US-Republikaner gegen "New York Times":Santorum beschimpft Reporter - und wird dafür gefeiert

Wutausbruch vor laufender Kamera: Rick Santorum hat einem renommierten "Times"-Journalisten vorgeworfen, ihm die Worte im Mund herumzudrehen. Es folgte ein derbes Schimpfwort und eine Debatte über den Charakter des Republikaners. Santorum versucht nun den Vorfall für sich zu nutzen - und bekommt Lob von Sarah Palin.

Matthias Kolb, Washington

Für Rick Santorum war es ein normaler Wahlkampfauftritt. In Wisconsin zeigte er sich als "wahre konservative Alternative" zu Mitt Romney. Sein Konkurrent sei der "schlechteste Republikaner des Landes, um Obama herauszufordern", da er eine ähnliche Gesundheitsreform eingeführt habe. Als ein Journalist Santorum anschließend eine provokante Frage stellte, verlor der Republikaner vor laufender Kamera die Contenance. Entschuldigt hat sich Santorum bisher nicht - er versucht den Vorfall stattdessen zu seinen Gunsten zu nutzen.

Santorum wirft Jeff Zeleny, einem angesehenen Journalisten der New York Times vor, seine Worte bewusst falsch zu interpretieren und damit zu lügen. Es sei "Bullshit", was der Reporter mache, schleuderte er dem Journalisten entgegen. Einen Tag später erklärte Santorum im CNN-Interview, dass er zu seiner Aussage stehe.

Wie im Video zu hören ist, sagte Zeleny zu Santorum: "Sie haben Mitt Romney 'den schlimmsten Republikaner des Landes' genannt. Ist das wahr?" In einer E-Mail an den Blogger Dylan Byers erklärte Zeleny den Hintergedanken seiner Frage: Er spitze gern zu, um zu sehen, wie die Politiker reagierten und welche Worte sie wählten, um Zeit zu gewinnen, während sie nach einer Antwort suchten. Zeleny weiter: "Meiner Ansicht nach ist die Antwort die News und nicht die Frage. Ich habe sie gestellt, um zu sehen, wie der Kandidat in diesem kritischen Moment der Kampagne reagiert."

Attacken kommen immer an

Rick Santorum und seine Berater brauchten nicht lange, um den Zwischenfall für die Kampagne des Underdogs zu nutzen - der Anlass wurde zum Aufhänger für eine E-Mail, mit der der siebenfache Vater bei seinen Anhängern um Spenden warb. Exzessive Medienkritik ist eine Lieblingsbeschäftigung der republikanischen Präsidentschaftsbewerber und Newt Gingrich legte im Januar - lange ist es her - mit einer furiosen Attacke gegen CNN-Moderator John King den Grundstein für seinen Vorwahlsieg in South Carolina.

Bei townhall meetings gehören Sticker und Pappschilder mit der Aufschrift "Don't believe the liberal media", deren Anblick mich und andere europäische Korrespondenten ebenso amüsiert wie erschreckt, zur Grundausstattung der Parteibasis. Bei den eingefleischten Republikanern kommen Attacken auf die "liberalen Mainstream-Medien" immer an.

Bei Fox News, dem jeglicher Liberalität unverdächtigen Haussender der Republikaner, scherzte Santorum: "Wenn du während eines Wahlkampfs keinen Reporter der New York Times beschimpft hast, dann bist du kein echter Republikaner." Unterstützt wird Santorum von Sarah Palin, der früheren Vizepräsidentschaftskandidatin und heutigen Fox-News-Ikone: Von ihrem Wohnzimmer in Alaska aus lobte sie den 53-Jährigen und forderte ihn auf, ja nicht nachzugeben. Als sie Santorums Antwort hörte, habe sie gedacht: "Willkommen in meiner Welt, Rick. Gut gemacht." Das Wortgefecht habe Rick Santorums Charakter offengelegt, schwärmte die Ex-Gouverneurin.

"Er ist emotional und provoziert gern"

Ähnlich, wenn auch weniger schwärmerisch, sieht das G. Terry Madonna vom Franklin and Marshall College in Lancaster, der den früheren Senator aus Pennsylvania seit Jahrzehnten kennt. "Die meisten von uns, die Santorums Karriere seit langem verfolgen, waren verblüfft, wie diszipliniert er in den vergangenen sieben oder acht Monaten war", sagte der Politikwissenschaftler der Washington Post.

Er habe sich als konservativer Familienvater und Held der Arbeiterklasse präsentiert, was bei den Amerikanern gut ankam. Doch zuletzt hätten er und die andere Santorum-Experten immer wieder altbekannte Züge entdeckt, meint G. Terry Madonna: "Er ist emotional und provoziert gern. Er ist eben wie er ist."

So hatte Santorum Obama als "Snob" bezeichnet, weil dieser alle Kinder auf Colleges schicken will und erklärt, er sei dem "Kotzen" nahe gewesen, als er die berühmte Rede von John F. Kennedy über das Verhältnis von Politik und Religion angehört habe.

Immerhin: Diese Aussage hat Santorum später bereut. Allzu lange wird es nicht dauern, bis er weiß, ob ihm seine Attacke gegen den New-York-Times-Reporter und seine späteren Sprüche bei der Parteibasis helfen: Am kommenden Dienstag finden Vorwahlen in Maryland, Wisconsin und Washington D.C. statt.

Linktipp: Der Originalbericht von Jeff Zeleny über den Wahlkampfauftritt von Rick Santorum und den anschließenden Wortwechsel ist im Wahlblog The Caucus nachzulesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: