US-Präsident Donald Trump:Der Trickbetrüger im Weißen Haus

US-Präsident Donald Trump: Donald Trump fehlt fast alles, was ein Spitzenpolitiker braucht, urteilt David Cay Johnston in seinem aktuellen Buch. Wie man sich inszeniert, das weiß der US-Präsident aber.

Donald Trump fehlt fast alles, was ein Spitzenpolitiker braucht, urteilt David Cay Johnston in seinem aktuellen Buch. Wie man sich inszeniert, das weiß der US-Präsident aber.

(Foto: AFP)

Ein neues Buch beschreibt US-Präsident Trump als einen Ignoranten, der vor allem auf Rache sinnt. Dabei listet der Autor so viele Skandale auf, dass er anders als Michael Wolff in "Fire and Fury" das Erzählen vergisst.

Von Matthias Kolb

Der beste Teil im allerneuesten Buch über den 45. US-Präsidenten kommt ganz am Ende. Im Abschlusskapitel "Der Schwindel fliegt auf" urteilt David Cay Johnston: "Donald Trump ist absolut ungeeignet für jedes öffentliche Amt. Das beweist er laufend durch seine eigenen Worte und Taten." Trumps Erfolg sei Teil eines autokratischen globalen Trends, in dem sich Menschen aus Angst vor der komplexen Moderne wünschen, in "eine versunkene Welt der Einfachheit und des Friedens zurückzukehren, die es nie gegeben hat".

Johnston hat als Investigativreporter für die New York Times und die Los Angeles Times gearbeitet und beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem New Yorker Bauunternehmer. Kein anderer Journalist kennt Donald Trumps Biografie so gut; schon aus diesem Grund verdient jedes Buch des 69-Jährigen Beachtung und viele Leser.

In seiner Analyse beschönigt Johnston nichts: Trumps Lebensanschauung beruhe auf "Rache und Gewalt", er sehe Politik als Nullsummenspiel und schere sich nicht um Pressefreiheit und Bürgerrechte. Er ist überzeugt, dass es Trump an der nötigen psychischen Stabilität fehlt und fügt der schwelenden Debatte über Trumps Geisteszustand (hier ein SZ-Artikel) einen interessanten Beitrag hinzu.

Er verweist auf einen Vorschlag der Psychiaterin Prudence L. Gourguechon, die früher Präsidentin der American Psychoanalytic Association war. Sie hält das Feldhandbuch der US-Army für die Entwicklung von Führungskräften für einen guten Indikator, um die Eignung von Spitzenpolitikern zu bewerten. Konkret geht es um fünf Eigenschaften: Vertrauen; Disziplin und Selbstkontrolle; Urteilsvermögen und kritisches Denken; Selbstreflexion sowie Empathie. Wer Trump in seinem ersten Jahr als Präsident beobachtet hat, der hat von all den Eigenschaften wenig gesehen.

Hier erkennt man den Unterschied zu "Fire and Fury", dem Anfang des Jahres erschienenen Enthüllungsbuch von Michael Wolff. Johnston hat für sein Sachbuch "Trump im Amt" (die deutsche Fassung erscheint am 18. Januar im Ecowin Verlag) unzählige Medienberichte und Fachartikel ausgewertet, weshalb er immer wieder neue und interessante Ideen vorstellt. Und er belegt akribisch jede Anekdote und Behauptung (dass Trump ein Buch mit Hitler-Reden im Schrank neben seinem Bett aufbewahrt hat, sagte Ex-Frau Ivana 1990 einer Reporterin von Vanity Fair).

"Trump ist ein Diktator und schert sich nicht um Regeln"

Fraglos ist der Pulitzer-Preisträger Johnston der verlässlichere Journalist als der Ex-Kolumnist Michael Wolff, doch leider listet er in seinem Buch so viele - echte und vermeintliche - Skandale rund um Trump auf, dass dies auf viele Leser überfordernd wirken könnte. Eine Enthüllung ist nicht dabei. In ihrem Urteil ("Trump ist überfordert, er rechnete nicht mit einem Wahlsieg und weiß nichts über Politik") sind sich die beiden Amerikaner einig, wobei Johnston noch härter formuliert: "Trump ist ein Diktator, der auf seinen Auftritt wartet und sich nicht um Regeln schert."

Der große Unterschied zwischen beiden Büchern: Wolff erzählt auf eine packende Art, die einem Trumps oft chaotisches Denken nahebringt. Er war mittendrin im Weißen Haus und schildert detailliert die Palast-Intrigen der ersten sieben Monate (welche Kritik es an ihm gibt, steht hier). Johnston wühlt sich hingegen durch jene Akten, Zeitungsartikel und Gerichtsunterlagen, die er seit 1988 gesammelt hat und liefert viele Hintergründe zu Trumps Wirken. Er zeichnet nach, wie Trump mithilfe der Mafia den Beton für seine Hochhäuser bekam und wie der "Trickbetrüger" aus Queens es seit Jahrzehnten zum Geschäftsprinzip erklärt hat, Lieferanten schlecht zu behandeln und ihnen vor allem nicht das vollständige Honorar auszuzahlen.

