US-Politik:So hat Trump den Kampf gegen Obamacare verloren

  • Die Abschaffung von Obamacare - eines von Trumps Wahlversprechen - wird wohl scheitern.
  • Drei Republikaner haben angekündigt, im Senat gegen das Abschaffungsgesetz zu stimmen.
  • Damit kommt die nötige Mehrheit von 50+ Stimmen nicht zustande.
  • Auch unter republikanischen Wählern hat Obamacare mittlerweile viele Anhänger.

Von Thorsten Denkler, New York

Orrin G. Hatch scheint eingesehen zu haben, dass es irgendwann auch mal gut ist. "Wir müssen ehrlich sein, wir kommen hier nicht weiter", gestand der mächtige Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Senat am Montag ein. Gemeint war der wohl letzte Versuch von US-Präsident Donald Trump, die verhasste Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama abzuschaffen.

Seit der Einführung des "Affordable Care Act" vor mehr als sieben Jahren, besser bekannt als "Obamacare", versprechen führende Republikaner, das Gesetz rückgängig zu machen. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, dies werde zu seinen ersten Amtshandlungen gehören. Und jetzt, nach bald acht Monaten parteiinternen Streits? Essig. Der Präsident hat verloren, weil mindestens drei republikanische Senatoren sein Spiel nicht mitspielen.

Wenn nicht bis Freitag noch etwas Unvorhergesehenes geschieht, dann wird auch das jüngste "Weg mit Obamacare"-Gesetz keine Mehrheit im Senat bekommen. An diesem Montag hat nach den republikanischen Senatoren Rand Paul und John McCain eine dritte Republikanerin erklärt, gegen das Gesetz stimmen zu wollen: Susan Collins aus dem Bundesstaat Maine.

Damit gibt es keine Chance mehr, das Gesetz im Senat mit der einfachen Mehrheit von 50 plus x Stimmen durchzubringen. Obwohl die Republikaner im Senat eine Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen haben. Es hätte sogar gereicht, wenn sie nur 50 Stimmen zusammenbekommen hätten. Dann hätte Vizepräsident Mike Pence, der Kraft seines Amtes zugleich dem Senat vorsteht, dem Abschaffungsgesetz die entscheidende Stimme geben können. Üblicherweise hat der Vizepräsident im Senat kein Stimmrecht, im Falle eines Unentschiedens kann er aber das entscheidende Votum abgeben.

Am Montag hatten Rollstuhlfahrer gegen das Gesetz protestiert

Die Republikaner hatten das Gesetz sogar noch einmal umgeschrieben. Zugunsten von Susan Collins, John McCain und ihrer Kollegin aus Alaska, Lisa Murkowski. Ihre drei Staaten hätten mehr Geld aus der Bundeskasse bekommen, um damit Bedürftigen eine eigene Krankenversicherung zu ermöglichen - auch ohne Obamacare. Zumindest Collins hat das nicht überzeugt.

Das mag auch mit den unschönen Bildern zusammenhängen, die am Montag aus dem Anhörungssaal des Finanzausschusses in alle Welt übertragen wurden. Demonstranten, viele davon im Rollstuhl, hatten lautstark gegen das Abschaffungsgesetz protestiert. Der Vorsitzende Hatch ließ sie von der Polizei aus dem Saal bringen. Polizisten, die Rollstuhlfahrer unter Geschrei vor die Tür setzen - solche Bilder verfehlen ihre Wirkung nicht.

Donald Trump hatte immer wieder Druck ausgeübt, noch einen letzten Anlauf zu wagen, Obamacare abzuschaffen. Die Chance, dass es gelingen könnte, war von Beginn an äußerst gering. Die Hardliner unter den republikanischen Senatoren wollten sich nur mit einer vollständigen Abschaffung zufriedengeben. Die Moderaten hingegen fordern, dass das Gesetz durch ein besseres ersetzt wird.

Niemand solle schlechter gestellt werden als bisher. Das hatte Trump im Wahlkampf versprochen. Gleichzeitig sollten Hunderte Milliarden Dollar eingespart werden. Wie beides zusammengeht, vermochte bisher niemand schlüssig zu erklären.

Schmerzhaftes Ende einer langen Geschichte

Was die Niederlage für die Republikaner noch schmerzhafter macht: Bis zu diesem Freitag würde eine einfache Mehrheit noch reichen. Danach gilt wieder, dass Gesetze im Senat eine 60-Stimmen-Mehrheit benötigen. Mit einem Haushaltstrick hatten die Republikaner diese Regel aushebeln können - aber eben nur bis zum Ende des Haushaltsjahres am 30. September.

Anfang Mai war nach einigem Hickhack eine erste Version des Gesetzes vom Repräsentantenhaus verabschiedet worden. Das hätte Obamacare abschaffen und mit etwas ersetzen sollen, das vor allem viel Geld spart. Mehr als 800 Milliarden Dollar. Danach hatten Trump und die Republikaner im Rosengarten des Weißen Hauses gefeiert, als hätten sie gerade die Formel für den Weltfrieden entdeckt.

Schon bald wurde klar, dass das Gesetz im Senat keinen Bestand haben würde. Auch weil damit in den kommenden Jahren deutlich über 20 Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren würden. Das geht aus Prognosen des unabhängigen Haushalts-Büros im Kongress hervor. Anders als von den Republikanern vorhergesagt, ist Obamacare zu einem Erfolg geworden. Auch unter den eigenen Wählern.

Es hatte aber auch wirklich niemand eine zündende Idee, wie Obamacare unter der Vorgabe "bessere Versicherungsleistung mit weniger Geld" ersetzt werden könnte. Trump forderte deshalb von den Senatoren, sie sollten Obamacare mit einer Frist einfach abschaffen. Und dann mal schauen, was in der Zwischenzeit passiert. Auch diese Idee ist jetzt wohl endgültig tot.

Viele hoffen, dass Republikaner und Demokraten gemeinsam eine Lösung finden

Ab kommender Woche sind die Republikaner also auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen, wenn sie an Obamacare etwas ändern wollen. Auch die Demokraten wissen, dass das Gesetz reformbedürftig ist und wären bereit, zu verhandeln. Aber einfach abschaffen, wie es die Republikaner vorhaben, dafür wird kein Demokrat im Senat die Hand heben.

Was sich manche Demokraten und moderate Republikanern jetzt wünschen, ist, dass sich der Senat auf die alte Tradition des "bipartisanship" besinnt, der engen Zusammenarbeit von Republikanern und Demokraten. Darin läge tatsächlich eine Chance, die unbestrittenen Schwächen der Obamacare-Gesetze abzuschaffen.

Ob Trump das unterstützen würde, ist nicht sicher. In den vergangenen Wochen hatte er zweimal mit den Demokraten Deals abgeschlossen. Einmal, um den drohenden Haushaltsnotstand zu umschiffen. Ein anderes Mal, um sich im Grundsatz auf die Reform eines Programms für junge Migranten zu einigen. Der Gegenwind aus dem eigenen Lager und vor allem von seiner radikalisierten Wählerbasis war so heftig, dass er an solchen Kompromissen womöglich kein Interesse mehr hat.

Am Montag sagte Trump in einem Radio-Interview: "Es sieht aus, als würden Susan Collins und einige andere dagegen stimmen. Wir werden also zwei oder drei Stimmen verlieren. Und das ist das Ende der Geschichte."

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