dass Trump in Minnesota gewinnt (3 zu eins). Dazu ein paar kleine Nebenwetten: dass der Sieger noch vor Mitternacht erklärt (2:1) und dass Trump das Wahlergebnis juristisch anfechten wird (3:1). Würde er all seine Wetten gewinnen, dann würde er - so behauptet er zumindest - 4320 Dollar einnehmen. Von Freunden. Von Leuten am Pokertisch. Von einem Online-Wettbüro.

Wenn Trump die Wahl gewinnt, dann wird dieser Mann, der für Trump gestimmt hat und auf einen Sieg von Clinton hofft, insgesamt 1500 Dollar verlieren. "Dann wäre ich ziemlich angeschissen", sagt er: "Aber nicht nur ich."

Früher Nachmittag - Downtown Columbus

Es heißt, dass es heute um sie Seele dieses Landes geht, um die innere Einheit der Vereinigten Staaten, um die Rolle dieser Nation in der Welt. Es kann doch überhaupt nicht sein, dass es jemanden in den USA gibt, der an diesem Tag nicht seine Stimme abgibt. Doch, solche Leute gibt es - und das sind nicht unbedingt faule Säcke. Zahlreiche Amerikaner haben einfach nur die Schnauze voll, ihre einzige Hoffnung am diesem Dienstag besteht darin, dass dieser Wahnsinn endlich vorbei ist. Einer davon ist der 22 Jahre alte Andrew Hennessey.

SZ: Mister Hennessey, wie lief Ihr Tag bislang?

Hennessey: Ganz ordentlich, ich habe gerade Mittagspause. Meine Mitbewohner sind um 6.30 Uhr zur Wahl gegangen, als die Lokale gerade aufgemacht haben. Zwei Stunden später bekam ich eine SMS mit dem Inhalt, dass sie noch immer in der Schlange stehen und darauf warten würden, ihre Stimme abgeben zu dürfen. Meine Antwort: "Ist es Euch das wirklich wert?"

Warum gehen Sie nicht nur Wahl?

Ich kann nicht mit gutem Gewissen ein Kreuz bei einem dieser beiden Kandidaten machen - und ich halte es für Zeitverschwendung, einem dritten Kandidaten meine Stimme zu geben. Ich weiß das Wahlrecht in den USA sehr zu schätzen und bin dankbar dafür, die Freiheit der Wahl zu haben. Es bedeutet für mich jedoch auch die Freiheit, nicht wählen zu müssen.

Columbus, Ohio

Das Foto zeigt die Familie Hennessey - Andrew ist der junge Mann im orangefarbenen Shirt.

(Foto: Jürgen Schmieder)

Was genau stört Sie an Clinton und Trump?

Clinton ist für mich eine undurchsichtige Person, die seit Ewigkeiten in der Politik tätig ist und für viele Dinge steht, mit denen ich mich nicht identifizieren kann. Trump ist, das hat er während des Wahlkampfes mehrfach bewiesen, keinesfalls geeignet, dieses Land zu führen. Ich habe die Fernseh-Debatten intensiv verfolgt und bin regelmäßig enttäuscht worden - weil beide nur selten auf die gestellten Fragen geantwortet, sondern nur ihre Agenda heruntergebetet haben. Außerdem sind sie bereits so alt, dass sie die wirklichen Probleme in dieser Welt und die Sorgen junger Menschen überhaupt nicht verstehen.

Was muss sich ändern, damit Sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl Ihre Stimme abgeben?

Es braucht ganz dringend mehr als nur zwei Alternativen! Ich hätte gerne mehr Auswahl und einen Kandidaten, mit dem ich mich identifizieren und für den ich mit gutem Gewissen stimmen kann. Glauben Sie mir: Ich würde gerne wählen! Doch in diesem Jahr ist das nicht möglich.

Einer der beiden Kandidaten wird dennoch Präsident der USA werden...

