US-Drohnen:Deutsche Stellungen in einem geheimen Krieg

People gather near the wreckage of a car destroyed by a U.S. drone air strike that targeted suspected al Qaeda militants in August 2012, in al-Qatn

Dieses Auto, in dem sich mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer befunden haben sollen, wurde von einer amerikanischen Drohne 2012 im Jemen zerstört

(Foto: REUTERS)

Ohne Festnahme, ohne Verhandlung: Wenn die USA mit Drohnen von Deutschland aus Menschen in Afrika töten, ist das völkerrechtlich bedenklich. Doch Konsequenzen durch deutsche Behörden müssen die amerikanischen Soldaten nicht fürchten.

Von Christian Fuchs, John Goetz und Hans Leyendecker

Es war nur ein Anruf, eine Nachricht von daheim - und kurz darauf war der mutmaßliche Islamist Bilal al-Berjawi tot. Die Frau des 27 Jahre alten gebürtigen Libanesen rief ihren Mann, der sich in Somalia aufhielt, am 21. Januar 2012 an. Sie hatte eine gute Nachricht für ihn: Er sei erstmals Vater geworden, ein Junge. Ob Berjawi nach dem Anruf gejubelt hat, ob er vielleicht sogar nach Hause wollte, ist nicht bekannt.

Fest steht, dass er danach mit Freunden im Auto die staubige Asphaltpiste von Elasha, einem ruhigen Vorort der somalischen Hauptstadt Mogadischu, entlang fuhr - und dann kreiste schon die Drohne über ihnen. Kurz nach 14 Uhr schlagen drei Raketen auf der Straße ein. Der Wagen geht in Flammen auf. Berjawi und seine Begleiter sterben. Das Funksignal seines Mobiltelefons hatte ihn wohl verraten.

Hinrichtung per Funk

Für die US-Regierung war Berjawi einer von al-Qaida, der die gefährlichen Terroristen der somalischen Shabaab-Milizen unterstützt hatte. Seit fünf Jahren steht al-Shabaab, die auch dschihadistische Netzwerke im Westen aufgebaut hat, auf der Liste von Terrororganisationen des US-Außenministeriums. Berjawi wurde nicht angeklagt, er bekam keinen Prozess, sondern wurde hingerichtet. Er ist der erste Mensch, der nachweislich durch eine ferngesteuerte Drohne in Afrika getötet wurde, das Signal dazu kam möglicherweise aus Deutschland.

Den Tod per Knopfdruck kennt die Menschheit aus Jemen, dem Irak, aus Afghanistan und Pakistan. Der moderne Krieg findet in einem Schattenreich statt; er ist kalt, meist präzise, manchmal nicht. Die geheimen Attacken in Afrika schaffen es selten in die Nachrichten. In Somalia sollen laut verschiedenen Quellen bis zu 29 Menschen durch US-Drohnen ums Leben gekommen sein. Washington gibt keine Zahlen heraus, über Erfolge nicht, über getötete Zivilisten schon gar nicht.

Mit dem Joystick im Keller

Egal, wo die US-Militärs oder auch die von der CIA gezielt auf dem Globus Menschen exekutieren; die Attacke wird von einem Drohnenpiloten ausgeführt, der zumeist in den USA sitzt. Die Luftwaffe hat ihre Fachleute in der Creech Air Force Base nahe Las Vegas stationiert; der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA operiert beispielsweise vom Keller der Zentrale in Langley oder vom Camp Chapman in Afghanistan. Der Pilot bedient einen Joystick, er steuert die Drohne und zündet, wenn geschossen werden soll, die Raketen.

Einige der afrikanischen Hinrichtungen sind zumindest zum Teil made in Germany: Im ferngesteuerten Krieg werden die Piloten massiv von Deutschland aus unterstützt. Sie stehen in Kontakt mit Analysten, Technikern und Offizieren des United States Africa Command (Africom), dessen Zentrale vor sechs Jahren in Stuttgart-Möhringen eingerichtet wurde.

