US-Kongresswahl:"Schildkröte" McConnell ist am Ziel

Mitch McConnell Attends Republican Celebration On Election Night

Mitch McConnell am Ziel: Der Republikaner feiert seinen Wahlsieg.

(Foto: Bloomberg)

Mitch McConnell ist künftig der mächtigste Mann im US-Senat. Obamas Gegenspieler gilt als Strippenzieher ohne Prinzipien mit dem "Charisma einer Muschel". Der Aufstieg des 72-Jährigen aus Kentucky zeigt, warum in Amerikas Politik nichts vorangeht.

Von Matthias Kolb, Washington

Im Moment seines großen Sieges gibt Mitch McConnell den Versöhner. "Nur weil wir ein Zwei-Parteien-System haben, bedeutet das nicht, dass wir in ewigem Konflikt leben müssen. Wir sind verpflichtet, zusammenzuarbeiten", ruft der Republikaner seinen Anhängern in Louisville zu. Dass die Menschen in Kentucky McConnell zum sechsten Mal in den Senat gewählt haben, ist die erste gute Nachricht für die Republikaner an diesem Wahlabend und ihr folgen noch viele Erfolgsmeldungen aus dem ganzen Land.

Bereits um Mitternacht steht fest, dass Mitch McConnell vom Januar 2015 an die Republikaner als Senate Majority Leader anführen wird und zum wichtigsten Gegenspieler von Barack Obama aufsteigt. Sein Spruch von der Verpflichtung zur Kooperation - er richtet sich besonders an den US-Präsidenten und dessen Demokraten. Für den 72-Jährigen erfüllt sich mit dem Sprung an die Spitze des Senats ein Lebenstraum, der 1964 begann, als er mit 22 Jahren ein Praktikum bei Senator Sherman Cooper aus Kentucky machte.

Im Gegensatz zu vielen US-Spitzenpolitikern hat der Jurist nie damit geliebäugelt, fürs Weiße Haus zu kandidieren. Weil er als Kind an Kinderlähmung erkrankte, hinkt er bis heute und natürlich weiß er, dass sein Spitzname "Schildkröte" lautet und ihm Journalisten das "natürliche Charisma einer Auster" bescheinigen.

Erfolgreicher Strippenzieher im Hintergrund

Die Welt von McConnell sind die Hinterzimmer des Kongresses, wo Intrigen gesponnen werden und um Gesetzesanträge, Verfahrensregeln und Macht gerungen wird. Dort gilt er als "herausragender Spendensammler, Stratege und Strippenzieher" und dort spielt es keine Rolle, dass seine Reden eher einschläfern als mitreißen.

John McCain sagte dem New York Times Magazine: "Sein ganzes Leben findet nur im Senat statt." Neben der Politik interessiere sich McConnell eigentlich für nichts, sagt der Autor John David Dyche: "Er macht andere Dinge nur aus einem Grund: Damit er wie ein ganz normaler Mensch wirkt". Auch seine Frau Elaine Chao ist Spitzenpolitikerin: Sie diente George W. Bush als Arbeitsministerin.

John Dyche hat eine freundliche Biografie über McConnell veröffentlicht, deren Titel "Der republikanische Anführer" auf sein Verhandlungsgeschick anspielt. Zuletzt hat er mit Vizepräsident Joe Biden, seinem Kumpel aus gemeinsamen Senatsjahren, in letzter Minute mehrmals Kompromisslösungen im Budgetstreit ausgehandelt.

Auch innerparteilich zeigt sich sein strategisches Können: McConnell sorgte hinter den Kulissen dafür, dass die Republikaner 2014 Kandidaten aufstellten, die nicht nur die radikale Tea-Party-Rhetorik wiederholen, sondern näher am Mainstream sind. Sympathische Kandidaten wie der junge Cory Gardner in Colorado waren ein Schlüssel für den Erfolg. Und als der 78-jährige Republikaner Pat Roberts in Kansas zu verlieren drohte, erzwang McConnell eine komplette Neuorganisation von dessen Wahlkampagne. Mit Erfolg: Roberts besiegte den unabhängigen Herausforderer Greg Orman.

