US-Vorwahl:Clinton siegt überzeugend - und überzeugt doch nicht

Die Ex-Außenministerin steht quasi als Kandidatin der Demokraten fest. Doch sie hat weiter ein Problem: Viele Wähler mögen sie nicht.

Kommentar von Matthias Kolb, Washington

Mit ihrem deutlichen Sieg in New York nimmt Hillary Clinton eine Riesenhürde auf ihrem Weg, als erste Frau zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten nominiert zu werden. (Eine Auflistung aller bisherigen Präsidentschaftsbewerberinnen kleinerer Parteien finden Sie hier.) Wenn kein Wunder geschieht, dann steht ihr Name auf den Wahlzetteln am 8. November. "This one is personal", rief die Demokratin auf der Wahlparty ihren Anhängern in Manhattan zu. Alle können und sollen sehen, dass es ihr persönlich wichtig war, jenen Staat zu gewinnen, den sie acht Jahre im Senat vertreten hat und als Heimat betrachtet.

Dass die 68-Jährige eine große persönliche Genugtuung empfindet, liegt auch daran, dass sie ihren Rivalen Bernie Sanders auf Distanz halten konnte. Der Senator aus Vermont hatte nicht nur mehr Geld für TV-Werbung ausgegeben und war von Zehntausenden New Yorkern bejubelt worden: Der "demokratische Sozialist" hatte Clinton persönlich sehr hart attackiert. Trotz allem ist die nächste Stufe der "politischen Revolution" ausgeblieben, weil Sanders weiterhin nicht genügend Unterstützung unter Latinos und Schwarzen findet. Seine Fans hofften - ähnlich wie in Michigan - auf fehlerhafte Umfragen und wurden bitter enttäuscht.

Clintons nächster Gegner: Donald Trump

In ihrer kämpferischen Siegesrede wandte sich Clinton dem anderen New Yorker zu, der einen Heimsieg feiern konnte: Rhetorik und Vorschläge von Donald Trump seien gefährlich und unamerikanisch. Dessen Einzug ins Weiße Haus gelte es zu verhindern. Entsprechend streckt sie den Bernie-Unterstützern die Hand entgegen: "Es gibt viel mehr, das uns vereint, als das uns trennt."

Doch bisher spricht wenig dafür, dass die Sanders-Fans die tiefsitzende Skepsis gegenüber der Ex-Außenministerin ablegen, die als Symbol eines korrupten Politik-Betriebs angesehen wird. Auch in New York zeigten die Millennials Clinton die kalte Schulter: Mehr als zwei Drittel der unter 30-Jährigen stimmten für den "demokratischen Sozialisten" Sanders. Der macht keine Anstalten, aus dem Rennen auszusteigen - ihm geht es weniger ums eigene Ego als darum, seine Themen (soziale Ungleichheit, Wahlkampffinanzierung, höherer Mindestlohn) vor einem möglichst großen Publikum zu debattieren.

Ex-Außenministerin ist und bleibt sehr unpopulär

Fraglos hat Sanders mit seinem Erfolg seine Gegnerin zu einer besseren Kandidatin gemacht: Clintons Reden sind besser geworden, sie spricht mehr von "wir" als von "ich". Nun muss es ihr gelingen, die Bernie-Fans von sich zu überzeugen - oder den Senator selbst dazu zu bringen, seinen Ton zu mäßigen und bald mit ihr zusammenzuarbeiten.

Denn unter den US-Amerikanern ist die 68-Jährige weiterhin sehr unbeliebt und polarisiert enorm. 58 Prozent gaben in einer aktuellen Umfrage an, dass sie sich nicht vorstellen können, die Ex-Außenministerin zu unterstützen. Selbst wenn man das ohnehin enorme Misstrauen der US-Bürger gegenüber der Polit-Elite einrechnet: Dies sind katastrophale Zahlen.

Der einzige Lichtblick für das "Hillary 2016"-Lager ist, dass der Negativwert von Donald Trump mit 68 Prozent noch desaströser ist. Vieles spricht dafür, dass Trump genau der Gegner ist, denn die Demokratin braucht, um ein wenig Begeisterung zu entfachen. Und sei es nur, um zu verhindern, dass der frauen- und fremdenfeindliche Skandal-Milliardär Nachfolger von Barack Obama wird.

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