US-Journalistin aus Gefängnis entlassen:Pressefreiheit in Beugehaft

Judith Miller ist nach knapp drei Monaten wieder frei. Die im Zusammenhang mit der Enttarnung einer CIA-Agentin in Beugehaft genommene Reporterin durfte das Gefängnis verlassen, nachdem sie sich bereit erklärt hatte, ihr Schweigen zu brechen. Der Fall wirft verstörende Fragen auf.

Reymer Klüver

Eigentlich ist die Sache unbegreiflich: Dass ausgerechnet jene Frau als renitente Zeugin eingesperrt wurde, die erwiesenermaßen keine einzige Zeile über den Geheimnisverrat zu Papier gebracht hat, ist schon abstrus.

Miller Reuters

Im Visier der Ermittler: Judith Miller.

(Foto: Foto: Reuters)

Warum bisher keiner derer belangt wurde, die mutmaßlich diese Regierungsgeheimnisse verrieten, sondern nur diejenigen, die dazu Recherchen anstellten, ist ebenfalls nicht klar.

Es klingt ein bisschen nach Justizposse, doch wirft sie verstörende Fragen auf: Ob nicht raubautzige Ermittlungsmethoden die Pressefreiheit in den USA in einem Ausmaß gefährden, wie es bislang undenkbar erschien. Ob Journalisten in Zukunft kaum noch Missstände werden enthüllen können, weil sie ihre Quellen nicht vor aggressiven Staatsanwälten schützen können. Die Fragen sind nicht im mindesten geklärt.

Verweis auf den Quellenschutz

Judith Miller, Washington-Korrespondentin der New York Times, wurde am Donnerstag nach 85 Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Sie war eingesperrt worden, weil sie sich unter Hinweis auf den Quellenschutz geweigert hatte zu verraten, wer im Regierungsapparat die Identität einer CIA-Agentin preisgegeben hatte.

Frei kam sie jetzt nur, weil sie den Ermittlern signalisierte, dass sie doch reden werde. Ihre damalige Quelle, Lewis Libby, Büroleiter von Vizepräsident Dick Cheney, hatte ihr zuvor mitgeteilt, dass er nichts dagegen habe, wenn sie die Ermittler über ihr damaliges Gespräch informiere.

Zumindest in groben Zügen ist die Geschichte jetzt zu erkennen. Im Juli 2003 war in Zeitungen zu lesen, dass die Frau des früheren US-Botschafters Joseph Wilson CIA-Agentin sei. Ihr Mädchenname wurde auch gleich veröffentlicht: Valerie Plame.

Das Pikante an der Sache: Erstens hatte ihr Mann der Regierung Bush nicht unbegründet vorgeworfen, Urankäufe Saddam Husseins frei erfunden zu haben. Zweitens ist das Outing von CIA-Agenten in den USA eine Straftat. Ein Sonderermittler wurde eingesetzt, weil der Verdacht bestand, dass die Informationen über Plame aus dem Regierungsapparat gestreut wurden, um sich an Wilson zu rächen.

Der Ermittler, der für seine Unbestechlichkeit gerühmte Staatsanwalt Patrick Fitzgerald, hat seither alle vernommen: von Sekretärinnen im Weißen Haus bis hin zu Vizepräsident Dick Cheney und Präsident George W. Bush.

Am Ende aber knöpfte er sich die Journalisten vor, die über die Sache geschrieben hatten, und auch Miller, die nur recherchiert hatte. Er wollte ihre Quellen wissen. Alle kooperierten, nur Miller verweigerte sich unter Verweis auf den Quellenschutz. Sie kam in Beugehaft.

Vergebliche Suche nach Quelle der Indiskretion

Trotzdem hat Fitzgerald die Quelle der Indiskretion offenbar noch nicht gefunden. Nach allem, was bekannt ist, hatten die Berater Bushs und Cheneys, Karl Rove und Lewis Libby, den recherchierenden Reportern zwar bestätigt, dass sie von Valerie Plame und der ganzen Sache gehört hatten.

Aber keiner verriet offenbar ihren Namen. Entsprechendes dürfte nun auch Judith Miller dem Staatsanwalt berichten.

Gleich nach ihrer Freilassung am Donnerstag hatte sie bereits etwas anderes klargestellt, damit das auch ja niemand übersieht. Sie sei, sagte Miller, ins Gefängnis gegangen, um den ehernen journalistischen Grundsatz des Quellenschutzes aufrechtzuerhalten: "Das Prinzip war wichtiger als meine persönliche Freiheit."

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