US-Geheimdienste:"Eine klare Eskalation"

CIA, NSA und FBI werfen Moskau eine massive Einmischung in den Wahlkampf vor und sprechen von persönlicher Rache des russischen Präsidenten. Wahlsieger Trump widerspricht - oder doch nicht?

Von Sacha Batthyany, Washington

Es war nur ein kurzer Wortwechsel im letzten Fernsehduell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump, Ende Oktober 2016 in Las Vegas, doch im heutigen Licht betrachtet ist er bemerkenswert. Trump warf Clinton damals vor, sie habe gemäß Wikileaks 200 000 Dollar für eine Rede vor einer brasilianischen Bank angenommen. Clinton konterte, die Frage müsse lauten, warum Wikileaks Informationen von russischen Hackern besitze, die sich "mehr und mehr in die amerikanischen Wahlen einmischen." Später nannte Clinton ihren republikanischen Herausforderer eine "Marionette Putins". Worauf Trump sagte, sie sei eine Lügnerin. "Möglich, dass es Russen waren, die die Computer knackten", so Trump. "Vielleicht waren es aber auch Chinesen? Oder ein 400 Pfund schwerer Typ, der auf einem Bett irgendwo in New Jersey sitzt."

Seit Monaten wird über die mutmaßlichen Cyber-Attacken Russlands spekuliert, die die Wahlen beeinflusst haben könnten. Noch fehlten aber konkrete Hinweise. Die US-Geheimdienste CIA, NSA und FBI, die die Vorfälle untersuchten, haben am Freitag nun einen gemeinsamen Bericht veröffentlicht und sind sich sicher, dass der russische Militärgeheimdienst GRU hinter den Hacker-Angriffen steckt. Der Bericht geht nun einen entscheidenden Schritt weiter. Nach Ansicht der Geheimdienste war es Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich, der eine "koordinierte Kampagne" angeordnet habe, um "das öffentliche Vertrauen in den US-amerikanischen demokratischen Prozess zu untergraben, die demokratische Kandidatin Hillary Clinton zu verunglimpfen und ihre Chancen auf einen Wahlsieg zu schmälern." Es sei nicht das erste Mal, dass Russland in Wahljahren Spionage betreibe, heißt es im Bericht. Doch das Vorgehen 2016 sei "eine klare Eskalation."

Neben den Hackerangriffen auf die Demokratische Partei und Mitglieder des Wahlkampfstabs von Hillary Clinton, seien "verdeckte Geheimdienstoperationen" zur Anwendung gekommen. Außerdem wurden "bezahlte Online-Trolle" eingesetzt und "erfundene Nachrichten" verbreitet. Namentlich erwähnt werden staatlich finanzierte Medienunternehmen wie die Nachrichtenagentur Sputnik oder der TV-Sender RT.

Zeitungen zeigen Karikaturen des Weißen Hauses mit Zwiebeltürmen, wie in Moskau

Ziel von Putins Kampagne sei es gewesen, Hillary Clinton zu schaden und Donald Trump zum Sieg zu verhelfen, behaupten zumindest die CIA und die Bundespolizei FBI — die NSA ist sich da "nicht ganz sicher". In welchem Maß der Kreml Einfluss hatte auf den Ausgang der Wahl, wird im Bericht nicht erörtert. "Wir treffen keine Aussage über die Auswirkungen der russischen Aktivitäten", heißt es.

Ist Trump also "Putins Marionette", wie Clinton im Fernsehen damals in Las Vegas behauptete? Für den New-York-Times-Kolumnisten Paul Krugman scheint die Sache klar zu sein: Trump sitzt dank der Einmischung Russlands am 20. Januar im Oval Office. Andere Zeitungen zeigen Karikaturen des Weißen Hauses mit Zwiebeltürmen, wie man sie von der Basilius-Kathedrale in Moskau kennt. Der besonnene Chefredakteur des New Yorker, David Remnick fragt: "Wie kann man, nach allem, was man heute weiß, nicht von unbefleckten Wahlen sprechen?"

