US-Vorwahlen der Republikaner:Wo Romney noch verwundbar ist

Heuschrecke oder Wirtschaftsweiser? Mitt Romney tut, als wäre er schon Präsidentschaftskandidat und beschäftigt sich kaum noch mit den Kontrahenten aus der eigenen Partei. Er konzentriert sich auf Obama. Die anderen republikanischen Bewerber reagieren aggressiv - Angst muss Romney jedoch nur vor der eigenen Vergangenheit haben.

Sebastian Gierke

"Mitty kills jobs", hallt es durch den Raum. Chris Christie hört sich das an. Einmal, zweimal, dreimal. Dann vergräbt er eine Hand in der Hosentasche. Und fragt ironisch: "Really?" Applaus. Dann: "You know, some may go down tonight, but it ain't gonna be jobs, sweetheart." - "Weißt du, Schätzchen, einige werden heute verlieren, aber es werden nicht die Arbeitsplätze sein." Eruptiver Applaus. Jetzt lächelt auch Mitt Romney, dem kurz die Gesichtszüge gefroren waren. Romney steht hinter dem Gouverneur von New Jersey, der ihn da gerade verteidigt. Gegen die Anwürfe einiger weniger Demonstranten, die die Wahlkampfveranstaltung Romneys stören wollten.

Romney Campaigns With Pawlenty And Christie In New Hampshire

Chris Christie, Gouverneur von New Jersey (rechts), verteidigt Mitt Romney auf einer Wahlkampfveranstaltung.

(Foto: AFP)

Mitt Romney hat viel zu lachen im Moment. Die Umfragen lassen keine Zweifel aufkommen, dass er im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner den nächsten Erfolg einfahren wird. Der Sieg bei den nächsten Vorwahlen am Dienstag in New Hampshire dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich klarer ausfallen als beim Vorwahl-Auftakt vergangene Woche in Iowa, wo der frühere Gouverneur von Massachusetts nur acht Stimmen vor dem christlich-konservativen Ex-Senator Rick Santorum landete.

Romneys Wahlkampfmaschine walzt bislang ungebremst der Nominierung entgegen. Meinungsforscher sehen Romney in New Hampshire etwa 20 Prozentpunkte vor seinen Mitbewerbern. Und die reagieren deshalb zunehmend aggressiv. Wie waidwunde Tiere schlagen sie um sich, in der Hoffnung, einen Glückstreffer zu landen, vielleicht doch noch die entscheidende Schwachstelle bei Romney zu finden. Bei zwei Fernsehdebatten am Wochenende gelang ihnen das nicht.

Vor allem Newt Gingrich, den Romneys Wahlkämpfer mit einer Salve negativer TV-Spots um seine guten Umfragewerte gebracht hatten, griff den Ex-Gouverneur scharf an. Der frühere Chef des Repräsentantenhauses hackte auf der eher liberalen politischen Vergangenheit seines Kontrahenten herum und mokierte sich über Romneys Beteuerung, kein Berufspolitiker zu sein. Als sich Romney gegen die Kritik an seiner politischen Karriere wehrte, erwiderte Gingrich: "Können wir mit dem frommen Quatsch aufhören?" Romney sei abgehoben, müsse erst einmal auf Augenhöhe mit dem amerikanischen Volk kommen.

Außerdem zweifelten die Gegner Romneys die konservative Haltung des Multimillionärs an und betonten gebetsmühlenartig, dass Romney wenig Chancen habe, die Wahl gegen US-Präsident Barack Obama im November zu gewinnen.

Doch all das überstrahlt der Favorit mit seinem stählernen, unverwüstlichen Lächeln. Romney lässt die Tiraden abprallen, arbeitet seine Botschaften ab, in deren Zentrum seine Erfahrung als Geschäftsmann steht, mit der er die US-Wirtschaft wieder auf Trab bringen will. Seine Vergangenheit könnte ihm allerdings auch noch gefährlich werden. Seine Vergangenheit als Gründer von Bain Capital Management, einer Venture Capital Firma, die unter anderem angeschlagene Firmen aufkaufte, um sie später, zerschlagen und wohl einige Male auch nach einem radikalen Personalabbau, renditeträchtig weiterzuveräußern. Heuschrecken, werden solche Firmen auch abfällig genannt. Dass dieses Motto "Mitt kills Jobs" den Weg in die Köpfe der Amerikaner finden könnte und sich von dort nicht mehr vertreiben lässt - davor hat Romney Angst.

