USA:Der Wahlkampf beginnt zwischen Maisfeldern

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Hier werden die Weichen gestellt - wie schon vor vier Jahren, als Barack Obamas Wahlkampfbus in Missouri Valley, Iowa stand.

(Foto: AFP)

Alle vier Jahre werden die Menschen im ländlichen Iowa heftig umworben - weil hier das Rennen ums Weiße Haus eröffnet wird. Doch die einzige Kandidatin, die überzeugt, will offiziell gar nicht antreten.

Von Matthias Kolb, Des Moines

Seit einigen Wochen beginnt dieses politische Ritual nun wieder - das ganz große Schaulaufen, das plötzliche Glanzlicht auf einen Flecken Amerika, der sonst eher im Windschatten liegt. Spitzenpolitiker aus der fernen Hauptstadt Washington D.C. fahren über die weiten Flächen des US-Bundesstaates Iowa. Man trifft sie zwischen Maisfeldern, in Restaurants, in den Hallen der Highschools, auf Bauernmärkten.

Alle vier Jahre werden die Menschen in diesem Agrarstaat heftig umworben - schlicht deshalb, weil hier traditionell die erste Vorwahl stattfindet, die dann als erste Weichenstellung für das Rennen zum Weißen Haus dient, Signal des politischen Aufbruchs für die einen Kandidaten, Dämpfer für die anderen. Bis zur Vorwahl am 1. Februar 2016 ist es noch lange hin. Der Wahlkampf aber läuft längst.

Die Hoffnungsträgerin

Als Veronica Tessler zum ersten Mal einen Auftritt von Barack Obama sah, "da spürte ich, dass er direkt zu mir spricht". Es war September 2007, der junge Kandidat Obama war nach Iowa gekommen, wo er demütig und fleißig ganze 89 Tage verbrachte, wie sich die heute 29-Jährige erinnert.

Hier begann Obamas Erfolgsgeschichte: Er kam als Außenseiter, als Underdog im Rennen um die Nominierung der Demokraten, und er ging als Sieger vom Platz. Es war der Beweis, dass er nicht nur die Internet-Generation begeistern, sondern tatsächlich Wahlen gewinnen konnte. "Damit er hier gewinnt, habe ich monatelang an Türen geklopft", sagt Kessler. Heute besitzt sie zwei Cafés in der kleine Universitätsstadt Iowa City. Doch nach der Arbeit stürzt sie sich wieder in den Wahlkampf, wie damals.

"Elizabeth Warren spricht als Einzige aus, was andere Politiker verschweigen", sagt sie. "Es ist leider wahr, dass die Kluft zwischen den Reichen und den Armen wächst und Einwanderer weniger Chancen haben." Gemeinsam mit zehn anderen Aktivisten radelt sie am Samstagmorgen durch die Umgebung, um Postkarten zu verteilen - Motto: "Run Warren Run".

Es geht darum, die demokratische Senatorin dazu zu bewegen, es dem Sozialisten Bernie Sanders aus Vermont gleichzutun und Hillary Clinton im Vorwahlkampf herauszufordern. Schon 2400 Bürger haben sich überzeugen lassen, eine ausgefüllte Postkarte an Warrens Büro zu schicken, mit herzlichen Grüßen aus Iowa.

Eine Lebensgeschichte, die vielen imponiert

Dass die 65-Jährige eine Kandidatur bislang ausdrücklich ausschließt, mindert den Enthusiasmus nicht. Warrens Nein gilt unter politischen Beobachtern als durchaus ernsthaft. Solange die unvermeidliche Hillary Clinton nicht plötzlich ausfällt oder ihre Kampagne spektakulär an die Wand fährt, glaube Elizabeth Warren wohl, dass sie von außen mehr erreichen könne. Die Aktivisten von "Run Warren Run" wissen das sehr wohl - aber man wisse ja nie . . .

