US-Einwanderungsdebatte:Trumps Grenzmauer bröckelt

Donald Trump Holds Campaign Town Hall In Iowa

Donald Trump bei einem Auftritt in Iowa.

(Foto: AFP)

Brauchen die USA Donald Trumps Mauer, um sich vor Migranten aus dem Süden zu schützen? Eine neue Studie zeigt, dass Mexikaner derzeit unterm Strich nicht zu-, sondern abwandern.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Donald Trump verspricht, eine Grenzmauer zwischen Mexiko und den USA bauen zu lassen. Doch was, wenn er damit das Gegenteil von dem erreicht, was er bezweckt?

Der Schwur des republikanischen Präsidentschaftskandidaten: Ich werde den Zuzug von Mexikanern ohne Papiere stoppen. Eine Untersuchung der Pew-Stiftung sagt nun: Es verlassen bereits mehr Mexikaner die USA, als gleichzeitig einwandern. Nach der Mauerbau-Logik ließe sich also schlussfolgern, dass sie künftig eingesperrt wären. Mit Präsident Trump in den USA.*

Die Pew-Zahlen: Von 2009 bis 2014 kamen 870 000 Menschen aus dem Nachbarland illegal über die Grenze, etwas mehr als eine Million Menschen dagegen kehrte nach Hause zurück - das ist eine Netto-Abwanderung von 130 000. Sechs von zehn Rückkehrern verließen die USA freiwillig, um wieder bei ihrer Familie zu sein, nur 14 Prozent wurden abgeschoben.

Geburt statt Migration ist der Wachstumsfaktor

Während der konservativere Teil der USA die Einwanderung anprangert, hat sich die Migrationsbewegung zwischen den Nachbarstaaten erstmals seit 1930 umgekehrt. Damit geht eine Entwicklung zu Ende, die sich seit den späten Achtzigern beschleunigt hatte: 1980 lebten nur 2,2 Millionen Menschen aus Mexiko in den USA, auf dem Höhepunkt 2007 waren es 12,8 Millionen. Nun ist die Zahl mit 11,7 Millionen wieder niedriger. Die Bevölkerungsgruppe der insgesamt 34 Millionen Latinos (zwei Drittel davon sind mexikanischer Abstammung) wächst inzwischen vor allem durch Geburt, nicht Migration.

Mexiko hat nicht aufgeholt

In einer idealen Welt wäre der Rückgang der Migration aus Mexiko der Tatsache geschuldet, dass sich die Lebensbedingungen dort entscheidend verbessert haben. Zwar ist der Wohlstand dort wirklich gewachsen, doch Pew nennt sinkende Geburtenraten (folglich weniger Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt) und schärfere Grenzsicherung als Gründe.

Vor allem aber haben die jüngste Rezession und das verschärfte Klima am US-Arbeitsmarkt einen gewaltigen Anteil an der Entwicklung: "Ich würde nicht sagen, dass Mexiko mehr Menschen anzieht", sagte Ana Gonzalez-Barrera der Los Angeles Times, "stattdessen sind die USA nicht mehr so attraktiv wie früher."

Vielleicht ist genau das es, was Präsidentschaftskandidaten und US-Wählern Sorgen machen sollte.

*Update 20.11.: Leser haben angemerkt, dass ich den Trump-Vorschlag - und das Ziel der "Mauer" - etwas verkürzt dargestellt habe. Das ist ein guter und richtiger Punkt: Kontext ist die Debatte um Amnestie und die Frage, ob Einwanderer ohne Papiere belohnt werden sollten, obwohl sich andere dem langen legalen Einwanderungsprozess unterziehen (Trump und viele andere Republikaner sagen: nein). Und die Mauer wäre natürlich nur metaphorisch auf beiden Seiten undurchlässig, siehe Debatte um millionenfache Abschiebung. Mein Einstieg schießt also etwas über das Ziel hinaus.

Was der Studie fehlt: Zentralamerika

Die Pew-Studie liefert keine vollständiges Bild der Wanderungsbewegungen zwischen den USA und dem Nachbarland. Aus kleinen, aber instabilen zentralamerikanischen Ländern wie Guatemala, El Salvador oder Honduras kommen weiterhin Flüchtlinge, die Zahl der dort geborenen Menschen, die in den USA leben, wuchs letzten verfügbaren Statistiken zufolge von 2010 und 2013 jeweils um 10 000 bis knapp 40 000. Seit der Ankunft Tausender Kinderflüchtlinge im vergangenen Sommer haben die USA ihre Abschiebepraxis verschärft und auch dafür gesorgt, dass viele Reisende bereits im Transitland Mexiko aufgehalten werden und der Weg in den Norden gefährlicher geworden ist. Allerdings haben Schlepper derzeit bereits einige Alternativrouten entwickelt.

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