Doch die Frage, ob Trump ohne russische Cyberattacken die Wahlen verloren hätte, ist nicht zu beantworten. Und sie führt vielleicht auch zu nichts. Die Vorwürfe, die die US-Geheimdienste in ihrem Bericht formulieren, sind verstörend genug. Putin habe "eine klare Präferenz für Trump" entwickelt. Der Republikaner hat sich im Wahlkampf mehrmals kritisch zur Nato geäußert, was Putin gefallen haben könnte. Er hat den russischen Präsidenten, im Vergleich mit Barack Obama, als "wahren Leader" bezeichnet und ihn auffallend oft in Schutz genommen. Putins Krim-Annexion kommentierte Trump etwa mit den Worten: "Die Menschen auf der Krim wollen sowieso lieber zu Russland gehören."

Dem Bericht zufolge ging Putin davon aus, mit Trump leichter eine Anti-Terror-Allianz gegen die Miliz Islamischer Staat schmieden zu können. Außerdem habe er gute Erfahrungen mit westlichen Staatsmännern gemacht, die seine Geschäftsinteressen teilten. Neben dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wurde im Bericht auch Altkanzler Gerhard Schröder erwähnt, der Chef der Aktionärsversammlung der russisch-europäischen Erdgaspipeline Nord Stream.

Im Geheimdienstbericht werden auch die von der Süddeutschen Zeitung enthüllten "Panama Papers" erwähnt, hinter denen Putin die USA vermutet. Die Einmischung in die US-Wahlen sei ein Racheakt für die Veröffentlichung von Informationen, die Putin und seinem Umfeld geschadet hätten.

Den Geheimdienst-Bericht gibt es in drei Versionen. Neben einer detaillierten Top-Secret-Fassung, die dem scheidenden Präsidenten Barack Obama übergeben wurde und einer Fassung für die Kongressabgeordneten, wurde der Öffentlichkeit ein 25-seitiger Bericht zugänglich gemacht, der allerdings keine Quellenangaben und keine konkreten Beweise erhält. Demnach lässt sich nicht überprüfen, woher die Informationen stammen. Ein gewisses Maß an Skepsis ist bei Berichten von US-Geheimdiensten angebracht, das lehrt etwa die Fehleinschätzung vor dem Irak-Krieg, Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen. Dieser Skepsis sind sich die Autoren des Berichts bewusst. "Die Arbeitsstandards haben sich in den vergangenen zehn Jahren verändert", versichern sie im Bericht.

Die russische Chefredakteurin nennt den CIA-Bericht den "Lacher des Jahres"

Von russischer Seite werden sämtliche Vorwürfe, die die US-Dienste erheben, dementiert. Präsident Putin nahm keine Stellung. Margarita Simonyan, Chefredakteurin von RT, dem Fernsehsender, der gemäß US-Behörden falsche Nachrichten verbreitete, um in der Bevölkerung für Unruhe zu sorgen, schreibt, der CIA-Bericht sei "der Lacher des Jahres!"

Der designierte US-Präsident Donald Trump hielt die Diskussion um die russischen Hackerangriffe bislang für politisch motiviert. Noch am Freitagmorgen warf er der New York Times eine "politische Hexenjagd" vor. Nach dem Treffen mit den Direktoren der CIA, NSA und des FBI am Freitagnachmittag aber, ließ er verkünden, er habe "großen Respekt" vor der Arbeit der Geheimdienste. "Hackerangriffe", so Trump, "sind eine Bedrohung. Wir müssen Cyberangriffe aggressiv bekämpfen."

US-Geheimdienste: Werden aus den Konkurrenten USA und Russland nun beste Freunde? Ein Graffito in der litauischen Hauptstadt Vilnius zeigt die Machtmenschen Donald Trump und Wladimir Putin beim Bruderkuss.

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(Foto: Mindaugas Kulbis/AP)
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