US-Vorwahl:Rubio kämpft als Underdog um seine letzte Chance

Im Heimatstaat Florida geht es für den Republikaner ums politische Überleben - doch die Autopsie seines Wahlkampfes hat bereits begonnen.

Von Johannes Kuhn, Sarasota

Würde die Welt auf diesen kleinen Hangar am Flughafen von Sarasota zusammenschrumpfen, sie wäre für Marco Rubio in Ordnung. Es stinkt nach Kerosin, aber hier drinnen funktioniert die Rhetorik des Präsidentschaftskandidaten noch.

"Wieder entscheidet es sich in Florida", ruft der republikanische Senator einigen Hundert Anhängern am Dienstagabend zu, um dann die Wahl zum "Referendum über die Identität Amerikas, unseres Volkes, der Republikanischen Partei" zu erklären. Die Menge jubelt, er muss sie nicht mehr für sich gewinnen: "Viele von euch haben schon gewählt", ruft er, "nutzt die kommenden sechs Tage, um eure Nachbarn und Freunde zu überzeugen."

Florida ist nicht nur Marco Rubios Heimatstaat, es ist seine letzte Chance: Wenn er hier am kommenden Dienstag nicht gewinnt, ist seine Kandidatur am Ende. Seit Tagen durchquert er die Region, spricht in Hallen und sogar vor Bäckereien. Und er reist auch dem Vorsprung Donald Trumps hinterher, der in Umfragen den Sonnenschein-Staat anführt und bislang noch an jedem Wahltag die Massen mobilisieren konnte.

Rubios Sympathisanten hier kennen ihn und haben ihn zum Senator gewählt - einige würden im November auch Trump ihre Stimme geben, andere finden den Rivalen "furchteinflößend" oder haben sich dem #NeverTrump verpflichtet. Doch bislang deuten die Vorwahlergebnisse nicht darauf hin, dass Rubio Trump überhaupt noch gefährlich werden kann.

Jetzt, wo es um alles geht, erfindet sich der durchaus begabte Erzähler Rubio für den heimischen Wahlkampf noch einmal neu: als Underdog, der gegen alle Widrigkeiten am Ende doch noch siegt.

Floridas TV-Wahlkampf - es gibt kein Entkommen

Der Kampf um die 99 Delegierten in Florida, die alle an den Sieger gehen, wird im Flächenstaat auch und vor allem im Fernsehen ausgetragen. Rubio und seine Unterstützer fluten die TV-Werbepausen mit ihren Spots, und wer umschaltet, landet womöglich bei einer Anti-Trump-Werbung zu den vermeintlich dubiosen Geschäftspraktiken des Milliardärs. Trump wiederum hält mit Wahlkampf-Spots dagegen, die Rubio als Spesenritter und arbeitsfaulen Berufspolitiker darstellen. Daneben flimmert irgendwo auch noch ein Anti-Rubio-Video, das eine Unterstützergruppe Ted Cruz' erstellt hat. Profiteure? Die TV-Sender, die mit den Werbeblöcken Millionen verdienen.

Die Vorlage ist er selbst, im Jahr 2010. Damals gewann der Sohn kubanischer Eltern mit einem Anti-Establishment-Profil die Senatswahl gegen den amtierenden Gouverneur Charlie Crist. Crist kam als Republikaner ins Amt, trat dann gegen Rubio als Parteiloser an und wurde schließlich "Demokrat und Vegetarier", wie Rubio sich und das Publikum unter Gejohle erinnert. "Wieder einmal treffe ich auf einen Gegner, der in den Umfragen führt und nicht der ist, der er vorgibt zu sein: Donald Trump", raunt er seinen Anhängern zu. "Wie damals werden wir es wieder tun: Wir werden diese Wahl gewinnen."

Trump zum heimlichen Demokraten zu erklären, ist einer von Rubios wenigen Angriffen: Dass der 44-Jährige in die verbale Schlammschlacht mit dem Immobilien-Milliardär einstieg, hat seinem Konkurrenten zwar etwas geschadet, ihm selbst aber nichts gebracht und in den Augen mancher Anhänger seine optimistische Botschaft überschattet. Als harsche Trump-Kritiker lässt er deshalb im Vorprogramm Kriegsveteranen auftreten, die ehemalige Soldaten im Norden des Staates überzeugen sollen.

Wenige Tage vor den Wahlen läuft Rubio allerdings die Zeit davon, viel hängt auch von der TV-Debatte am Donnerstag ab. Seine Kampagne sei "auf der Intensivstation", ätzte ein Fox-Experte bereits, während Gerüchte über einen vorzeitigen Ausstieg des Kandidaten die Runde machten. Die Autopsie seiner Kampagne hat jedenfalls schon begonnen: Vor allem der Versuch, einen Medien-Wahlkampf zu führen, statt in den Vorwahlstaaten exzessiv präsent zu sein, gilt angesichts der Trump'schen Medien-Dominanz als gescheitert. Auch Florida entdeckte der Senator erst, als die Umfragen längst anzeigten, dass der Heimvorteil in diesem Jahr deutlich geringer ist.

Ein Wahlkampf nimmt tragische Züge an, wenn ein Kandidat davon redet, dass seine Zeit gekommen sei, in Wahrheit aber seine Uhr abläuft. "Das wird das neue amerikanische Jahrhundert", verspricht der Kandidat seinen Anhängern in Sarasota am Ende, seinen Wahlkampf-Slogan zitierend. Ein paar Stunden später wird er in den Vorwahlen erneut enttäuschen und keine Rolle spielen: In Michigan und Missisippi wird er Letzter. In Idaho erreicht er mit deutlich unter 20 Prozent noch den dritten Platz hinter Cruz und Trump, genauso wie in Hawaii.

Im Herbst würde Marco Rubio eigentlich als Senator zur Wiederwahl stehen. Er hat bereits angekündigt, nicht wieder anzutreten. Alles oder nichts für den Mann in Underdog-Montur, der einst als eine der größten Hoffnungen seiner Partei galt. Am kommenden Dienstag könnte sein politischer Weg zu Ende sein.

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