US-Supreme Court:Trumps Wunschkandidat: konservativ, aber auch ein Extremist?

Brett Kavanaugh soll der nächste Richter am Obersten Gericht der USA werden. Die Republikaner hoffen, dass ihn auch einige Demokraten stützen.

Porträt von Thorsten Denkler, New York

Als US-Präsident Donald Trump seinen Namen preisgibt, kommt Brett Kavanaugh, 53, mit seiner Frau Ashley und seinen beiden Töchtern Margaret und Liza aus einer Seitentür im East Room des Weißen Hauses auf das Podest. Trump hat ihn gerade als seinen Kandidaten für den Supreme Court benannt, das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten. Kavanaugh ist offensichtlich aufgeregt. Er hat ganz rote Wangen, immer wieder tätschelt er seiner jüngsten Tochter die Schulter, als müsse er ihr Mut zusprechen. Dabei bräuchte er wohl jemanden, der ihm Mut zuspricht. Trump hatte ihn gerade als den besten Kandidaten für das höchste Richteramt gelobpreist, den das Land zu bieten habe.

Wenn Kavanaugh klug ist, dann wird er wissen, dass er auf die Übertreibung von Trump nichts geben kann. Und er wird wissen, dass ihm im kommenden Nominierungsverfahren vor dem Senat ein scharfer Wind entgegenblasen wird. Kavanaugh wird, geht es nach Trump, den zum Ende des Monats in den Ruhestand gehenden Richter Anthony Kennedy ersetzen.

Wie Kavanaugh war Kennedy ein konservativer Richter, einst nominiert von Präsident Ronald Reagan. In sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen aber war Kennedy für viele Republikaner eine einzige Enttäuschung. Kennedy war ein "swing vote", einer, der mal mit der republikanischen und mal mit der demokratischen Seite des neunköpfigen Supreme Court gestimmt hat.

Ging die Entscheidung fünf zu vier oder vier zu fünf aus, war es meist Kennedys Stimme, die den Ausschlag gegeben hat. Ohne Kennedy gäbe es in den USA bis heute nicht das allgemeine Recht für Homosexuelle, heiraten zu dürfen. Ohne ihn hätten Abtreibungsgegner vor dem Supreme Court einen Sieg nach dem anderen feiern können.

Die große Sorge ist, dass Trumps Kandidat jetzt helfen könnte, diese über Jahrzehnte erkämpften Rechte wieder rückgängig zu machen. Es gibt erste Prognosen, dass in wenigen Jahren Abtreibung in mehr als einem Dutzend Bundestaaten wieder generell verboten sein könnte.

Kavanaughs Bilanz ist makellos

In einer der Fernsehdebatten vor der Wahl sagte Trump, er werde als Präsident selbstverständlich Kandidaten für den Supreme Court benennen, die "pro life" seien, für das Leben. Was die konservative Umschreibung eines Abtreibungsgegners ist. Daraus folge - wie Trump sagt - "automatisch", dass die Bundesstaaten in nicht allzu ferner Zukunft wieder alleine entscheiden könnten, ob sie ein generelles Abtreibungsverbot aussprechen wollen. Das hatte ihnen der Supreme Court in der Entscheidung "Roe vs. Wade" von 1973 verboten. Das Recht auf Abtreibung müsse in jedem Bundestaat garantiert werden. Kavanaugh wird in den Anhörungen vor dem Senat vor allem gegen das Vorurteil der Demokraten ankämpfen müssen, dass er sich an Trumps Wahlversprechen gebunden fühlen könnte.

Fachlich besteht kein Zweifel an Kavanaugh. Er arbeitet seit zwölf Jahren am Bundesberufungsgericht in Washington D.C. Seine Bilanz ist makellos. Mehrere seiner Entscheidungen sind später vom Supreme Court übernommen worden. Er hat Recht an der Yale University studiert und schloss als Klassenbester ab. Sein Wissen gibt er als Gastdozent an den besten Universitäten des Landes weiter, in Yale, Harvard und der Georgetown University in Washington.

Aber es gibt ein Leben davor. Eines, das den Demokraten im Senat sauer aufstoßen dürfte. Kavanaugh war ein Schützling von Kenneth Starr, der als Sonderermittler ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton empfahl. Clinton hatte geleugnet, seine Machtpositionen gegenüber der Praktikantin Monica Lewinsky sexuell ausgenutzt zu haben. Kavanaugh hatte an der Empfehlung von Starr mitgearbeitet.

Er gilt zudem als glühender Verehrer von George W. Bush, für den er im Weißen Haus gearbeitet hat. Und dessen persönliche Sekretärin er geheiratet hat. Kavanaugh gehörte zu dem Anwalts-Team, das Bush in den Wirren um die Präsidentschaftswahl 2000 vor dem Supreme Court gegen den demokratischen Herausforderer Al Gore vertrat. Gore hatte eine Neuauszählung der Stimmen in Florida verlangt. Hätte der Supreme Court dem zugestimmt, dann wäre womöglich Al Gore Präsident geworden.