"Warren wollte nie Politikerin werden. Als es um den Senatssitz in Massachusetts ging, wurde sie auch von den Bürgern überzeugt", erzählt ein weiterer Vorwahl-Aktivist, der 29 Jahre alte Blair Lawton. Er koordiniert acht Mitarbeiter und Dutzende Freiwillige. "Wir wollen Warren zeigen, dass sie gewinnen kann." Auch in New Hampshire, wo nach Iowa die zweite Vorwahl stattfinden wird, baut die Kampagne "Run Warren Run" gerade Büros auf - mit Geld von MoveOn.org, einer linken Lobbygruppe.

Warren kämpft gegen teure Bildung

Warren hat eine Lebensgeschichte, die vielen imponiert. Sie wuchs in Oklahoma auf, wurde Lehrerin und studierte Jura. "Warrens Mutter konnte sie aufs College schicken, obwohl sie nur den Mindestlohn verdiente", sagt die Rentnerin Janis Taylor. Heute sei dies unmöglich.

Noch während Warren in Harvard lehrte, forderte die Verbraucherschützerin strengere Auflagen für Banken. Dass Warren bei Studenten so beliebt ist, liegt auch daran, dass sie regelmäßig in der "Daily Show" des TV-Satirikers Jon Stewart anprangerte, wie teuer der Zugang zu Bildung geworden sei.

Auch Veronica Tessler, die Obama-erfahrene Wahlkampfhelferin, hatte nach der Uni Zehntausende Dollar Schulden - sie befürchtet nun, dass eine Präsidentschaftskandidatin Clinton sich für dieses Thema nicht ausreichend interessieren werde. Tessler weiß, dass Clinton - die Etablierte, die Wohlhabende - Millionen-Spenden von der Wall Street erhalten hat und dass ihr Ehemann Bill einst die Deregulierung der Finanzmärkte und den Freihandel vorangetrieben hat.

Hillary, die Unvermeidliche

Die Unvermeidliche

Sue Dvorsky, 59, war ein Fan von Obama, damals, 2008, als der sich im Vorwahlkampf gegen Hillary Clinton durchsetzte. Heute ist die frühere Parteichefin der Demokraten in Iowa entschlossen, alles zu tun, damit Hillary Clinton ins Weiße Haus kommt. Weil es den Republikanern an Ideen fehle, werde Obamas Koalition aus weißen Progressiven, Studenten, Schwarzen und Latinos halten, glaubt Dvorsky. Solche Sätze hört man jetzt oft in Iowa. Von Hillary-Euphorie hingegen keine Spur.

Dvorsky findet es gut, dass die ehemalige Außenministerin Clinton nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur sofort nach Iowa kam und Hände schüttelte. Dies habe viele in der Partei beeindruckt, sagt die ehemalige Lehrerin. Auf Clinton wartet eine Ochsentour: Es wird erwartet, dass sie alle 99 Landkreise Iowas besucht und mit den Bürgern über deren Probleme diskutiert.

Dass ihr Wahlkampfmanager Robby Mook darauf besteht, dass alle Mitarbeiter in schlichten Motels übernachten, kommt an der Basis gut an. Clintons Team weiß, dass viele ihre Chefin als elitär empfinden und wie beliebt Elizabeth Warren ist - auch deshalb preist Hillary die Senatorin aus Boston bei jeder Gelegenheit. Sie inszeniert sich als "Champion der Mittelklasse" und kritisiert, dass für Spitzenmanager in den USA niedrigere Steuersätze gelten als für Krankenschwestern.

Clintons Charakter sollte in Amerikas Mittlerem Westen gut ankommen, hofft Dvorsky. Auch wenn der Anteil der Farmer hier abnehme, sei die Einstellung noch bäuerlich geprägt. "Die Leute wissen, wie es ist, wenn Hagel oder Sturm die Ernte kaputt macht. Da wird nicht geklagt, sondern gearbeitet." Jeder wisse, dass Hillary eine Kämpferin sei. Die "parteiischen Attacken" um ihr E-Mail-Konto und die Finanzgebaren der Clinton-Stiftung seien bis zur Wahl im November 2016 sicher vergessen.