Ich weiß - und ich werde das auch verfolgen. Mein Leben wird sich durch den Ausgang der Wahl jedoch nicht großartig verändern. Ich bin 22 Jahre alt, es gibt andere Entscheidungen, die größeren Einfluss auf mein Leben haben als diese Wahl. Letztlich ist es mir egal, wer Präsident wird.

12.45 Uhr - Downtown Columbus

Jemand hat eine Anzeigetafel gegenüber dem Ohio Statebuilding im Stadtzentrum von Columbus aufgestellt. Darauf werden jedoch weder die Autofahrer auf mögliche Baustellen hingewiesen noch die Übertragungswagen der Fernsehsender zu ihren Parkplätzen für die Wahlparty mit Gouverneur John Kasich am Abend geleitet. In blinkender Schrift ist dort zu lesen: "BlahBlahBlah", was ein süßer und gleichzeitig todtrauriger Kommentar zu diesem Wahlkampf ist.

Reverend Tim Ahrens kann nicht hierher kommen, obwohl er gerne wollte. Er hat jedoch wichtigere Dinge zu tun an diesem Tag. Diese Präsidentschaftswahl wird auch dadurch entschieden werden, wie viele Amerikaner ihre Stimme abgeben. Der Priester der First Congregational Church in Downtown Columbus fährt deshalb den ganzen Tag über Menschen zu den Wahllokalen. "Es ist keineswegs so, dass wir von Tür zu Tür laufen und die Menschen überreden", sagt er am Telefon: "Wir sind bestens organisiert. Wir haben Listen mit Leuten, die bei der demokratischen Partei registriert sind. Die möchten wir erreichen."

Columbus, Ohio

"BlahBlahBlah": ein süßer und gleichzeitig todtrauriger Kommentar zu diesem Wahlkampf in Downtown Ohio.

(Foto: Jürgen Schmieder)

Er hat in den Predigten der vergangenen Wochen immer wieder auf die Wahl hingewiesen. "Es gibt verschiedene Gründe, warum sie nicht zur Wahl gehen: Die einen haben kein Auto, andere sind faul. Es gibt aber auch Menschen, die vergessen haben, dass heute ein wichtiger Tag ist", sagt er. "Ich versuche sie zu überzeugen, doch ihre Stimme abzugeben."

Bei der letzten Wahl etwa habe ich eine Frau kennengelernt, die sagte, dass sie von Barack Obama enttäuscht sei und deshalb nicht wählen wolle. Während des Gesprächs stellte sich heraus, dass sie als Kind vergewaltigt worden ist. Wir haben uns lange unterhalten - über ihr Leben, über die Vereinigten Staaten und auch über die Aussagen der Kandidaten während des Wahlkampfes. Am Ende durfte ich sie zur Wahl fahren, sie hat für Obama gestimmt."

Ahrens weiß noch nicht, wie viele Menschen er an diesem Tag zu den Wahllokalen befördern wird, er hat am Vormittag mit mehr als 100 Amerikanern gesprochen. Das ist sein Beitrag an diesem Tag. Was würde er eigentlich machen, wenn ihn ein Anhänger von Donald Trump um eine Mitfahrgelegenheit bitten würde? "Wissen Sie was? Ich würde ihn mitnehmen", sagt er. "Ich würde jedoch während der Fahrt versuchen, seine Meinung zu ändern."

11 Uhr - Trump-Wähler nach der Stimmabgabe

Ein Wahllokal im Osten der Stadt. Die Sonne scheint, es stehen ungefähr 50 Leute an, um ihre Stimme abgeben zu dürfen. Rick Seitz ist 36 Jahre alt, er hat wie seine Verlobte Taylor Backus einen Abschluss an einer Elite-Universität gemacht und würde gerne mit seinem vor wenigen Jahren gegründeten Unternehmen (eine Firma für Werbung auf Autos) expandieren. Er lebt in Ohio und hat bei Präsidentschaftswahlen bislang stets für den Kandidaten der Demokraten gestimmt: für Al Gore im Jahr 2000, dann für John Kerry und zwei Mal für Barack Obama. Das hat sich in diesem Jahr geändert.