"Obama muss wie ein Verlierer wirken"

Eine weitere Biographie zeigt aber die andere Seite des neuen Senatchefs. In "Der Zyniker" schildert Alec MacGillis, dass es Mitch McConnell nur selten um Prinzipien und immer um die Macht geht. Bereits im Winter 2009, direkt nach der Amtseinführung von Präsident Obama, sagte er bei einem internen Strategietreffen der Republikaner: "70 Prozent der Bürger finden den Präsidenten gut. Wir können ihn nicht frontal angreifen, aber wir werden Themen suchen, bei denen wir gewinnen können. Irgendwann heißt es: 'Obama hat hier verloren, er hat sich da nicht durchgesetzt.' Und wenn sein Image entsprechend beschädigt, attackieren wir ihn."

Nach dem Riesenerfolg der Republikaner bei der Kongresswahl 2010 , als die Konservativen das Repräsentantenhaus eroberten, nannte McConnell sein wichtigstes Ziel in aller Öffentlichkeit: "Obama darf nur eine Amtszeit lang Präsident sein." Dies glückte ihm nicht, doch heute frustriert der charismatische Obama die Amerikaner und der biedere Mitch McConnell triumphiert. Dass das persönliche Verhältnis der beiden abwechselnd als "vergiftet" und "zerrüttet" beschrieben wird, dürfte die Suche nach möglichen Kompromissen erschweren.

Biograph MacGillis, der sonst für das liberale Magazin New Republic schreibt, erkennt in der Karriere von Mitch McConnell viele Gründe für die wachsende Polarisierung der Parteien und den momentanen Stillstand in Washington. In den siebziger Jahren setzte sich McConnell in Kentucky noch für das Recht auf Abtreibung ein, kooperierte mit Gewerkschaften und unterstützte Republikaner-Kandidaten, die deutlich moderater waren als Ronald Reagan. Erst als er 1984 in den Senat kam, rückte er immer weiter nach rechts - genau wie seine Partei.

Und nun, nach dem Wahlerfolg für die Republikaner? Einige Senatoren, allen voran Ted Cruz, Rand Paul und Marco Rubio, werden bald ihre Absicht verkünden, 2016 für das Amt des Präsidenten zu kandidieren - und danach vor allem das tun, was ihrer eigenen Marke nützt. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es gerade im Senat keine Fraktionsdisziplin, die Senatoren agieren eher als politische Unternehmer in eigener Sache.

Ted Cruz ist überzeugt, dass die Republikaner "so konservativ wie möglich" agieren sollten. Der Texaner möchte unter anderem Obamacare abschaffen - und er vermeidet es ausdrücklich, McConnells Führungsrolle öffentlich zu unterstützen. Dieser hält sich bisher sehr bedeckt, wenn es um seine Prioritäten geht: "Es ist nie klug, der Gegenseite vorab zu verraten, was man vorhat."

In der Siegesrede vor seinen Fans rief er aber auch selbstbewusst: "Es ist Zeit, in eine neue Richtung zu gehen. Amerika muss einen anderen Kurs einschlagen und ich werde euch nicht enttäuschen." Dass die Republikaner nun über eine Mehrheit von mindestens acht Sitzen im Senat verfügen, dürfte ihm helfen, manche der Einzelkämpfer mit großen Egos in Schach zu halten.

McConnell hat noch nie einen Wahlkampf verloren

Ein weiterer Grund, wieso Mitch McConnell trotz seines fehlenden Charismas so erfolgreich ist, sind seine Wahlkämpfe. Er scheut auch vor schmutzigen Tricks nicht zurück und heuert stets die besten Profis an. 1984 wurde im Rahmen seiner Kampagne ein Clip ausgestrahlt, in dem mehrere Bluthunde vergeblich versuchen, seinen demokratischen Gegner aufzuspüren.

In diesem Jahr produzierte der 26-jährige Vincent Harris für McConnell einige der besten Videos. In einem Filmchen spielt McConnell auf sein Image als Wahlkampf-Könner an: Er greift erfolgreiche Internet-Meme wie den Volvo-Werbeclip mit Jean-Claude Van Damme auf und spielt am Ende dieses Spots mit Bluthunden.

Ein anderer Clip kommt völlig ohne Worte aus und zeigt immer wieder einen gütig lächelnden Mitch McConnell, der an einem Schreibtisch sitzt. Unter dem Titel "Lächeln + Schweigen = Hype" schrieb Süddeutsche.de schon im März über einen Clip, der so tief in der Internet-Kultur verwurzelt ist, dass er bei Facebook und Twitter hunderttausende Male geteilt wurde.

Auch in diesen Stunden lächelt McConnell auffällig oft: Nach 50 Jahren ist er endlich am Ziel.

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