US-Vorwahl der Demokraten:Clinton umwirbt Frauen und Schwarze

  • In der TV-Debatte der Demokraten präsentiert sich Hillary Clinton als erfahrene Politikerin: "Sie wählen nicht nur einen Präsidenten, sondern auch einen Oberbefehlshaber."
  • Die Ex-Außenministerin rückt ganz nah an Präsident Obama heran - sie braucht einen Sieg in South Carolina, wo viele Afroamerikaner leben.
  • Ihr Rivale Bernie Sanders verspricht Schwarzen und Latinos, dass sie von seiner "politischen Revolution" besonders profitieren würden.

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Es ist eine Frage, die kommen musste. "In New Hampshire haben 55 Prozent der Wählerinnen für Senator Sanders gestimmt. Was übersehen die Frauen bei Ihnen?" Hillary Clinton ist vorbereitet und sagt: "Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben dafür gekämpft, dass Frauen die Möglichkeiten bekommen, selbst ihre Entscheidungen treffen zu können - sogar wenn sie sich gegen mich entscheiden."

Die ehemalige Außenministerin betont danach, dass sie die US-Amerikaner nicht um ihre Stimmen bitte, weil sie eine Frau sei, sondern weil sie sich für "die kompetenteste Person für das Amt" entscheiden sollten. Und weil die PBS-Journalistinnen Gwen Ifill und Judy Woodruff die Diskussion moderieren, ist Clintons Spruch sehr passend: "Wir hatten bisher ungefähr 200 TV-Debatten im US-Vorwahlkampf und heute stellen zum ersten Mal die Frauen die Mehrheit auf der Bühne."

Zwei Tage nach dem laut CNN "Erdbeben von New Hampshire" (Bernie Sanders erhielt 60 Prozent der Stimmen) gibt sich Clinton in Milwaukee kontrolliert und konzentriert. Anders als im letzten Rededuell der Demokraten wirft sie dem Senator aus Vermont nicht mehr eine "kunstvolle Schmutzkampagne" vor, sondern gibt ruhig die erfahrene Realpolitikerin.

Clinton rückt nah an Präsident Obama heran

"Ich bin keine single issue-Kandidatin, weil es in unserem Land nicht nur um ein Thema geht", sagt Clinton. Sie weiß, dass sie als Gattin eines Ex-Präsidenten die Wut vieler Amerikaner auf die Wall-Street-Banken und den Einfluss von Großspendern auf die US-Politik nicht annähernd so gut verkörpern kann wie Sanders. Aber sie wirbt beharrlich mit ihrer Erfahrung und Detailkenntnis - und versucht, sich ganz eng an US-Präsident Barack Obama zu binden.

Das ist strategisch klug: 90 Prozent der Demokraten-Wähler finden Obama weiterhin gut. Zudem leben in den nächsten Vorwahlstaaten Nevada (20.2.) und South Carolina (27.2.) viele Latinos und Afroamerikaner. Immer wieder stichelt Clinton, dass der selbsternannte "demokratische Sozialist" den ersten schwarzen Präsidenten in der Vergangenheit mehrmals kritisiert habe - während dieser ihrem Urteil vertraut und sie zur Außenministerin gemacht habe. Sanders' Aussage, dass sich unter seiner Präsidentschaft das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen stark verbessern würde, ist ziemlich mutig - und sie dürfte von Clinton-Unterstützern in den kommenden Tagen ständig wiederholt und als Angriff auf Obama interpretiert werden.

Denn auch Sanders hat seine Botschaft ein wenig angepasst: Er verspricht, die hohen Mindeststrafen zu reduzieren, wegen derer viele Schwarze im Gefängnis landen. Er betont, dass gerade die nichtweiße Bevölkerung von höheren Mindestlöhnen und kostenlosem Studium profitieren würde. Noch immer redet der 74-Jährige am liebsten über die wachsende soziale Ungleichheit und die Tatsache, dass er keine Spenden von Konzernen annimmt.

Momentan scheint dies in Ordnung: Sanders hat sich nach zwei Vorwahlen als ernstzunehmender Kandidat etabliert - einer Mehrheit der US-Amerikaner muss er sich trotzdem erst noch vorstellen. Noch muss er nicht alle Details offenlegen und kann in außenpolitischen Fragen vor allem darauf verweisen, dass er 2002 - anders als Clinton - gegen den Irakkrieg gestimmt hat. Das Thema wühlt viele an der Basis noch immer auf, doch die Ex-Außenministerin hat recht, wenn sie sagt: "Eine Entscheidung von 2002 ist kein Plan, um den IS 2016 zu besiegen."

Clinton erinnert die Zuschauer also daran, dass diese nicht nur einen Präsidenten, sondern auch einen Oberbefehlshaber wählen. Allerdings geht es erst ab 22:20 Uhr um die nationale Sicherheit (viele Zuschauer dürften schon abgeschaltet haben) und Sanders versteht es, etwa durch eine scharfe Kritik an dem ehemaligen Außenminister Henry Kissinger ("Ich bin stolz, dass er nicht mein Freund ist") die liberale Basis bei Laune zu halten.

Mehr "wir" als "ich" bei der einstigen Favoritin

Auffällig sind zwei Punkte: Die 68-Jährige spricht einerseits über die vielen weißen Amerikaner, denen es schlecht geht ("Die Kohlearbeiter und ihre Familien fragen sich, ob unser Land sie vergessen hat") und die zu einem großen Teil nicht mehr die Demokraten wählen - sondern Donald Trump. Andererseits ist ihr Bemühen erkennbar, weniger "ich" zu sagen und die eigenen Leistungen zu betonen und stattdessen mehr an das "Wir"-Gefühl zu appellieren. Das lässt darauf schließen, dass Clinton ihre Botschaft verändern und sich der aktuellen Proteststimmung anpassen will.

Insgesamt verläuft die Debatte meist sachlich und nach dem bekannten Kontrast: Bernie "politische Revolution" Sanders gegen Hillary "langsamer Fortschritt" Clinton. Beide stimmen in vielem überein, etwa dass US-Muslime nicht dämonisiert werden dürfen und jeder Republikaner-Kandidat Obamas Erbe zerstören würde. Sanders muss jedoch aufpassen, dass er mit seiner Kritik an seiner Konkurrentin nicht zu überheblich ("Die Leute sind doch nicht dumm") wirkt.

Doch er bekam einige Lacher, als er das aussprach, was vor wenigen Monaten noch viele für unmöglich hielte: Hillary Clinton hat die Nominierung längst nicht sicher - und sie ist "noch nicht im Weißen Haus".

Linktipp: Das mit Kommentaren versehene Transkript der Debatte können Sie bei der Washington Post nachlesen.

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