SZ: Mister Seitz, wer soll Präsident der USA werden?

Seitz: Meine Verlobte Taylor und ich haben für Donald Trump gestimmt.

Es gibt viele Amerikaner, die ihr Kreuz bei Trump setzen, weil sie Hillary Clinton nicht mögen oder ihr Leben lang für den Kandidaten der Republikaner gestimmt haben. Dazu gehören Sie nicht.

Nein, gewiss nicht. Donald Trump hat angekündigt, die Steuern für kleinere Unternehmen senken zu wollen. Ich bezahle derzeit etwa 39 Prozent - und Mister Trump hat versprochen, das auf 15 Prozent senken zu wollen. Das wäre ein Segen für mein Unternehmen, das sich noch immer in der Start-Up-Phase befindet. Genau deshalb halte ich Donald Trump für den geeigneten Kandidaten.

Columbus, Ohio

Rick Seitz hat erstmals für einen Republikaner gestimmt. Hier ist er auf einem von ihm zur Verfügung gestellten Foto zu sehen.

(Foto: privat / oH)

Bei allem Respekt: Geht es bei dieser Wahl nicht um viel mehr als nur Ihr Unternehmen?

Natürlich - und ich glaube, dass Donald Trump den Menschen auf zahlreichen Ebenen helfen kann: Er wird nicht nur das Steuersystem verändern, sondern auch Gesetze einführen, durch die Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten geschaffen werden. Wir sind gerade gefangen in einem System der Bürokratie, das erleben meine Verlobte und ich jeden Tag: Wir beide arbeiten 70 Stunden pro Woche und haben dennoch gewaltige Probleme, unsere Ziele zu erreichen. Ich will überhaupt nicht gierig klingen, aber im derzeitigen System kann ich es mir nicht leisten, noch mehr Leute anzustellen. Ich würde gerne mehr Arbeitsplätze schaffen, doch dafür fehlt die gesetzliche Grundlage. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde die Idee, jeden einzelnen Menschen mit einer Krankenversicherung auszustatten, richtig gut. Nur kann ich mir das als Gründer eines Unternehmens einfach nicht leisten.

Wenn die Demokraten einen anderen Kandidaten aufgestellt hätten als Hillary Clinton, hätten Sie den womöglich gewählt?

Schon möglich, ich habe bei den vergangenen vier Präsidentschaftswahlen für den Kandidaten der Demokraten gestimmt. Die USA sind mir in den vergangenen Jahren ein bisschen zu weit nach links gerutscht, deshalb habe ich meine Meinung geändert. Natürlich ist meine persönliche Situation anders als noch vor vier oder acht Jahren. Es ist aber keineswegs so, dass ich Hillary Clinton nicht mag. Ich halte Donald Trump für den besseren Kandidaten.

Sie unterstützen Donald Trump aufgrund seines Programms...

Ich bin an einem Punkt in meinem Leben angelangt, an dem ich an mich und meine Familie denken muss. Ich glaube daran, dass jemand durch harte Arbeit und Durchhaltevermögen erfolgreich sein kann. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass jemand die Arbeit für mich erledigt - dafür stehen die Demokraten derzeit. Für mich wäre Donald Trump besser als Hillary Clinton. Sie kümmert sich nicht um die Dinge, die wichtig für mich sind.

Die Entscheidung, für wen Sie bei dieser Wahl stimmen, hat also weniger mit den USA zu tun als vielmehr mit ihrer ganz persönlichen Situation?

Absolut.

Kurz nach 9 Uhr - Im Wahllokal mit den Blanks

Kristen Blanks lächelt, als sie ihre Stimme bei dieser Präsidentschaftswahl abgibt: "Es fühlt sich großartig an, nach dem Wahnsinn in den vergangenen Monaten endlich wählen zu dürfen." Sie trägt eine Sonnenbrille, deren Gläser als Herzen geformt sind und die jeweils eine amerikanische Flagge zeigen.

