US-Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum:Biedermann auf Stimmenfang

Verhütungsmittel sind ungesund, Homosexualität ist eine Sünde und Präsident Obama verfolgt eine "falsche Theologie": Rick Santorum buhlt auf niedrigem Niveau um die erzkonservative Klientel der Republikaner. Um sich als Präsidentschaftskandidat durchzusetzen, spielt er den Blödmann. Taktisch mag das schlau sein - aber es fördert die Verdummung einer einst großen Partei.

Christian Wernicke

Rick Santorum wirkt wie der Biedermann von gestern. Denn er propagiert Ansichten, die vorgestrig anmuten: Verhütungsmittel, so glaubt dieser erzkonservative Republikaner, seien "nicht gesund für unser Land", Homosexualität hält er für eine widerwärtige Sünde, wie Polygamie oder Inzest, und Frauen, die nach einer Vergewaltigung schwanger werden, mahnt er, sie sollten "das Geschenk" annehmen, "was Gott ihnen gegeben hat".

Rick Santorum

Rick Santorum bemüht sich, das erzkonservative Klientel aus dem republikanischen Lager an sich zu ziehen. Dazu setzt er auf Ideologie, nicht auf Ideen. Anhänger sind evangelikale und wiedergeborene Christen, nicht Katholiken.

(Foto: AP)

Glaubensfest, züchtig, skrupellos - so hat dieser Gesinnungspolitiker nun auch auf jenen Mann eingeschlagen, dessen Amt er gern im November bei den Präsidentschaftswahlen ergattern möchte: Barack Obama, so also sprach dieser Rick Santorum, unterstütze "eine falsche Theologie - eine, die nicht auf der Bibel gründet".

Weder in Deutschland noch irgendwo sonst in Westeuropa hätte solch ein erzkatholischer Fundamentalist den Hauch einer Chance, Staats- oder Regierungschef zu werden. Und auch in den Vereinigten Staaten stehen - Gott sei Dank! - Santorums Chancen schlecht. Sicher, die meisten Amerikaner fühlen religiöser, denken bibelfester als Franzosen, Italiener oder Deutsche. Aber Umfragen belegen, dass die Mehrheit der US-Bürger Santorums Dogmen zu Abtreibung, Schwulen oder Frauenrechten ablehnt - und dass dieser Frömmler, falls er im Herbst tatsächlich antreten dürfte zum Duell mit Obama, verlieren würde. Mit Pauken und Trompeten sogar.

Nur, das kümmert Santorum nicht. Noch nicht. Sein strammes Trommeln, seine beseelten Fanfarenstöße zielen auf ein ganz anderes Publikum. Es ist jener sehr kleine, sehr konservative Teil der Bevölkerung, der sich demnächst die Mühe machen wird, an einem Dienstag meilenweit zu einem Wahllokal zu fahren und per Primary den republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu küren.

Das machen nur wenige: Nie mehr als ein Fünftel, manchmal nur ein Hundertstel der Wahlbevölkerung im jeweiligen Bundesstaat nimmt teil. Aber überall sehen diese Menschen ziemlich gleich aus: Drei von vier von ihnen sind weiß, älter als 45 Jahre und erklärtermaßen gottesfürchtig. Santorums ergebenste Anhänger sind evangelikale und wiedergeborene Christen, nicht Katholiken.

Bei den Republikanern blühen Ideologien - nicht Ideen

Um diese republikanische Basis buhlt Santorum. Dabei hilft ihm zum einen, dass der bisherige Favorit des Partei-Establishments, der smarte Multimillionär Mitt Romney, merkwürdig spröde und unnahbar wirkt. Romney wärmt nicht die Herzen des konservativen Wahlvolks, das sich deshalb trotzig (und nach gescheiterten Versuchen mit einer Handvoll anderer Aspiranten) in Santorum seinen Anti-Romney gesucht hat.

Zum anderen aber profitiert Santorum davon, dass die gesamte Debatte im republikanischen Lager auf abgründig niedrigem Niveau dahindümpelt. Kultiviert werden Wut und Hass auf Obamas angeblich sozialistischen Kurs in den nationalen Untergang. Und Tabus: Wer es wagen würde, etwa über (unausweichliche) Steuererhöhungen zur Sanierung der Staatsfinanzen oder über die Bewahrung der Schöpfung vor dem (längst erwiesenen) Klimawandel nachzudenken, der wird von seinen Parteifreunden, von rechten Medien und verhetzten Bloggern sofort an die Wand gestellt. Und politisch exekutiert. Die Republikaner sind verkommen zu einer Partei, in der Ideologien blühen - nicht Ideen.

Rick Santorum ist dafür ein Symptom. Ihm fällt nichts ein, also fällt er aus: Seine Attacke über Obamas "falsche Theologie" hat der Christenmensch nachträglich damit begründet, dass der demokratische Präsident angeblich eine Weltsicht pflege, die - aus Angst vor Global Warming - "die Erde über den Menschen stellt". So geht es zu im republikanischen Wahljahr 2012. Der Biedermann spielt den klimapolitischen Blödmann, um zu gewinnen. Das mag, rein taktisch, schlau sein. Aber es fördert die Verdummung einer einst großen Partei.

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