US-Waffenlieferungen:Heikle Fracht aus Ramstein

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Von ihrem pfälzischen Stützpunkt Ramstein aus versorgen die Amerikaner ihre Truppen.

(Foto: Airman 1st Class Kenny Holston/Air Force photo)
  • Die US-Regierung hat offenbar Waffen über den Militärstützpunkt Ramstein an syrische Rebellen liefern lassen.
  • Eine Genehmigung hatte sie dafür nach Angaben der Bundesregierung nicht.
  • Demnach haben die USA seit 2010 keine Lieferungen nach Syrien oder in dessen Nachbarländer beantragt.
  • Eine serbische Tageszeitung berichtete jedoch bereits Ende 2015 über entsprechende Transporte.

Von Frederik Obermaier und Paul-Anton Krüger, München/Kairo

Das US-Militär hat offenbar zeitweise über seinen Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein Waffen und Munition aus Osteuropa an syrische Rebellen geliefert. Da entsprechende Genehmigungen der Bundesregierung fehlten, haben die Amerikaner womöglich deutsches Recht gebrochen. Das haben monatelange Recherchen der Süddeutschen Zeitung und der Journalistennetzwerke Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) ergeben.

Die Bundesregierung beteuert, von Waffenlieferungen über deutsches Territorium nach Syrien nichts zu wissen - dabei gibt es schon seit einiger Zeit Hinweise auf das fragwürdige Treiben der Amerikaner.

Die US-Regierung hat in mehreren unterschiedlichen Programmen syrische Rebellen mit Ausbildung und Waffen unterstützt. Über ein Programm des Auslandsgeheimdienstes CIA unter dem Codenamen Timber Sycamore wurden die Freie Syrische Armee (FSA) und andere vorab als politisch unbedenklich eingestufte Gruppen für den Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad trainiert und mit Waffen versorgt. Präsident Barack Obama hatte das Programm 2013 nach langen Diskussionen in der Regierung genehmigt; er reagierte damit auf den Chemiewaffen-Einsatz in der Region Ghouta mit Hunderten Toten, den die US-Regierung dem syrischen Regime anlastete. Obamas Nachfolger Donald Trump hat dieses Programm Anfang Juli auf Empfehlung der CIA beendet.

Waffenkäufe über private Militär-Dienstleister

Weiter aktiv ist dagegen ein Programm des US-Verteidigungsministeriums, mit dem es Rebellen für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausbildet und ausrüstet. Die Dschihadisten hatten im Sommer 2014 große Gebiete in Syrien und im angrenzenden Irak erobert. Im Frühjahr 2015 versuchte das Pentagon zunächst, dafür in Jordanien eine Rebellen-Einheit aufzustellen. Nachdem dies kläglich scheiterte, ging das Pentagon dazu über, bestehende Gruppen zu unterstützen.

Im Norden Syriens sind dies die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), ein Bündnis aus kurdischen YPG-Milizen sowie arabisch-sunnitischen und assyrischen Kräften, die derzeit um die IS-Hauptstadt Raqqa kämpfen. Im Südosten profitieren davon säkulare und als moderat-islamisch geltende Gruppen, die im Euphrat-Tal gegen den IS kämpfen sollen.

Private Dienstleister des US-Militärs haben für die Programme in Osteuropa und auf dem Balkan im Wert von Hunderten Millionen Dollar Waffen und Munition russischer Bauart gekauft - damit ließ sich die CIA-Waffenhilfe einfacher leugnen; solche Waffen gibt es in Syrien zuhauf. Überdies sind die Rebellen im Umgang mit Kalaschnikows vertraut. Journalisten von BIRN und dem OCCRP, das unter anderem vom US-Außen- und Entwicklungshilfeministerium sowie von Google finanziell unterstützt wird, ist es nun gelungen, die Lieferwege der Waffen nachzuvollziehen.

Sie führen von Fabriken in Serbien, Bosnien, Tschechien und Kasachstan in die Türkei und nach Jordanien, wo die USA und ihre Verbündeten je eine Kommandozentrale unterhielten, in denen Offiziere und Geheimdienstler die Unterstützung koordinierten. In die Region kam die heikle Fracht über Häfen in Rumänien und Bulgarien - oder den 1400 Hektar großen US-Militärflugplatz im deutschen Ramstein.

