US-Sonderermittler:Muellers neue Fährte

Schwere Vorwürfe gegen ehemalige europäische Spitzenpolitiker: Sie sollen Geld von einem Lobbyisten erhalten haben, um eine proukrainische Position zu vertreten.

Mehrere ehemalige europäische Spitzenpolitiker haben sich gegen den Verdacht gewehrt, vom amerikanischen Lobbyisten Paul Manafort Geld genommen zu haben, um damit die Ukraine zu einem europäischen Kurs zu bewegen. In einer 31-seitigen Anklageschrift wirft US-Sonderermittler Robert Mueller dem ehemaligen Wahlkampfmanager von Donald Trump vor, in den Jahren 2012 und 2013 einer sogenannten Habsburg-Gruppe über Offshore-Konten zwei Millionen Dollar gezahlt zu haben, damit diese "für die Ukraine günstige Positionen" vertreten. Die Gruppe soll von einem ehemaligen "European chancellor" geleitet worden sein. Ein Name wurde nicht genannt, die New York Times spekulierte jedoch über Österreichs Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, Italiens früheren Premier Romano Prodi und Polens ehemaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski.

Ukrainischer Präsident war zu jener Zeit Viktor Janukowitsch von der Partei der Regionen, der seit seiner Flucht aus der Ukraine in Russland lebt, damals jedoch schwankte zwischen einem nach Moskau orientierten und einem europäischen Kurs. Nachdem Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union ausgehandelt hatte, ließ er dies kurz vor der Unterzeichnung noch scheitern und schlug sich auf Russlands Seite. Setzten sich also europäische Politiker gegen Geld eines Lobbyisten für die Ukraine unter Janukowitsch ein?

Prodi, ehemaliger Präsident der EU-Kommission, sagte der New York Times, dass er gemeinsam mit Gusenbauer versucht habe, die Ukraine näher an die EU heranzuführen. Eine Gruppe von Experten und früheren Politikern habe sich mehrmals auf Konferenzen getroffen. Aber sie habe sich aufgelöst, nachdem klar geworden sei, dass ein engeres Verhältnis der Ukraine mit der EU unmöglich geworden sei. Gebühren, die er von Gusenbauer erhalten habe, seien seines Wissens nach jedoch nicht von Manafort oder anderen "externen Ressourcen" gekommen.

Auch Kwasniewski wies die Vorwürfe zurück. Er habe Manafort zwar mehrmals während Ukraine-Reisen in den Jahren 2012 und 2013 getroffen, da dieser damals ein Berater der Janukowitsch-Regierung war. Er habe jedoch nie "eine finanzielle Beziehung zu ihm gehabt und auch nie etwas von einer Habsburg-Gruppe gehört", sagte er der New York Times. Österreichs Ex-Kanzler Gusenbauer wies den Bericht Muellers zurück. "Ich habe niemals für Herrn Janukowitsch oder die Partei der Regionen Aktivitäten gesetzt", sagte er der österreichischen Nachrichtenagentur Apa. Er habe sich dafür eingesetzt, dass die EU ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abschließt. Als darauf jedoch keine Aussichten mehr bestanden, habe er seine Bemühungen beendet.

US-Sonderermittler Mueller überprüft derzeit, ob es vor der Präsidentenwahl zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland Absprachen gegeben hat. Dabei kamen auch die neuen Vorwürfe gegen Manafort ans Licht, ausgelöst durch Aussagen von Manaforts früherem Geschäftspartner Rick Gates. Die neue Anklage in Sachen Ukraine hat allerdings keinen unmittelbaren Bezug zu Muellers Russland-Ermittlungen.

Der ukrainische Abgeordnete Serhij Leschtschenko sagte der Nachrichtenagentur AP, er habe die Informationen über Gusenbauer in einem Register zu nicht öffentlich deklarierten Zahlungen von Janukowitsch an Manafort gesehen. "Ich erinnere mich nicht an den Namen, aber ich erinnere mich an den Posten", sagte er. Nach Ansicht Leschtschenkos hat Gusenbauer sich nach Janukowitschs Amtsantritt für die Interessen der Ukraine stark gemacht. "Ich glaube wirklich, dass Manafort Geld an ehemals führende europäische Politiker gezahlt hat, um Janukowitschs Reputation in Europa reinzuwaschen", sagte Leschtschenko.

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