US-Vorwahl:So will Ted Cruz den Medien-Profi Trump besiegen

U.S. Republican presidential candidate Ted Cruz speaks at a campaign rally in Des Moines

"Betet für mich", ruft Ted Cruz seinen Anhängern zu, "jeden Tag eine Minute."

(Foto: REUTERS)

Ted Cruz ist der einzige Kandidat, der in Iowa eine Chance gegen Mega-Ego Trump hat. Der Texaner setzt auf 12 000 Freiwillige - und droht Nichtwählern per Post.

Von Matthias Kolb, Urbandale/Iowa

Wirklich ruhig wird es nie in Ted Cruz' Wahlkampfzentrale. Ständig klingeln Telefone, und die 50 Freiwilligen, die an Plastiktischen in einem schmucklosen Ladenlokal in Urbandale sitzen, reden ununterbrochen. Ein Plakat an der Wand gibt das Ziel vor: "15 000 Anrufe pro Tag, um Ted Cruz ins Weiße Haus zu bringen."

Diese Zahl ist veraltet, sagt Sprecherin Rachael Slobodien. "Am Samstag und Sonntag wollten wir mit 20 000 Wählern telefonieren." Stunden vor der ersten Vorwahl in Iowa hat nur der Senator aus Texas eine realistische Chance gegen Donald Trump. Die aktuellste Umfrage sah den Milliardär bei 28 und Cruz bei 23 Prozent. Doch niemand weiß, aus wie vielen der wütenden Trump-Anhänger wirklich Trump-Wähler werden.

Cruz hingegen kann sich auf seine Fans verlassen. Der 45-Jährige ist Liebling der sehr konservativen Evangelikalen, die in Iowa mindestens 50 Prozent der republikanischen Wähler stellen. "Seine Kampagne ist ein Musterbeispiel für den klassischen Iowa Way", urteilt die Washington Post. Bisher reisen die Kandidaten ständig im Bus durch den Staat und beantworten Fragen der Bürger - selbst wenn es nur 20 sind.

Cruz schwärmt von seiner Freiwilligen-Armee

Neben einem bescheidenen Auftreten bedeutet das auch, überall präsent zu sein. In allen 99 Bezirken gibt es einen "Cruz 2016"-Chef, der beharrlich bei Nachbarn wirbt. Tea-Party-Star Cruz wird von vielen Pastoren unterstützt und hat neben dem populären Talkradio-Moderator Steven Deace auch Bob Vander Plaats, den Chef der Evangelikalen-Organisation "Family Leader", für sich gewonnen.

Beide beschwören bei Cruz' Abschlusskundgebung in Des Moines vor 1100 begeisterten Fans dessen christlichen Glauben und sein Urteilsvermögen. "Ich bin so stolz auf meine Armee an Freiwilligen, das ist unsere große Stärke", ruft Cruz. Der Texaner verspricht, das konservative Amerika zu "vereinen" - und am ersten Tag im Weißen Haus "alle illegalen Dekrete Obamas rückgängig zu machen". Cruz will die IS-Miliz total zerstören und den "katastrophalen Iran-Deal" zerreißen. Außerdem will der Abtreibungsgegner die Organisation "Planned Parenthood" anklagen, die auch Abtreibungskliniken unterhält (in einer davon erschoss ein Angreifer Ende November drei Menschen). Mehr über Cruz' Programm lesen Sie in diesem SZ-Porträt.

Ans Publikum richtet Cruz eine Bitte: "Betet für mich, jeden Tag eine Minute." Laut dröhnt es "Amen" zurück. Es bleibt nicht der einzige Wunsch. "Jeder soll zehn Mal für mich stimmen", sagt Cruz. "Nein, ich fordere nicht zum Wahlbetrug auf, ich bin ja kein Demokrat. Aber bringt neun Leute mit, die für mich stimmen." Und was ist mit Donald Trump, den der Senator nie kritisiert hatte, bevor dieser Cruz' Geburtsort in Kanada ansprach? An diesem Abend überlässt es der Kandidat anderen Rednern, Trumps fehlende Moral und unpräsidentielles Auftreten zu geißeln.

