US-Präsident in Bedrängnis:Obama, die Reform und die Wut der Amerikaner

Flucht nach vorn: Nach der Wahlschlappe geht Obama auf die Republikaner zu und signalisiert Kompromissbereitschaft bei der Gesundheitsreform.

Nach der Niederlage der Demokraten bei der Senatswahl in Massachusetts hat US-Präsident Barack Obama Kompromissbereitschaft im Ringen um die Gesundheitsreform signalisiert. Er rate seinen Parteifreunden, sich auf die Punkte des umstrittenen Reformpakets zu konzentrieren, die bereits auf Zustimmung gestoßen seien, sagte Obama an diesem Mittwoch dem US-Fernsehsender ABC.

US-Präsident in Bedrängnis: US-Präsident Barack Obama geht nach der Demokraten-Wahlschlappe im Bundesstaat Massachusetts auf die Republikaner zu.

US-Präsident Barack Obama geht nach der Demokraten-Wahlschlappe im Bundesstaat Massachusetts auf die Republikaner zu.

(Foto: Foto: AP)

Er warnte die Demokraten davor, die Gesundheitsreform "durchzudrücken", bevor der neue republikanische Senator von Massachusetts, Scott Brown, im Amt ist. "Die Wähler in Massachusetts haben gesprochen, jetzt muss er (Brown) Teil dieses Prozesses sein", sagte Obama gegenüber dem Fernsehsender.

Brown, der sich bei der Wahl am Dienstag den Senatssitz des verstorbenen Edward Kennedy erkämpft hatte, sei aus demselben Grund wie er ins Amt gekommen, sagte Obama. "Die Menschen sind wütend und sie sind frustriert, nicht nur aufgrund dessen, was in den vergangenen ein, zwei Jahren passiert ist, sondern in den letzten acht Jahren." Obama räumte ein, dass die Politiker in Washington sich besser mit der breiten Öffentlichkeit verständigen müssten.

Sein Sprecher Robert Gibbs ergänzte vor Journalisten in Washington, Obama strebe gleichwohl weiterhin noch für dieses Jahr den Umbau des Gesundheitswesens an. Der Präsident sei zudem bereit, mit den Republikanern auch bei anderen Gesetzesvorhaben zusammenzuarbeiten, etwa beim Klimaschutz. Insbesondere aber die Finanzmarktreform werde in den kommenden Monaten eine wichtigere Rolle spielen. Auf die Einrichtung einer neuen Verbraucherschutzbehörde werde Obama dabei keinesfalls verzichten, betonte Gibbs.

Obamas Chef-Berater David Axelrod sagte, das taktische Vorgehen der Demokraten bei der Gesundheitsreform müsse angesichts des Verlusts der strategischen Mehrheit im Senat überdacht werden. "Aber im Grundsatz darf sich der Auftrag nicht ändern." Die Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, betonte einen Tag nach der historischen Niederlage der Demokraten bei der Senatswahl in Massachusetts ebenfalls, von dem Reformvorhaben nicht abzurücken. "Wir werden weitermachen und dabei diese Bedenken berücksichtigen - aber wir werden weitermachen."

Der Urnengang in Massachusetts wird von vielen Experten vor allem als Protestwahl gegen Obamas Gesundheitsreformpläne gewertet. Unmittelbar nach seinem Sieg in der traditionellen Demokratenhochburg hatte der Kandidat der Republikaner, Scott Brown, angekündigt, er wolle das Gesetzeswerk zu Fall bringen.

Die Demokraten verlieren im Senat ihre strategische Mehrheit von 60 Sitzen, mit der Obama dort seine Gesetzesvorhaben auch gegen den Widerstand der Opposition durchbringen konnte. Die Republikaner können dagegen künftig per Sperrminorität Vorhaben blockieren oder zumindest Kompromisse erzwingen.

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