US-Präsident ehrt Terroropfer:Obamas "bittersüßer Augenblick" am Ground Zero

Vier Tage nach dem Tod Osama bin Ladens besucht Barack Obama Ground Zero. Während viele New Yorker den Präsidenten auf seiner symbolträchtigen Pilgerfahrt feiern, kritisieren andere den Trip als "beschämenden Fototermin".

Reymer Klüver

Es ist ein Tag voller symbolträchtiger Bilder und Inszenierungen, eine Pilgerfahrt des Präsidenten: Barack Obamas erster Besuch von Ground Zero als Präsident. Obama habe es als "angemessen und passend" empfunden, nach New York zu kommen, vier Tage nach der "gelungenen Mission, Osama bin Laden zur Rechenschaft zu ziehen", wie sein Sprecher Jay Carney am Donnerstagmorgen formuliert.

Er wolle mit den Bewohnern der Stadt, die vor knapp zehn Jahren zum Schauplatz des Al-Qaida-Terrors wurde, "diesen wichtigen und bedeutsamen Augenblick verbringen, einen bittersüßen Augenblick". Er wolle New Yorkern und Amerikanern helfen, fast zehn Jahre nach den traumatischen Ereignissen von 9/11 "damit nun vielleicht eher abschließen zu können".

"Wir vergessen nichts"

Als Marine One, der Hubschrauber des Präsidenten, auf dem Heliport in Lower Manhattan aufsetzt, erwartet ihn Rudy Giuliani, dessen Ruhm sich auf sein beherztes Handeln als Bürgermeister von New York gründet in den ersten Stunden nach den Anschlägen. Er begleitet Obama zu den Firefightern von Engine 54, eine Verbeugung vor den Helden von 9/11.

343 Feuerwehrleute starben in den Trümmern des World Trade Center, allein die Feuerwache von Engine 54 in Midtown Manhattan verlor 15 Mann, so viel wie keine andere.

Obama findet markige Worte, postiert vor der Beifahrertür des Löschfahrzeugs in der düsteren Feuerwache: "Wenn wir sagen, wir vergessen nichts, dann meinen wir das auch so." Anschließend isst er Lunch mit den 18 Männern der Tagesschicht in der Küche der Feuerwache, überbackene Auberginen und Shrimp-Pasta.

Die Männer sind sichtlich beeindruckt von ihrem Besucher: "Pretty cool", sagt einer nach dem Essen, "wirklich toll."

Dann besucht der Präsident Police Precinct No. 1, eine Polizeiwache. Legt am "Baum des Überlebens", der den Feuer- und Aschesturm direkt neben Ground Zero überstanden hat, einen Kranz nieder, gebunden aus blauen, weißen und roten Blumen, den amerikanischen Nationalfarben.

Kein Wort sagt er hier, eine stille Geste des Gedenkens.

Längst nicht alle sind begeistert

Schließlich nimmt er sich eine Stunde Zeit für Gespräche mit 50 Familienangehörigen der fast 3000 9/11-Opfer. Terry Estrada, deren Mann in den Trümmern des World Trade Center umkam, war nicht eingeladen, aber sie ist Obama dennoch dankbar für den Besuch. Ein bewegendes Zeichen sei die Visite, sagt sie. Nur dass er die Bilder des toten Bin Laden nicht veröffentlichen lässt, will ihr nicht in den Kopf: "Es wäre so eine Erleichterung."

Obama Attends Wreath-Laying Ceremony At Ground Zero After Death Of Bin Laden

Eine Stunde nimmt sich US-Präsident Barack Obama am Ground Zero Zeit, um mit 9/11-Angehörigen zu sprechen - und zu trösten.

(Foto: AFP)

Überhaupt sind längst nicht alle begeistert, sehen Obamas Trip nach New York mehr als kalkulierte Inszenierung denn als einen ehrlich gemeinten Tribut. Zum Beispiel Debra Burlingame, die Schwester des Piloten von Flug American Airlines 77, der an 9/11 ins Pentagon stürzte: "Ein beschämender Fototermin", nennt sie Obamas Besuch.

Doch diese Stimmen bleiben klar in der Minderheit: Überall, wo die Wagenkolonne des Präsidenten vorbeirauscht, jubeln die Menschen, brechen spontan in Sprechchöre aus: "USA, USA."

Es ist klarer Tag mit strahlend blauem Himmel - fast so wie an 9/11.

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