Wieso Trump auf Twitter und Tochter Ivanka setzt

Der Wahlkampf des Immobilien-Milliardärs Wahlkampf ist das genaue Gegenteil des Iowa Way, der auf Kontakt und Nähe basiert. Trump verspeist keine fettigen Mahlzeiten in einem Familienrestaurant in Iowa, um volksnah zu wirken. Nur selten hat er in Iowa überhaupt übernachtet. Er fliegt im Privatjet von Auftritt zu Auftritt - und je größer die Halle, umso besser. Anstatt länger mit Wählern zu sprechen, gibt Trump lieber Interviews oder twittert. Um seinen Fans in Iowa zu erklären, wie das Caucus-Vorwahlsystem funktioniert, postet er ein Video mit seiner Tochter Ivanka.

Mehrmals täglich tritt Trump zurzeit in Iowa auf und beschwört seine Anhänger: "Ihr müsst an den Vorwahlen teilnehmen. Wenn ich nicht gewinne, dann war das alles eine riesige - und übrigens sehr teure - Zeitverschwendung." Der umstrittene Geschäftsmann scheint aber überzeugt, dass seine Bekanntheit und sein unerschütterliches Ego für einen Sieg in Iowa ausreichen.

Zudem setzt Trump auf einige festangestellte Mitarbeiter, die dafür sorgen sollen, dass alles in seinem Sinne läuft. Mit Chuck Laudner hat er einen erfahrenen Mann angeheuert, der Iowas Politiker und Wähler sehr gut kennt: Er sorgte 2012 als Wahlkampf-Chef dafür, dass Rick Santorum mit einem Mini-Budget in Iowa siegte. Doch unter Trumps Fürsprechern in Iowa ist ein berüchtigter Verschwörungstheoretiker - und viele freiwillige Helfer klagten noch Mitte Januar, dass sie nicht ausreichend Informationen erhalten hätten.

Cruz sind alle Mittel recht, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen

So etwas passiert mit den #CruzCrew-Mitgliedern nicht: Sie geben alle Informationen in eine Datenbank ein, um die Wähler besonders gut einschätzen zu können. "Wir kennen die Namen der Bürger, die noch zwischen uns und Trump, uns und Rubio sowie uns und Carson schwanken", sagt Wahlkampfmanager Jeff Roe. Und die vielen Cruz-Anhänger, von denen einige seit Wochen in einem eigens eingerichteten Schlafsaal wohnen, werden genau diese Wähler kontaktieren.

Da üblicherweise nur etwa 125 000 Republikaner an den caucuses teilnehmen, können einige hundert oder tausend zusätzliche Wähler einen entscheidenden Unterschied machen. Wie viel für den Hardliner Ted Cruz auf dem Spiel steht, illustriert eine Episode vom Wochenende. Da verschickte die Cruz-Kampagne regelrechte Drohbriefe an Haushalte in Iowa. Es werde veröffentlicht, ob ein Bürger abgestimmt hat oder nicht, hieß es in den Schreiben. (Details auf der Website des New Yorker) Das stimmt zwar nicht, doch Politologen haben herausgefunden, dass sozialer Druck ("Was sagen die Nachbarn?") am wirksamsten ist, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen.

Cruz selbst lehnt es ab, sich für dieses fragwürdige Vorgehen zu entschuldigen: "Jedes Mittel ist recht, um mehr Bürger Iowas dazu zu bewegen, ihre Stimme abzugeben." Der Texaner braucht einen Sieg an diesem Abend wohl noch mehr als Rivale Trump. Die konservativen Wähler in Iowa passen ideal zu Cruz und aufgrund bester Umfragewerte rechneten alle wochenlang mit einem Sieg des Texaners. Wenn er trotz einer exzellenten Organisation (neben den "Millennials für Ted Cruz" gibt es "Veteranen für Cruz") nur Zweiter wird, dann geht er geschwächt in die nächsten Vorwahlen.

Der Ton wird also rauer und die Nervosität steigt. Denn sehr bald gibt es erste Ergebnisse - und nicht nur Umfragewerte.

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