Blanks steht vor diesem Gerät, das aussieht wie ein Tablet-Computer, der in einen Teleprompter eingebaut ist. Mit zittrigen Fingern drückt sie auf den Knopf mit der Aufschrift: For President - Hillary Clinton. "Das ist ein schöner Moment, ich bin wirklich aufgeregt", sagt sie. Das Gerät rattert, der Wahlzettel an der Seite (der ein bisschen an einen Kassenbon erinnert) rauscht nach oben. Die Stimme, sie ist abgegeben.

US-Wahl 2016: "Ich muss darauf vertrauen, dass meine Stimme zählt": Kristen Blanks am Wahlcomputer.

"Ich muss darauf vertrauen, dass meine Stimme zählt": Kristen Blanks am Wahlcomputer.

(Foto: Jürgen Schmieder)

Familie Blanks wählt in der Sporthalle eines Gemeindezentrums im Osten von Columbus, die an diesem Tag wie so viele Sporthallen in den Vereinigten Staaten zum Wahllokal umgebaut wurde. Der Raum macht den Eindruck, als hätte gestern Abend noch ein Basketballspiel stattgefunden und als hätte danach niemand Zeit gehabt, den Müll der Zuschauer wegzuräumen.

Es ist neun Uhr morgens, als die Blanks mit dem Autor zum Wahllokal fahren, ihr zwei Jahre alter Sohn Dominick sitzt auf der Rückbank. Im Radio ist Donald Trump zu hören, der in einem Interview sagt: "Ich habe lange überlegt, wem ich meine Stimme geben soll. Ich glaube, ich werde für Donald Trump stimmen." Als Kristen und James Blanks das hören, schütteln sie den Kopf. James sagt: "Ich bin aufgeregt, das ist ein großer Tag. Ich will, dass Hillary Clinton Präsidentin wird. Nicht, weil ich Donald Trump nicht mag - sondern weil ich glaube, dass sie die richtige Person für diesen Job ist."

Auf dem Parkplatz vor der Sporthalle sind insgesamt 17 US-Flaggen zu sehen und mehr als 100 Schilder für die jeweiligen Kandidaten. Die Menschen grüßen einander freundlich, jemand ruft: "USA!" Am Eingang gibt es Kaffee und Cookies in den Farben der USA. Wer großen Hunger hat, der bekommt Krebssuppe oder Kartoffelpüree. Etwa 20 Menschen haben gerade großen Hunger.

Jetzt mal ganz ehrlich: Das hier wirkt nicht wie eine Wahl, bei der über die Zukunft dieses Landes entschieden wird - es sieht vielmehr so aus, als würden die Menschen den Schülersprecher wählen.

Wahlcomputer wie eben zusammengeschraubt

In der Halle warten 50 Menschen darauf, dass ihnen einer der 20 Wahlcomputer zugewiesen wird. Die Helfer erklären ihnen, wie das funktionieren soll mit der Abgabe der Stimme - und versichern, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Genau das hat Trump in den vergangenen Wochen immer wieder angezweifelt und von einer möglicherweise manipulierten Wahl gesprochen. Eine Umfrage von Politico hat ergeben, dass 41 Prozent der Amerikaner daran glauben, dass "großflächiger Wahlbetrug" möglich sei.

Noch einmal ganz ehrlich: Diese Wahlcomputer sehen nicht aus wie moderne Geräte aus dem Silicon Valley, sondern wie etwas, das gestern Abend nach dem Basketballspiel provisorisch zusammen geschraubt wurde.

"Die Stimmen werden auf einer Speicherkarte abgelegt, am Abend heruntergeladen und dann an Teams aller Parteien zur Überprüfung weitergeleitet", sagt eine Wahlhelferin: "Wir nehmen die Bedenken der Bürger sehr ernst und tun alles dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht." Dann führt sie Kristen Blanks zu einem der Computer.

"Ich muss darauf vertrauen, dass meine Stimme zählt", sagt Blanks, als sie die Sporthalle verlässt. Sie lächelt, doch es ist kein fröhliches Lächeln, sondern eher ein banges. Ihr Ehemann nimmt sie in den Arm: "Keine Sorge, es wird alles gut."