Diese Geschichten sind gut belegt und sie machen wütend, aber letztlich sind sie seit zwei Jahren gut dokumentiert - und haben bekannterweise 63 Millionen US-Bürger nicht davon abgehalten, den Republikaner zu wählen. Dies lässt sich Johnston natürlich nicht vorwerfen, aber er verliert sich im Buch oft im Kleinklein der Details. So klar und verständlich wie im Fazit argumentiert er zu selten.

Er vermischt sein eigenes Fachwissen (neben Trumps Biografie kennt er sich bestens mit Steuerrecht und der Casino-Industrie aus) mit Zitaten aus Trumps Wahlkampfreden sowie Plänen der Regierung. Gleichzeitig kann er sich nicht entscheiden, ob Trump nun völlig dämlich oder doch ein Strippenzieher mit einem teuflischen Geheimplan ist (das hält Wolff für ausgeschlossen).

Johnston hatte Pech, dass die Republikaner nach Redaktionsschluss von "Trump im Amt" eine Steuerreform beschlossen haben, wodurch knapp 40 Seiten des Buches hinfällig sind. Nun nimmt der Leser aus diesem Kapitel nur drei Erkenntnisse mit: Das US-Steuersystem ist unglaublich kompliziert, es begünstigt die Reichen - und Trump dürfte niemals seine Steuererklärungen veröffentlichen, solange ihn der Kongress nicht zwingt (wofür es eine Mehrheit der Demokraten bräuchte).

Trump ist in zu viele Skandale verwickelt, also schadet ihm keiner

Bereits im Sommer 2016 hat der Satiriker John Oliver in seiner wöchentlichen HBO-Sendung mit dem Nagelbett ein hervorragendes Bild gefunden, um zu erklären, warum die vielen Skandale der Kandidatur Trumps nicht wirklich schaden. "Trump hat nicht eine verrückte Sache gesagt, sondern Tausende. Jede verrückte Aussage wertet die nächste Dummheit herab. Es ist das Prinzip des Nagelbetts: Wenn du auf einen Nagel trittst, tut es schrecklich weh. Wenn du auf tausend Nägel trittst, ragt keiner heraus und dir geht es gut."

Ähnlich verläuft die Lektüre von "Trump im Amt". Fast schwindlig machen einen die Schilderungen der vielen, mitunter längst vergessenen Skandale (25 Millionen Dollar Entschädigung für die Absolventen der betrügerischen Trump University), aber kein Sachverhalt bleibt besonders hängen.

Dieses Buch liest man in Etappen - oder als Nachschlagewerk

Der Leser profitiert sicher davon, dieses Buch mit Unterbrechungen zu lesen oder es aus dem Regal zu ziehen, um die Vorgeschichte dessen nachzulesen, worüber in Washington gerade gestritten beziehungsweise was Trump vorgeworfen wird.

Die Fleißarbeit, die in diesem Werk sowie im Vorgänger "Die Akte Trump" steckt, gibt den Urteilen von David Cay Johnston Glaubwürdigkeit. Für ihn ist Trump der erste US-Präsident, der nicht "das Wohl der Vereinigten Staaten und ihrer Bürger im Auge" hat. Es geht um seinen Vorteil. Wie Trump sein Amt nutzt, um sein Hotel in Washington zu promoten (das er wohlgemerkt vom Staat gepachtet hat) und die Zimmerpreise hochzutreiben (653 Dollar ist der Durchschnitt), ist schamlos. Dass immer mehr Lobbyisten und ausländische Regierungen wie die Türkei, Kuwait oder Saudi-Arabien ihre Events im "Trump International Hotel DC" abhalten, erweckt berechtigte Zweifel der Käuflichkeit und Einflussnahme auf die Präsidentenfamilie.

In einem anderem Urteil befindet sich Johnston im weltweiten Mainstream der Trump-Analysten: Seine Ignoranz und Überheblichkeit führen dazu, dass der Staat von einflussreichen konservativen Akteuren umgebaut wird. Der Verbraucher- und Umweltschutz wird abgebaut, es gibt weniger Förderung für öffentliche Schulen und dank fehlender Stellenbesetzungen und Investitionen wird die Funktionsfähigkeit der Behörden erschwert, was wiederum das Vertrauen der Bürger in den Staat mindert.

Gewidmet hat David Cay Johnston sein Buch übrigens Wayne Barrett, dem vor einem Jahr verstorbenen "Wegbereiter aller Trump-Reportagen" (mehr hier). Der legendäre Reporter der Village Voice hat Johnston sein riesiges Trump-Archiv überlassen und dieser ist gerne bereit, es mit anderen Journalisten und Wissenschaftlern zu teilen. Die Flut an Büchern über Donald John Trump, sie wird so schnell nicht abebben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: