US-Kongresswahl:Großer Preis mit Macken

Der 4. November könnte den US-Demokraten die Macht im Weißen Haus und im Kongress bescheren. Doch mit Parteidisziplin ist es in Washington nicht weit her.

Bernd Oswald und Moritz Koch

Das Duell Barack Obama gegen John McCain elektrisiert die Menschen wie lange keine US-Präsidentschaftswahl mehr. Doch es kommt nicht nur darauf an, wer als 44. Präsident ins Weiße Haus einzieht, sondern mit welchem Kongress er arbeiten muss. Das Repräsentantenhaus wird komplett neu gewählt, dazu sind 35 Senatssitze zu vergeben.

US-Kongresswahl: Drei Abgeordnete des Repräsentantenhauses verlassen den Capitol Hill in Washington. Sie stehen am 4. November ebenso zur Wahl wie ein Drittel der Senatoren.

Drei Abgeordnete des Repräsentantenhauses verlassen den Capitol Hill in Washington. Sie stehen am 4. November ebenso zur Wahl wie ein Drittel der Senatoren.

(Foto: Foto: AP)

Den US-Demokraten bietet sich eine historische Chance: Sie würden gerne erstmals seit 1993 das Weiße Haus, den Senat und das Repräsentantenhaus kontrollieren.

Besonders viel haben sie sich im Senat vorgenommen: Das magische Ziel sind 60 Sitze. Mit dieser Drei-Fünftel-Mehrheit könnten sie auf Blockade angelegte Endlosreden von republikanischen Senatoren unterbinden.

Außerdem wäre das eine sehr solide Mehrheit, mit der die Demokraten zum Beispiel Bundesrichter leichter nach Wunsch besetzen könnten. Auch für immer wieder auftretende Abweichler wäre Luft.

Momentan stellen sowohl Demokraten als auch Republikaner je 49 Senatoren. Die beiden unabhängigen Senatoren Joseph Lieberman (Ex-Demokrat und 2000 Vizepräsidentschaftkandidat von Al Gore) und Bernard Sanders stimmen in der Regel mit den demokratischen Senatoren. Die Obama-Partei hat es also darauf abgesehen, den Republikanern netto neun Sitze abzujagen.

Möglich scheint das, weil die Republikaner bei dieser Wahl 23 Sitze verteidigen müssen, während es bei den Demokraten nur zwölf sind. Zwar gilt etwa die Hälfte der republikanischen Senatssitze als sicher, doch die andere Hälfte ist gefährdet.

Schon abgeschrieben hat die Grand Old Party Virginia: Hier liegt der demokratische Bewerber Mark Warner im Duell der früheren Gouverneure in Umfragen knapp 30 Prozent vor Republikaner Jim Gilmore.

Amtsinhaber John Warner trat nicht mehr an. Auch in New Mexico und Colorado, in denen die republikanischen Amtsinhaber nicht mehr antreten, liegen die demokratischen Kandidaten der Demoskopie zufolge vorne.

Dann sind da noch die Staaten, in denen republikanischen Senatoren die Abwahl droht: Ted Stevens in Alaska, John Sununu in New Hampshire oder Elisabeth Dole, der Gattin des 1996er Präsidentschaftskandidaten Bob Dole, in North Carolina, um nur drei Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite gilt nur die Wiederwahl der Demokratin Mary Landrieu in Lousiana als gefährdet.

Unter dem Strich müssten die Demokraten fast alle offenen Rennen gewinnen, um auf die 60 Sitze zu kommen. Das letzte Mal, das es im Senat eine Drei-Fünftel-Mehrheit gab, war zwischen 1977 und 1979, als die Demokraten 61 Sitze hielten. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Kammern, mit der sogar ein Präsidentenveto überstimmt werden könnte, ist hingegen noch nicht einmal Wunschdenken.

"Der Kongress besteht aus 535 Einzelunternehmern"

Auch das Repräsentantenhaus wird ziemlich sicher in demokratischer Hand bleiben. Die New York Times geht derzeit von 233:171 Sitzen für die Demokraten aus, bei 31 Kopf-an-Kopf-Rennen. Es sieht also danach aus, als ob sie ihre Mehrheit (derzeit steht es 235:199) noch ausbauen können.

Sollte Barack Obama am 4. November zum Präsidenten gewählt werden, könnte er voraussichtlich mit einem demokratisch dominierten Kongress arbeiten.

Allerdings ist bei der Interpretation dieser Zahlen Vorsicht geboten: Das politische System der USA ist nicht mit dem deutschen zu vergleichen. Demokrat oder Republikaner zu sein, heißt in den USA nicht viel. "Der Kongress besteht aus 535 Einzelunternehmern", sagt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sueddeutsche.de. Ihr Abstimmungsverhalten im Kongress werde von wahlkreisspezifischen Interessen bestimmt.

Parteidisziplin sei in Washington ein Fremdwort. Für ein einheitliches Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten einer Partei zu sorgen, hält Braml für so schwierig, "wie einen Schubkarren voller Frösche von A nach B zu fahren".

"Etwas Demut würde den Demokraten gut tun"

Auch amerikanische Wahlbeobachter relativieren die vermeintliche parlamentarische Machtfülle eines Präsidenten Obama: "Die Mehrheit im Kongress wird einem Präsidenten Obama helfen, aber das heißt nicht, dass er auch gut regieren würde. Jimmy Carter beispielsweise hatte die Mehrheit des Kongresses im Rücken und er war ein Desaster", sagt Stephen Hess von der Brookings Institution im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Hess, der früher auch die Präsidenten Ford und Carter beraten hat, glaubt nicht, "dass Obama eine liberale Agenda durchpeitschen kann, selbst wenn er wollte. Vor allem, weil dafür der Regierung schlicht die Mittel fehlen. Wir brauchen das Steuergeld, um unser Finanzsystem zu reparieren."

Danielle Doane, Director of Congressional Relations der Heritage Foundation, rät den Demokraten angesichts des zu erwartendenden Sieges zu "etwas Demut". Im Gespräch mit sueddeutsche.de warnt sie davor, dass die Kongress-Mehrheit für Obama auch zum Problem werden könnte: "Denn sollte die Wirtschaft nicht wieder anspringen, hat er niemanden, dem er die Schuld dafür geben kann."

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