US-Strategie für Nahost:Fatah belohnen, Hamas bestrafen

Die USA wollen die Spaltung der Palästinenser nutzen, um die prowestlichen Strömungen in Nahost zu stärken. Sie wissen sich darin einig mit Israel.

Der Startschuss im Rennen um die Zukunft der Palästinenser ist gefallen. Wenn es nach dem Willen der USA geht, sollen zwei politische Systeme in den Wettstreit treten: der militante Islamismus unter dem Banner der extremistischen Hamas im Gazastreifen gegen den prowestlichen Nationalismus der Fatah im Westjordanland.

Rice; Abbas

USA unterstützen gemäßigte Palästinenser: Bereits bei einem Treffen im Januar zeigten US-Außenministerin Rice Palästinenser-Präsident Abbas freundschaftliche Gesten

(Foto: Foto: dpa)

Die Unterstützung der gemäßigten Notstandsregierung von Abbas und das weitere Vorgehen im Gazastreifen dürften auch im Mittelpunkt der Gespräche zwischen US-Präsident Bush und dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert stehen, die heute in Washington zusammentreffen.

Die USA ergreifen offen Partei für die Fatah von Abbas. Mit Geld und Knowhow wollen sie Abbas' Westjordanland als Gegenmodell zum verarmten Gazastreifen hochpäppeln. "Die Palästinenser stehen vor einer Richtungsentscheidung", sagt US-Außenministerin Condoleezza Rice.

Die USA verstehen die Krise um den palästinensischen Bruderkampf als Chance und wissen sich dabei mit Israel und den Europäern einig. Sie verfolgen eine Doppelstrategie: Nach mehr als 15 Monaten hoben die USA ihren Boykott der palästinensischen Regierung auf - jedenfalls zur Hälfte.

Die von Abbas eingesetzte Notstandsregierung erhält Geld aus Washington, während die Hamas in ihrer Hochburg Gaza ausgehungert und entschärft werden soll. Rice lockt mit "besseren Straßen und sauberem Trinkwasser".

Bittere Note des vermeintlichen Triumphs

Auch die EU will der neuen Regierung anders als ihrer Hamas-geführten Vorgängerin Geld überweisen, Israel ebenso. Es geht in der Summe um Hunderte Millionen Dollar.

Für die Hamas dürfte die als Triumph gefeierte Vertreibung der Fatah aus dem Gazastreifen bald eine bittere Note bekommen. Etwa anderthalb Milionen Menschen leben weitgehend isoliert auf dem Ödland am Ostufer des Mittelmeers. Nur etwa 360 Quadratkilometer misst der Gazastreifen, nicht einmal halb soviel wie Hamburg.

So trostlos ist die Lage nach einem Jahr Boykott, dass etwa 80 Prozent der Bewohner auf Hilfe von außen angewiesen sind. Für sie ist die jüngste Wendung ein weiteres Kapitel in ihrer endlosen Leidensgeschichte. Die Grenzen sind zu, das Gebiet gleicht zunehmend einem Haftlager. Der Zorn der Menschen wird sich früher oder später gegen die Hamas richten, kalkulieren die USA.

Lange war es das Schicksal der Palästinenser, ein Volk ohne Staat zu sein. Nun sind sie bis auf weiteres ein Volk mit zwei Staaten. Mit ihrer Unterstützung der Fatah erkennen die USA die Spaltung an, obwohl sie am Ziel eines einheitlichen Staates festhalten.

"Niemand will die Hunderttausenden Menschen im Gazastreifen aufgeben und der Gnade einer terroristischen Vereinigung aussetzen", erklärt Rices Sprecher Sean McCormack das Dilemma. "Aber wir müssen gewisse Realitäten berücksichtigen."

Seltene Eintracht

Durch den Boykott der Hamas-Regierung hatten die USA in den Palästinensergebieten an Einfluss eingebüßt. Ihre Unterstützung für die Fatah im Westjordanland gibt Washington nun wieder einen wirkungsvollen Machthebel.

Hinter der unausgesprochenen US-Devise "Westjordanland zuerst" versammeln sich Israel und die Palästinenser um Abbas in seltener Eintracht. Auf seinem Flug in die USA, wo am Dienstag ein Treffen mit Präsident George W. Bush ansteht, sagte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert: "Eine solche Gelegenheit hatten wir schon lange nicht mehr."

Olmert will die Krise nutzen, um einen Separatfrieden mit der Fatah im Westjordanland abzuschließen. Er bietet Abbas Gespräche an, will die Lebensbedingungen im Westjordanland verbessern und erwägt, der neuen Regierung gut 600 Millionen Dollar an bislang gesperrten Zolleinnahmen auszuzahlen.

Das Westjordanland als Schaufenster des Fortschritts für die Palästinenser: Die Strategie ist nicht ohne Risiko. Unter dem Druck der internationalen Isolierung könnte der Gazastreifen ein zunehmend radikalisierter islamistischer Zwergstaat an Israels Grenze werden.

Um das Leiden der Zivilbevölkerung zu lindern, kündigte die US-Außenministerin 40 Millionen Dollar Hilfsgelder an das UN-Hilfswerk für den Gazastreifen an. Ob die Doppelstrategie im Sinne der USA aufgehen wird, ist offen. "Die Hamas hat ihre Wahl getroffen", sagt Rice. "Nun müssen die Vernünftigen unter den Palästinensern sich entscheiden."

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