8:45 Uhr - Auf dem Weg ins Wahllokal

Es gibt einen Satz, den sich die Menschen in Ohio seit 50 Jahren am Wahltag zurufen: "As Ohio goes, so does the nation" - wie es in Ohio läuft, so läuft's im ganzen Land. Seit 1860 haben erst drei Kandidaten (allesamt Demokraten) die US-Präsidentschaftswahl gewonnen, die in Ohio verloren hatten. Bei allen anderen Wahlen wurde der Sieger in diesem Bundesstaat auch US-Präsident. Das mag ein Zufall sein. Vielleicht aber auch nicht. Die Menschen in Columbus jedenfalls, sie glauben daran, dass ihre Stimme Bedeutung hat, dass der Ausgang in ihrem Bundesstaat diese Wahl durchaus entscheiden kann.

Es gibt ein paar Zahlen, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte: Kandidaten, Parteien und weitere Gruppen haben Schätzungen mehrerer Experten zufolge zwischen 6,5 und 7,5 Milliarden US-Dollar in den Wahlkampf gesteckt. Doch um wen kämpfen die Kandidaten eigentlich? 270 Wahlmänner im Electoral College werden zum Sieg benötigt. In Ohio geht es um 18 Wahlmänner. Für welchen Kandidaten sie stimmen werden, hängt davon ab, wie sich die Entscheidungen für Republikaner oder Demokraten unter den sieben Millionen Stimmberechtigten hier verteilen.

Die Statistikseite Fivethirtyeight - bekannt dafür, die Ergebnisse der Wahl im Jahr 2008 äußerst präzise vorhergesagt zu haben - rechnet in Ohio mit einer Wahlbeteiligung von etwa 60 Prozent. Das sind 4,2 Millionen Menschen. Davon haben laut mehr als 100 Umfragen 90 Prozent ihre Entscheidung spätestens drei Tage nach der Nominierung beider Kandidaten getroffen. Bei all den Debatten in Ohio ging es letztlich um 420 000 Menschen, die noch unentschlossen waren - und um all jene, die noch nicht wussten, ob sie tatsächlich zur Wahl gehen würden.

Einfache Erklärungen, die gerne geglaubt werden

Nachdem bereits viele Menschen hier ihre Stimme abgegeben haben, hat der Fernsehsender CNN den Bundesstaat am Freitag neu eingeschätzt: von Battleground zu eher Trump zugeneigt. Laut Staatssekretär Jon Husted hat die Zahl der republikanisch registrierten Wähler im Vergleich zur vergangenen Wahl um mehr als zehn Prozent zugenommen, die der Demokraten ist um 25 Prozent gesunken. Trumps Wahlkampfteam hat die Nachricht zunächst begeistert aufgenommen, dann aber als taktisches Mittel des Senders interpretiert, das dazu dienen soll, Hillary-Anhänger zur Abgabe der Stimme zu bewegen. Trump hat den Sender im August als "Presseshop für Hillary Clinton" bezeichnet und behauptet: "Die Leute glauben CNN heutzutage fast so wenig, wie sie Clinton glauben."

Wie es in Ohio läuft, so läuft es landesweit. Wenn dieser Satz stimmt, dann geht es den Vereinigten Staaten übrigens derzeit ziemlich beschissen. Nur in Kalifornien gab es im vergangenen Jahr mehr Drogentote als hier, im September verbreitete sich ein Foto im Internet, auf dem zwei Erwachsene völlig zugedröhnt im Auto liegen. Auf dem Rücksitz: ein vier Jahre alter Junge.

Donald Trump hat im Wahlkampf einfache Erklärungen für solche Zustände gefunden, die sich in 140-Zeichen-Phrasen oder Schlagworte in Reden fassen ließen: Die Menschen würden ihre Jobs verlieren, weil Barack Obama viel zu viel Handel mit anderen Nationen zulässt. Die Leute würden nur deshalb Drogen konsumieren, weil die über Mexiko in die USA geschmuggelt werden.