Bush belohnte Kavanaugh mit einem Posten als Richter am mächtigen Washingtoner Berufungsgericht, das auch alle wichtigen politischen Fälle behandelt. Das damalige Nominierungsverfahren aber war ein Spießrutenlaufen für Kavanaugh. Es zog sich von 2003 an über drei Jahre hin. Die Demokraten fanden, dass ein derart enger Mitarbeiter Bushs zu parteiisch für den Posten sei.

Das Nominierungsverfahren wird diesmal schneller gehen

Kavanaugh scheint zu hoffen, dass er auch Stimmen der Demokraten bekommen kann. In seiner kurzen Rede berichtet er davon, wie seine Mutter ihn lehrte, wie wichtig Gleichheit vor dem Gesetz sei. Seine Mutter hatte lange an einer von Afroamerikanern geprägten Schule in Washington D.C. unterrichtet. Und er erklärt, dass die Unabhängigkeit der Justiz zu den Kronjuwelen des Verfassungsstaates USA gehöre, zeigt sich geehrt von der Tatsache, Richter Kennedy beerben zu dürfen, für den er auch schon gearbeitet hat und den er wohl als einen Mentor sieht.

Außerdem hilft er in seiner Kirchengemeinde regelmäßig an der Essensausgabe für Obdachlose mit. Und berichtet, die Basketballmannschaften seiner beiden Töchter zu trainieren. Seine Töchter stellt er so vor: Margaret liebe Sport und lese viel. Elisabeth, die er "Liza" nennt, liebe Sport und rede viel. Was für ein paar Lacher im East Room sorgt. Am Ende dankt der Katholik Gott für seine Familie. Die Botschaft an die Demokraten ist klar. Ja, er ist ein Konservativer. Aber er ist kein Monster, nur weil Trump ihn nominiert hat. Mit anderen Worten: Er ist wählbar.

An seiner Bestätigung gibt es ohnehin kaum einen Zweifel. Auch wenn die Mehrheit der Republikaner im Senat denkbar knapp ist. Wenn der schwerkranke Senator John McCain im Herbst nicht dabei sein kann, dann hängt es an einer Stimme. Zwei Senatorinnen der Republikaner hatten im Vorfeld angedroht, sich sehr genau zu überlegen, ob sie einem Kandidaten ihre Stimme geben können, der etwa das Abtreibungsrecht grundsätzlich in Frage stellt. Lisa Murkowski aus Alaska und Susan Collins aus Maine. Kavanaugh aber dürfte für beide ein akzeptabler Kompromiss sein.

Tatsächlich könnten sogar einige demokratische Senatoren am Ende für Kavanaugh stimmen. Zumal dann, wenn sie aus eher konservativen Bundesstaaten kommen, wo die Ablehnung eines ehrbaren republikanischen Richters nicht gut ankommen dürfte. Sie müssten sich nicht einmal dafür verbiegen. Für die Befürchtung etwa, Kavanaugh könnte das Abtreibungsrecht oder das Recht auf Ehe für alle abschaffen wollen, gibt seine Biografie keinen Hinweis her. In seiner Anhörung 2006 hat er vor dem Senat sogar erklärt, für ihn seien frühere Entscheidungen des Supreme Court bindend. Also auch die Entscheidung, dass es kein generelles Abtreibungsverbot geben dürfe. Als Richter am Washingtoner Berufungsgericht war er allerdings auch nicht in der Position, Entscheidungen des Supreme Court abändern zu können. Wird er als Richter am Obersten Gericht bestätigt, sähe das anders aus.

Trump kommt damit seinem Ziel näher, den Supreme Court auf Jahrzehnte zu einer konservativen Bastion zu machen. Die Richter werden auf Lebenszeit benannt. Kavanaugh ist 53 Jahre alt, er kann gut und gerne 30 und ein paar mehr Jahre im Amt bleiben. Gleiches gilt für Neil Gorsuch, den Trump im vergangen Jahr durchgesetzt hat. Gorsuch ist erst 50 Jahre alt.

Trump spielt in die Hände, dass die ältesten Richter am Supreme Court allesamt demokratisch gesinnt sind. Darunter Ruth Bader Ginsburg. Sie ist 85 Jahre alt. Oder Stephen Breyer, der im August 80 wird. Beide sollen angeblich bereit sein, solange wie möglich durchzuhalten. Wenn das nicht klappt, bekommt Trump die Chance, zwei weitere Richter zu benennen. Sollte die republikanische Mehrheit im Senat dann komfortabler sein als jetzt, kann er Richter vom ganz rechten Rand in den Supreme Court berufen. Und die Vereinigten Staaten damit tiefgreifender verändern, als mit seiner Präsidentschaft allein.

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