Der Provokateur und der Aristokrat

Der Provokateur

"Gefahr: Mund funktioniert schneller als Gehirn." Diesen Warnhinweis hat Steve Deace selbst angebracht in seinem kleinen Radiostudio am Stadtrand von Des Moines, zwischen dicken, dunklen Schaumstoffplatten. Für Iowas Konservative ist der 41 Jahre alte Radio-Moderator ein Held, dessen Nähe sowohl Präsidentschaftskandidaten als auch deren Berater suchen. In einer Werbepause dreht er sich zur Seite und erklärt, worauf es diesmal ankomme: Nach Obama brauche das Land einen "konservativen Anführer", der nicht nur an Gott glaube, sondern auch an Amerikas Ausnahmestellung in der Welt.

Ein Mangel an Wettbewerb ist dabei seine geringste Sorge. Bei den US-Republikanern stellt sich derzeit eher die Frage, ob aus ihren Reihen 15 oder gar 20 Bewerber ins Weiße Haus einziehen wollen, und ob bei den TV-Debatten überhaupt genug Platz auf der Bühne sein wird für so viele.

Am Montag kündigte die ehemalige Chefin des IT-Konzerns Hewlett Packard (HP), Carly Fiorina, sie wolle für die Republikaner ins Rennen um das Weiße Haus ziehen. Iowas Konservative reden jetzt viel über Hillary Clinton. Auch der Radiomoderator Deace: "Um Hillary besiegen zu können, müssen wir zuerst Jeb Bush schlagen." Zum Beispiel mit Ted Cruz, dem rechten Parteirebellen.

Deace ist überzeugt, dass die Republikaner zuletzt nur verloren haben, weil ihre Präsidentschaftskandidaten John McCain und Mitt Romney zu moderat waren. Diese Meinung wiederholt er jeden Nachmittag in seiner Sendung. Von den etwa 120 000 Republikanern, die zur Vorwahl gingen, gehöre ein Viertel zum Establishment, 15 Prozent seien Libertäre. 60 Prozent seien sozialkonservativ, unter ihnen viele evangelikale Christen, welche Abtreibung und Homo-Ehe ablehnten.

Wenn es einem Kandidaten gelingen könne, die Mehrheit der Libertären und der Sozialkonservativen hinter sich zu bringen, dann habe der Mainstream-Favorit keine Chance, glaubt Deace. Er schwärmt von dem rechtspopulistischen Senator Ted Cruz, der schon mehr als 35 Millionen Dollar Spenden gesammelt habe: "Das zeigt, wie beliebt er an der Basis ist."

Der Aristokrat

Aus dem Büro von Doug Gross hat man einen spektakulären Blick auf die Kuppel des Kapitols von Iowa. 2008 leitete der Anwalt die Kampagne von Mitt Romney, haargenau verfolgte er dabei das Auf und Ab der Wählerumfragen. Diesmal hat sich im Bewerberfeld der Republikaner noch kein Favorit herauskristallisiert, sagt er. Dennoch: Jeb Bush, der Präsidentensohn und Präsidentenbruder, dürfe hoffen.

Zuletzt lag in den Umfragen Scott Walker vorn, der Gouverneur von Wisconsin, mit 23 Prozent vor Marco Rubio (13 Prozent) und Bush (zwölf Prozent). "Jeb muss durch Iowa reisen, damit die Leute ihn sehen", glaubt Gross. Allerdings müsse Bush die erste Vorwahl auch gar nicht gewinnen, um zum Kandidaten gekürt zu werden. Es gehe in Iowa ja vor allem um Erwartungen: "Wenn niemand einem den Sieg zutraut - dann ist auch ein dritter Platz genug."

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