US-Rückzug aus Afghanistan:Obama, der Hindukusch und der Rest der Welt

US-Präsident Barack Obama will bis zum Sommer kommenden Jahres 33.000 seiner Soldaten aus Afghanistan abziehen. Bereits dieses Jahr sollen 10.000 Soldaten vom Hindukusch den Weg in die Heimat antreten. Mit seiner Rede an die Nation setzte er sich über seinen scheidenden obersten Afghanistan-General hinweg. Seine Entscheidung zielt auf das amerikanische Volk - und ist von einer wichtigen Erkenntnis geprägt.

Reymer Klüver, Washington

Nun wird das Ende in Afghanistan doch schneller kommen als gedacht. Ein bisschen jedenfalls. US-Präsident Barack Obama hat sich ostentativ über die Empfehlung seines kommandieren Generals hinweg gesetzt (der ihm ohnehin bald in einer anderen Funktion dienen wird - David Petraeus wird neuer CIA-Chef): Er hat den Abzug der 30.000 Soldaten, die er im Dezember 2009 zur Verstärkung nach Afghanistan beordert hatte, bis zum September 2012 angeordnet. Die Militärs wollten Ende des Jahres, also den Großteil der Kampftruppen noch den gesamten Sommer 2012 über einsetzten können. Das werden sie nun nur noch bedingt können.

US-Rückzug aus Afghanistan: Ab in die Heimat: US-Soldaten im Osten Afghanistans werden über die Rede ihres Präsidenten unterrichtet

Ab in die Heimat: US-Soldaten im Osten Afghanistans werden über die Rede ihres Präsidenten unterrichtet

(Foto: AFP)

Obama stand vor einer verwickelten Herausforderung: Er musste seinem zusehends kriegsmüden Land beweisen, dass es tatsächlich einen Weg hinaus gibt aus dem längsten Kampf, den Amerika je gefochten hat. Den Generälen musste er zeigen, dass er zwar auf ihren Rat hört und ihnen Truppen zur Verfügung stellt, aber nicht in dem Umfang, wie sie gehofft hatten. Er wollte den Eindruck vermeiden, dass er sich wie vor zwei Jahren von ihnen in eine strategische Entscheidung (die enorme Truppenverstärkung) hinein boxen lässt.

Und zugleich durfte er nicht den Anschein erwecken, dass er aus reinem innenpolitischem Kalkül vor der Präsidentschaftswahl im Herbst 2012 das Momentum gefährden würde, das die US-Truppen zurzeit in Afghanistan zweifellos haben. Nur aus der Position der Stärke heraus kann es die dringend nötige politische Lösung des Konflikts in Afghanistan geben.

Eine innenpolitisch motivierte Rede

Alles in allem aber war es eine innenpolitisch motivierte Rede. Sie sollte den Amerikanern eines signalisieren: Es gibt ein Licht am Ende des Tunnel. Die USA können sich den Krieg finanziell nicht mehr leisten. Zehn Milliarden Dollar im Monat weitgehend auf Pump kann auch die größte Volkswirtschaft auf dem Globus auf Dauer nicht stemmen.

Doch steht noch eine ganz andere Erkenntnis hinter dem Abzugsplan: Afghanistan darf nicht länger Schlüssel für die strategischen Entscheidungen der Weltmacht sein. Die Vereinigten Staaten können es sich strategisch nicht erlauben, ihre Ressourcen auf den Hindukusch zu konzentrieren. Der islamistische Terror, der ein Jahrzehnt lang die Kräfte Amerikas über Gebühr strapaziert hat, ist mitnichten die große strategische Herausforderung der USA im 21. Jahrhundert. Die liegt woanders. In Asien.

Zugleich hat Obama indes implizit auch für den Rest der Welt ein Signal gegeben: Der Abzug aus Afghanistan beginnt nach diesem Sommer, für alle. Auch für die Nato-Partner. Auch für Deutschland.

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