US-Wählerbefragung:"Obamas Reden erinnern mich an Aktien-Verkäufer"

Obama ein totalitärer Herrscher? Verantwortungsvoller Bildungspolitiker? Oder schlichtweg: ein Versager? Fast jeder US-Bürger hat eine Meinung zu den Präsidentschaftsbewerbern. In Deutschland bekommen wir aber meist nur mit, was die Medien über Barack Obama und Mitt Romney berichten. Deshalb haben wir einige Amerikaner gefragt, wen sie wählen. Und warum. Die überraschenden Ergebnisse.

Charlotte Theile

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Obama ein totalitärer Herrscher? Verantwortungsvoller Bildungspolitiker? Oder schlichtweg: ein Versager? Fast jeder US-Bürger hat eine Meinung zu den Präsidentschaftsbewerbern. In Deutschland bekommen wir aber meist nur mit, was die Medien über Barack Obama und Mitt Romney berichten. Deshalb haben wir einige Amerikaner gefragt, wen sie wählen. Und warum. Die überraschenden Ergebnisse.

Tom Timberlake, 49, früher Kampfpilot, heute bei einer großen zivilen Fluglinie, Tampa, Florida

Ich werde Mitt Romney wählen. Meine Entscheidung ist vor allem eine Entscheidung gegen Barack Obama. Das hat viele Gründe. Zum einen haben die USA in der Fiskalpolitik einen völlig falschen Weg eingeschlagen - unter keinem anderen Präsidenten sind die Schulden derart stark gestiegen. Zum Zweiten sind auch die Ansprüche aller möglichen Gruppen angewachsen: Medicare, soziale Sicherheiten, Obama-Care. Das ist doch ganz einfach: Je mehr Menschen er auf diese Weise versogt, desto mehr Menschen werden ihn wählen. Jeder, der vom Staat versorgt wird, hat eine sehr viele größere Wahrscheinlichkeit, die Demokraten zu wählen. Langfristig aber sind es unsere Kinder und Enkel, die das bezahlen müssen. Das ist nicht in Ordnung. Zum Dritten ist die Außenpolitik in desolatem Zustand. Der Krieg in Afghanistan setzt sich fort und die USA finanziert Länder wie Ägypten, die uns hassen. Ägypten bekommt fast zwei Milliarden Dollar jährlich von uns. Wofür? Außerdem gefällt mir nicht, wie Obama auftritt. Er sagte, er sei "ready to rule", also zu herrschen. Das ist vermessen. Totalitäre Herrscher und König tun das, nicht der Präsident.

Es gibt aber auch für mich keinen idealen Kandidaten - das ware einer mit libertären Ansichten. Meine Philosophie ist, was Steuern angeht, konservativ, in sozialer Hinsicht moderat bis liberal. Ich glaube, wenn es mit den USA so weitergeht, wird es bei uns bald genauso aussehen wie in der Eurozone.

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Meghan Mekita, 25, Lehrerin New Orleans, Louisiana

Ich wähle Präsident Obama, weil ich glaube, dass er sich für Menschenrechte einsetzt und eine bessere Wirtschaftspolitik macht als Romney. Obama repräsentiert eine ethisch anspruchsvollere Denkweise als Mitt Romney, außerdem ist ihm Bildung sehr wichtig. Als Lehrerin (und jemand, der immer noch Studienkredite abbezahlt), glaube ich, dass Obama eine bessere Schul- und Hochschulpolitik unterstützt. Meiner Meinung nach ist Bildung das drängendste Problem in unserem Land - denn eine gute Ausbildung ist nach wie vor der sicherste Weg aus der Armut.

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Tanner Callais, 28, Finanzmarktanalyst, Austin, Texas

So wie es jetzt aussieht, werde ich nicht zur Wahl gehen. Ich mag keinen der beiden Spitzenkandidaten. Ich bin enttäuscht von den riesigen Staatsausgaben, die unter Obama getätigt wurden und die immer noch anwachsen. Gleichzeitig war die Wirtschaftspolitik desaströs  - die meisten Menschen und Unternehmen wissen einfach nicht mehr, was sie erwarten sollen. So kann man nicht in die Zukunft planen.

Romney, andererseits, wirkt nicht, als hätte er eine einzige neue Idee im Angebot. Außerdem glaube ich, dass er keinerlei Bezug mehr zum Leben eines normalen Amerikaners hat. Daher wird diese Wahl wahrscheinlich die Gräben zwischen den reichsten Amerikanern und allen anderen verstärken - ein  Trend, der sich leider schon lange hinzieht. Offen gesagt: Ich bin enttäuscht, dass  wir nur zwei Kandidaten zur Auswahl haben.

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Roy Ledbetter, 63, evangelischer Pfarrer, St. Louis, Missouri

Ich habe vor vier Jahren Obama gewählt und tue das auch dieses Mal wieder - mit Begeisterung. Obwohl er gegen so viel Widerspruch kämpfen musste, hat er ziemlich viel getan, um die USA aus dem Durcheinander zu führen, das er von Bush und den Republikanern geerbt hat. Wirtschaftlich geht es wieder bergauf, trotz aller Widerstände der Republikaner, die ihr Möglichstes getan haben, Obama zu beschädigen. Das finde ich unheimlich schade. Eigentlich sollten Politiker zum Wohle aller zusammen arbeiten - aber das wollen die Republikaner scheinbar überhaupt nicht.

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Michael Gallagher, 45, arbeitet in der Konstruktion, Las Vegas, Nevada

Ich habe bei jeder Wahl gewählt, auch weil ich stolz bin, Amerikaner zu sein und in einem demokratischen Land zu leben. Dabei habe ich schon für Republikaner und Demokraten gestimmt. Wichtig für mich ist die persönliche Erfahrung der Kandidaten, was Wirtschaft und den Dienst an unserem Land angeht. Was mich dagegen gar nicht beeinflusst: Hollywoodstars, die Werbung für einen Kandidaten machen. Obwohl ich die Filme mit George Clooney mag, käme ich nie auf die Idee, meine Wahlentscheidung nach ihm auszurichten.

Dieses Jahr werde ich für Mitt Romney stimmen. Das hat viele Gründe. Zum einen geht es dem Land nicht besser als 2008 - Barack Obama hat also versagt. Die Staatsschulden sind unter ihm weiter gewachsen, Arbeitslosigkeit und Inflation ebenso - obwohl er bei beidem das Gegenteil versprochen hat. Zum zweiten hat Obama nie einen US-Bundesstaat regiert, hat keinerlei Erfahrung mit dem Führen eines so großen Gemeinwesens. Kein Unternehmen der Welt hätte so einen zum Chef gemacht. Obamas Reden erinnern mich an diese betrügerischen Aktien-Verkäufer aus den 1980er Jahren, die Tausende Menschen in irgendwelchen Hallen versammelt haben und dazu gebracht, hunderte Dollar für Unsinn auszugeben.

Ich wähle Romney, einen Mann mit Regierungserfahrung, der selber einmal einen Bundesstaat geführt hat und zudem ein erfolgreicher Geschäftsmann ist. Ich glaube, er richtet in unserer ökonomischen Realität mehr aus, als es der jetzige Präsident in der Theorie tut. Und noch etwas: Obama hat seinen Slogan von "Hope and Change" auf "Hope and Faith" geändert. Doch der Glaube an ihn wurde in den letzten vier Jahren bereits überstrapaziert.

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Jason Cieply, 27, Doktorand in Stanford (Slavische Sprachen, Literatur) San Francisco, Kalifornien

Ich werde entweder die Grünen oder die Partei "Peace and Freedom", Frieden und Freiheit, wählen. Da ich in Kalifornien lebe, ein Staat, der ohnehin an die Demokraten geht, habe ich auch keine Angst als so genannter "3rd-Party-Voter" indirekt die Republikaner zu unterstützen. Meiner Meinung nach wollen die großen Parteien mehr oder weniger das Gleiche: Quasi-Demokratie, Kapitalismus, eine imperialistische Außenpolitik. Ich will das nicht. 

Beide, die Grünen und Peace and Freedom sind mehr oder weniger sozialistisch. Die Grünen kümmern sich mehr um ökologische Fragen, Peace und Freedom ist eine alte Antikriegs-Partei, die im Kalifornien der 1960er Jahre gegründet wurde.  Allerdings hat Peace and Freedom diese blödsinnige Comedy-Frau, Roseanne Barr, nominiert. Also Punkt für die Grünen. Sicher bin ich aber noch nicht, ich muss mich noch näher mit dem Thema beschäftigen.

Obwohl es nur eine Geste ist, kann ich keine der großen Partei wählen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, die opportunistischen Demokraten zu wählen. Obama unterstützt Dinge wie den National Defense Authorization Act (NDAA), der dem Militär die Befugnis gibt, jede Person, die verdächtigt wird, eine Bedrohung für die nationale Sicherheit zu sein, festzunehmen und für eine unbestimmte Zeit an einem geheimen Ort festzuhalten. Die brutale Anti-Protest-Gesetzgebung H.R. 341, Internetüberwachung, Zensur, Dronenkriege sind für mich weitere Argumente, die es unmöglich machen, Obama zu wählen.

Die Parteien, über die ich jetzt nachdenke, sind beide für ein nationales Gesundheitssystem, kostenlose Ausbildung und andere soziale Programme. Damit werden sie nie gewinnen - aber es würde dem Land gut tun, wenn sie mehr Stimmen bekämen.

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Desiree Sierra, 25, Friseurin, Murrieta, Kalifornien

Ich wähle Romney. Meine politische Richtung ist  republikanisch. Romney will die Steuerdiskriminierung gegen die Privatversicherung beenden. Das finde ich gut, denn mittlerweile ist es so teuer, dass ich mir zweimal überlege, zum Arzt zu gehen. Da er die Steuern verringern wird, könnten sich auch chronisch kranke Menschen und diejenigen, die bisher nicht versichert sind, wieder eine Krankenversicherung leisten. Ohne Steuern funktioniert der lokale Markt für alle besser. Außerdem wird Romney die Abtreibungsrate verringern, indem er es nur noch Opfern von Vergewaltigung oder Inzest erlaubt, abzutreiben, beziehungsweise den Frauen, deren Leben durch eine Geburt gefährdet wäre. Dadurch, dass Obama die Verhütungsmittel frei zugänglich gemacht hat, sollte sich das Problem ohnehin verringern. Ganz verhindern lassen sich Abtreibungen nie, aber Romney würde helfen, sie so gering wie möglich zu halten. Romney steht auch für kleine Unternehmen und die freie Wahl des Konsumenten ein - das sind zwei weitere Dinge, die mir wichtig sind.

© Süddeutsche.de/segi
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