Die Bundesregierung will nichts von den Lieferungen gewusst haben

Im Februar fragte der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele die Bundesregierung nach möglichen Waffenlieferungen der Amerikaner für Syrien über den US-Stützpunkt. Die Antwort: Die Bundesregierung habe dazu keine Erkenntnisse.

Vielleicht wollte sie es auch nicht so genau wissen - nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz hätten die USA nämlich Genehmigungen aus Berlin gebraucht, um via Deutschland Waffen nach Syrien zu schaffen. Die Amerikaner versuchten es laut Bundeswirtschaftsministerium erst gar nicht: Seit 2010 hätten sie keine Lieferungen nach Syrien oder in dessen Nachbarländer beantragt. Die USA bestreiten aber, dass sie Berlin nicht die ganze Wahrheit gesagt haben.

Die Bundesregierung aber hätte von den Lieferungen wissen können, ja müssen: Bereits im Dezember 2015 berichtete die serbische Tageszeitung Večernje Novosti von Waffen und Munition, die mit Transportflugzeugen des US-Militärs nach Ramstein geflogen wurden - mit Ziel Syrien. Ein im Juli 2016 publizierter UN-Waffenexportbericht listet 11 970 Sturmgewehre und 50 schwere Maschinengewehre auf, die aus Serbien an einen "US-Militärstützpunkt in Deutschland" geliefert worden seien.

E-Mail schürt Zweifel an der Darstellung der Bundesregierung

Ramstein ist zwar deutsches Staatsgebiet, ohne die Zustimmung des US-Kommandeurs dürfen ihn aber auch deutsche Beamte und Politiker nicht betreten. Immer wieder gibt es handfeste Hinweise auf Aktivitäten dort, die gegen deutsches oder internationales Recht verstoßen. Über den Stützpunkt wurde mindestens ein Terrorverdächtiger aus Italien nach Ägypten verschleppt. SZ und NDR enthüllten zudem die zentrale Rolle Ramsteins für US-Drohneneinsätze und damit verbundene außergesetzliche Tötungen Terrorverdächtiger. Auch davon wollen die Verantwortlichen in Berlin erst aus der Presse erfahren haben.

Zweifel an der Darstellung der Bundesregierung wirft eine E-Mail auf, die BIRN und dem OCCRP zugespielt wurde. Darin weist das für die Waffenankäufe zuständige US-Kommando für Spezialoperationen (Socom) seine Dienstleister an, keine Transitgenehmigungen mehr zu beantragen. "Deutschland ist solchen Anfragen gegenüber sehr empfindlich geworden", heißt es in der Mail aus dem Dezember 2016. Woher diese Erkenntnis, wenn es nicht Gespräche mit Berlin gab oder gar entsprechende Anträge der Amerikaner an die Bundesregierung? Damit konfrontiert erklärte sie nur, "Inhalte etwaiger Gespräche des US-Militärs mit Lieferanten" nicht zu kennen.

Falsche Angaben müssten Konsequenzen nach sich ziehen

Socom teilte zunächst mit "derzeit sowie vor 2016" keine für Syrien bestimmten Waffen auf US-Stützpunkten in Deutschland gelagert oder über diese geliefert zu haben - was dies für 2016 und Anfang 2017 nicht ausschließt. Auf Nachfrage hieß es, dass auch in diesem Zeitraum keine Waffen geliefert worden seien, zumindest nicht über "in Auftrag genommene Flüge". Ob die Waffen auf anderem Wege, etwa mit Militärmaschinen geliefert wurden, ließ Socom auf Nachfrage offen. In Osteuropa wurden Lieferungen "für Verteidigungszwecke in direkter Verwendung durch die US-Regierung" deklariert, jedoch mit dem Zusatz, dass sie als "Unterstützung für amerikanische Ausbildungs- oder Trainingsprogramme oder Sicherheitszusammenarbeit weitergegeben" würden - nicht aber wohin.

Sollten US-Stellen gegenüber deutschen Behörden falsche Angaben gemacht haben, etwa dass die Waffen in die USA geliefert werden sollten, müsste dies schwerwiegende Konsequenzen haben - theoretisch. Die politischen Grundsätze der Bundesregierung zu Waffenexporten schreiben vor, dass ein Empfänger bei Verstößen vorerst "grundsätzlich" von weiteren Rüstungslieferungen auszuschließen ist. Ob oder wie oft dies überhaupt schon einmal geschehen ist, wird laut dem Wirtschaftsministerium "nicht gesondert statistisch erfasst".

Mitarbeit: Ivan Angelovski, Lawrence Marzouk

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