Der 64-Jährige gibt sich bei Auftritten deshalb nicht mehr als der Mann des Kapitals, sondern stellt sich dar als einer, der den amerikanischen Traum hat wahr werden lassen: "from rags to riches", so nennen sie das in den USA, von Lumpen zu Reichtümern. Denn es ist die Basis, die sich nicht so richtig für den bisweilen roboterhaft wirkenden Mormonen begeistert. In landesweiten Umfragen scheinen seine Zustimmungswerte unter Republikanern bei 30 Prozent gedeckelt. Meist flankiert von seinen Kindern und Enkeln erzählt Romney deshalb jetzt auf Wahlkampfveranstaltungen, dass er sich selbst oft die Hände schmutzig gemacht habe, wenn es darum ging, eine Firma aufzubauen.

Sein Gegner heißt: Barack Obama

Dieser Gedanke erscheint allerdings zumindest verwegen, bedenkt man, dass Romney über eine Venture Capital Firma spricht. Sich die Finger mit Finanzgeschäften schmutzig zu machen, gilt gemeinhin nicht als Qualifikation, die einem die Wähler in Scharen zutreibt. Gingrich jedenfalls beschuldigte Romneys Unternehmen Bain gerade offensiv, viele Firmen geplündert zu haben, bevor sie weiterverkauft wurden. Zuvor hatte bereits die New York Times Ähnliches berichtet.

Romney erzählt dagegen unbeirrt die Erfolgsgeschichte des Einzelhändlers Staples, erzählt davon, wie Bain dem mittlerweile weltweit tätigen Unternehmen Starthilfe gab und wie er selbst in der Nacht vor der Eröffnung die Regale in der ersten Filiale befüllte. 100.000 Jobs habe er insgesamt geschaffen, während seiner Zeit bei Bain, behauptet Romney in Endlosschleife. Die Leute des amtierenden Präsidenten Barack Obama halten dagegen: "Dafür gibt es keine Beweise."

Doch Romney nimmt den Präsidenten schon jetzt ins Visier - als seinen potentiellen Kontrahenten bei der Präsidentschaftswahl. Auf den Ringkampf mit seinen republikanischen Mitbewerbern lässt er sich gar nicht mehr ein. Sein Gegner heißt: Barack Obama.

Santorum in New Hampshire ausgebuht

Ein Bewerber, der Romney stoppen könnte, ist derzeit tatsächlich nicht in Sicht: Im ländlich-konservativen Iowa wandte sich vor allem die religiöse Rechte Rick Santorum zu, der gerne über seinen Draht zu Gott plaudert und traditionelle Familienwerte hochhält. Im liberaleren New Hampshire kommt das weniger gut an: Als Santorum bei einem Auftritt in der Stadt Concord die Homo-Ehe mit Polygamie auf eine Stufe stellte, wurde er ausgebuht. In Umfragen legte der Ex-Senator zwar zu, kam im Schnitt aber nur auf etwa zehn Prozent.

Tea-Party-Ikone Michele Bachmann hat das Handtuch geworfen. Ron Paul verfügt über eine treue Anhängerschaft, seine Vision vom Minimalstaat gilt aber als zu extrem. Dem moderaten Jon Huntsman, der Iowa ausließ und alle Hoffnungen auf New Hampshire setzt, geben Meinungsforscher kaum eine Chance. Der texanische Gouverneur Rick Perry - abgeschlagen. Auch bei Umfragen für die Vorwahlen in South Carolina am 21. Januar liegt Romney mittlerweile vorne. Das Rennen könnte entschieden sein, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Es sei denn, die Sprechchöre werden so laut, dass sich "Mitty kills jobs" bald nicht mehr so einfach wegglächeln lässt.

(Mit Material von AFP)

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