Trump nahm so den Menschen in Ohio die Verantwortung für ihre missliche Lage ab und wies anderen die Schuld daran zu. Das funktionierte. Viele Menschen in Ohio gingen in den vergangenen Wochen zu Veranstaltungen von Trump und setzten sich die roten Mützen mit der Aufschrift "Make America Great Again" auf.

Amerika wieder großartig machen, das ist der Slogan von Donald Trump. Wie lautet eigentlich der von Hillary Clinton? Nein, er heißt nicht "Dump Trump", auch wenn Frau Clinton dieser Gedanke sicherlich ein paar Mal gekommen ist. Es gibt gleich mehrere: "Hillary for America", "Fighting for us", "Stronger Together" und natürlich "I'm with her".

Vielleicht hätten sich die Kandidaten durch historische Slogans inspirieren lassen sollen: Hier die besten Sprüche aus amerikanischen Wahlkämpfen der Vergangenheit:

  • "Tippecanoe and Tyler Too" (William Henry Harrison, 1840 - übrigens ein wunderbarer Song mit zwölf Strophen).
  • "Hurray, Hurray, the Country's Risin' - Vote for Clay and Frelinghuysen" (Henry Clay, 1844).
  • "Vote as you shoot" (Ulysses S. Grant, 1868).
  • "Happy Days Are Here Again" (Franklin D. Roosevelt, 1932).
  • "In Your Guts, You Know He's Nuts" (Lyndon B. Johnson, 1964 - als Antwort auf den Slogan seines Gegners Barry Goldwater: "In Your Heart, You Know He's Right").

Wie es in Ohio läuft, so läuft es im Rest der Vereinigten Staaten. Gerade ist es ruhig in Columbus. Noch.

7:00 Uhr - Besuch bei Familie Blanks

Kristen Blanks, man kann das nicht anders sagen, ist eine wunderbare Frau. Sie hat als Pflegerin für wilde Tiere gearbeitet, sie hat ihren Gewinn bei einer Fernsehshow in die Forschung für ein Heilmittel gegen Mukoviszidose investiert, sie kümmert sich rührend um ihren zwei Jahre alten Sohn Dominick.

Kristen Blanks

Kristen Blanks hat als Pflegerin für Wildtiere gearbeitet. Hier füttert sie einen Schwarzbären.

(Foto: Privat)

Mit jemandem wie Kristen Blanks debattiert man nicht, so einem Menschen hört man zu - vor allem dann, wenn er beiläufig überraschende Bemerkungen fallen lässt. "Ich habe im Jahr 2004, als ich zum ersten Mal in meinem Leben wählen durfte, für George W. Bush gestimmt. Den Kandidaten der Republikaner", sagt sie an diesem Dienstagmorgen: "Vier Jahre später habe ich stundenlang in dieser Schlange vor dem Wahllokal gewartet und meine Meinung immer wieder geändert: Barack Obama, John McCain, Barack Obama, Mickey Mouse, mich selbst, Obama, McCain. Am Ende habe ich mein Kreuz bei Obama gemacht."

Blanks ist 31 Jahre alt, sie ist italienisch-polnischer Abstammung und im zwei Stunden entfernten Akron geboren - von dort stammt auch die Basketball-Ikone LeBron James, wie Blanks nicht ohne Stolz erzählt. "Mir wurde ein patriarchisch geprägtes Weltbild vermittelt, meine Familie hat immer für den republikanischen Kandidaten gestimmt", sagt sie: "Ich habe erst an der Universität bemerkt, was der Begriff weiße Überlegenheit überhaupt bedeutet - weil ich ein Teil dieser Kultur war. Das hat mich verändert und geprägt. Heute werde ich für Hillary Clinton stimmen."

"Wir müssen vorsichtig sein - weil wir sonst erschossen werden"

Als ihr Ehemann James das hört, schüttelt er milde lächelnd den Kopf. Er ist Afroamerikaner, 32 Jahre alt, er ist Unternehmensberater und telefoniert gerade mit Kunden aus Indien. Zehn Minuten vorher hat er mit Kollegen aus Deutschland gesprochen und dann mit Leuten aus Australien. Er legt sein Telefon auf den Tisch, um zu verdeutlichen, dass das, was er nun sagen wird, wichtig ist: "Ich habe im Alter von sieben Jahren erlebt, wie mein Vater von einer Polizeistreife angehalten worden ist. Keine große Sache - aber ich werde nie vergessen, was mein Vater danach zu mir gesagt hat: 'Weißt du, warum wir kontrolliert wurden? Weil wir schwarz sind! Und wir haben uns falsch verhalten und unsere Hände nicht sofort aufs Armaturenbrett gelegt. Wir müssen vorsichtig sein - weil wir sonst erschossen werden.' Diese Sätze habe ich noch immer in meinem Kopf."

Die Menschen in diesem Haus in Columbus wissen genau, worauf er hinaus will. In den vergangenen Monaten und Jahren wurden in den USA immer wieder Afroamerikaner von weißen Polizisten erschossen: Treyvon Martin. Michael Brown. Jonathan Ferrell. John Crawford. Ezell Ford. Laquan McDonald. Akai Gurley. Tamir Rice. Eric Harris. Walter Scott. Freddie Gray. Sandra Bland. Samuel DuBose. Jeremy McDole. Alton Sterling. Philando Castile.

Weiter sagt James Blanks erst einmal nichts. Das muss er auch nicht. Es geht bei dieser Wahl nicht nur um einen Politclown, der Präsident werden will. Es geht auch nicht darum, wie eine Außenministerin mit E-Mails umgegangen ist. Für einige Menschen in diesem Land geht es um sehr viel mehr: Es geht um nichts weniger als um ihr eigenes Leben. Als Banks wieder zu sprechen beginnt, sagt er: "Ich will, dass mein Sohn in Sicherheit aufwachsen kann. Es geht mir nicht um Geld und Wohlstand und all diese Dinge. In diesem Land sind Menschen, die nicht weiß sind, noch immer die anderen. Ich fürchte um meine Sicherheit aufgrund meiner Hautfarbe, wenn diese Wahl nicht so ausgeht, wie sie ausgehen sollte."

Als Kristen Blanks das hört, eine weiße Amerikanerin italienisch-polnischer Abstammung, da nickt sie nur. Angst und Hoffnung in Columbus.

5:40 Uhr Ortszeit: Ankunft in Columbus, Ohio

Die Morse Road ist ein eindrucksvolles Schlachtfeld in diesem politischen Kampf um die Vereinigten Staaten, der seit Monaten geführt und heute endlich entschieden wird. Wer in Columbus vom Flughafen aus weitläufig ins Stadtzentrum fährt und dabei die Freeways meidet, der sieht auf seinem Umweg im Nordosten der Hauptstadt des Bundesstaates Ohio überall diese Wiesen mit den vielen kleinen Schildern darauf: das dunkelblaue Clinton-Kaine-Zeichen mit dem überdimensionalen "H" und dem Pfeil darin, das ein bisschen aussieht wie der Wegweiser auf einer deutschen Autobahn. Und das von Donald Trump, ohne den Namen seines Running Mates Mike Pence übrigens, dafür aber mit diesem Slogan, aus den Vereinigten Staaten wieder eine großartige Nation machen zu wollen.

Die Einwohner von Columbus haben ihre Vorgärten regelrecht zugepflastert mit diesen Schildern. Wer weiß, was in den vergangenen Monaten in den USA los war, der ahnt, was die Leute in dieser Straße übereinander denken. Der Begriff Vereinigte Staaten ist ja ein Witz gewesen in diesem Wahlkampf - das einzige, was die Menschen aus Trump-Land und Clinton-Land eint, ist die tiefe Verachtung füreinander.

"Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die für Donald Trump stimmen", sagt Kristen Blanks. Sie wohnt ein paar Minuten entfernt im Raflin Drive und ist in den vergangenen Monaten jeden Tag an den Schildern in der Morse Road vorbeigefahren. In ihrer Straße sind nicht ganz so viele zu sehen, doch die Menschen debattieren am Abend vor der Wahl genau so aufgeregt über das, was an diesem Tag in den Vereinigten Staaten von Amerika passieren wird. "Ich habe ein gutes Gefühl", sagt ihr Ehemann James: "Das wird ein guter Tag für die USA. Das hoffe ich aus ganzem Herzen." Nur der Vollständigkeit halber: Beide haben beschlossen, am Dienstag für Hillary Clinton stimmen zu wollen.

Schilder im Garten, so was gibt es in Deutschland nicht. Hier in Columbus dagegen: Lawn Signs, überall. Es gibt die Formate "H-Frame" (zwei Füße und Rahmen) und "I-Frame" (zwei Füße ohne Verbindung); seit einigen Jahren gibt es noch andere Formate - seit das Wall Street Journal einen Artikel darüber veröffentlicht hat, dass ungewöhnliche Schilderformen mehr Aufmerksamkeit erregen.

Im Shop von Hillary Clinton gibt es den dunkelblauen Klassiker im H-Format (40x65 Zentimeter) für 20 Dollar, das Schild von Trump mit den fünf Sternen und ohne den Namen seines Partners kostet ebenfalls 20 Dollar. Die Fläche des Trump-Schildes ist jedoch aufgrund des I-Frames ein klein wenig größer: 2700 Quadratzentimeter. Das von Clinton kommt auf 2600. Das mag Zufall sein. Vielleicht aber auch nicht.

In den Internet-Shops der Kandidaten gibt es noch andere Memorabilia: bei Clinton eine sogenannte "Woman Card" für weibliche Wähler, bei Trump die vielfach bekannte rote Mütze mit der Aufschrift "Make America Great Again". Es sieht in diesen virtuellen Geschäften ein bisschen so aus wie bei Sportvereinen - und so wie im Dortmund-Shop auch Anti-Schalke-Schals feilgeboten werden, so gibt es bei Hillary einen Anti-Trump-Sticker und bei Trump Buttons mit all den Verfehlungen von Clinton. Auf einem steht: "Hillary for Prison". Genau so einen trägt John Aston in der Morse Road.

"Hillary for Prison" und Hakenkreuzgeschmier

Aston hatte sich auch - auf der Internetseite DirtCheapSigns - ein Schild mit der Aufschrift "Crooked Hillary" anfertigen lassen und im Garten aufgestellt. Aber das hat ihm jemand in der vergangenen Woche geklaut. "Es ist eine Schande", sagt er.

Persönliches Lieblingsschild des SZ-Reporters in dieser Straße übrigens: jenes mit der Aufforderung, Jeffrey Lebowski und Walter Sobchak zu wählen, die beiden Charaktere aus dem Film "The Big Lebowski". Der Slogan der beiden: "Fuck it, dude".

Wer weiterfährt ins Stadtzentrum, der sieht nicht nur diese Schilder in den Vorgärten, sondern auch überdimensionale Reklametafeln neben den Straßen, auf denen sonst Hollywood-Filme beworben werden. Auf einem Plakat für Trump sind zwei Weißkopfseeadler zu sehen, darunter hat jemand Hakenkreuze geschmiert. Auf einer Ankündigung, dass Clinton hier auftreten wird, hat jemand mit Filzstift "Fuck" vor den Namen der Kandidatin gekritzelt.

Auch zu sehen: halb zerrissene Plakate und kaputtgetretene Schilder, in einem Mülleimer liegt eine dieser roten Trump-Mützen. Sie sieht aus, als hätte jemand versucht, sie anzuzünden.

Hier in Columbus, diesem politischen Schlachtfeld, muss ganz schön was los gewesen sein in den vergangenen Monaten. Und es ist gleichzeitig ein Hinweis darauf, was heute noch passieren könnte.

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