"Finden, Fixieren, Abschließen"

Über Eintausend Soldaten und Zivilisten arbeiten derzeit für das Kommando in Stuttgart, unter anderem auch Geheimdienstmitarbeiter und "All-Source"-Analysten, deren Aufgabe es ist, die "Zielerfassung im Anti-Terror-Kampf" der US-Air Force "zu unterstützen", wie es in einer US-Stellenbeschreibung für einen Job in Stuttgart heißt. Die so gewonnenen Informationen sollten dann in ein "Finden, Fixieren, Abschließen"-Modell einfließen.

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(Foto: dpa)

Rund 176 Kilometer von Stuttgart entfernt steht die Satcom-Anlage, die - je nach Sichtweise - das gezielte Töten in Afrika erst möglich macht oder die Angriffe zumindest erleichtert. Das Herz der Drohnen-Steuerung steckt in einem schmucklosen beigen Flachbau auf dem riesigen Gelände der Air Base im rheinland-pfälzischen Ramstein. Dort ist ein "Air and Space Operation Center" (AOC) untergebracht. Bis zu 650 Soldaten überwachen an 1500 Computern den Luftraum in Europa und Afrika und auch Aufnahmen von Überwachungsdrohnen können auf den riesigen Videobildschirmen eingeblendet werden.

Nicht jede Drohnen-Mission muss über das AOC in Ramstein gesteuert werden. Aber jede Militär-Mission in Afrika wird in der Plieninger Straße in Stuttgart verantwortet. Das staatliche Töten mutmaßlicher Terroristen ist im Zeitalter der sogenannten asymmetrischen Kriege längst grenzenlos geworden, aber die deutschen Stellungen in diesem geheimen Krieg waren bislang so nicht bekannt.

Vor allem in Ramstein haben sie gelernt, mit unterschiedlichen Fronten zu leben. Vor mehr als sechs Jahrzehnten wurde in dem Städtchen mitten in der Pfalz die größte Basis der Air Force außerhalb der USA gegründet. Mehr als 50 000 Amerikaner arbeiten auf der Airbase, die das Kaff auf die internationalen Landkarten gebracht hat. Auf der Airbase starten und landen die meisten Truppen- und Frachttransporte der Amerikaner in Europa. Nirgends außerhalb der Vereinigten Staaten hat die Air Force einen größeren Flughafen. Und nirgends außerhalb der USA gibt es ein größeres Lazarett als das benachbarte "Landstuhl Regional Medical Center". Verwundete aus der halben Welt werden in die Pfalz geschafft. Immer ist irgendwo Krieg - und der muss stets neu erklärt werden.

Deutschland soll nicht groß erwähnt werden

Als 2007 das Africom-Kommando in Deutschland stationiert wurde, empfahl das Auswärtige Amt der US-Regierung, Deutschland als Standort nicht groß zu erwähnen. Das würde sonst zu "Schlagzeilen" und "unnötigen öffentlichen Debatten" führen. Die Vorsicht scheint übertrieben. Afrika ist in aller Regel ein vergessener Kontinent, egal, was da passiert.

Auch ist nicht davon auszugehen, dass den Beamten im Berliner Außenministerium damals bekannt war, dass eines Tages von Deutschland aus der Einsatz von bewaffneten Drohnen für die Menschenjagd zumindest befördert oder gar gesteuert werden würde. Darf das Africom-Kommando in Stuttgart das überhaupt? Aus Sicht der Militärs mag die Frage naiv sein, deshalb anders gefragt: Wie sieht das die Bundesregierung? Von deutschem Staatsgebiet aus "dürfen keine völkerrechtswidrigen militärischen Angriffe ausgehen" hat das Verteidigungsministerium jetzt auf Anfrage der NDR-Sendung "Panorama" und der SZ erklärt und hinzugefügt: "Für solche Angriffe habe "die Bundesregierung auch keine Anhaltspunkte".

Ein Fall für den Staatsanwalt?

Das Töten eines Terrorverdächtigen sei "im Zweifel Totschlag oder Mord", sagt der Gießener Völkerrechtler Professor Thilo Marauhn: "Man müsste überlegen, ob da strafrechtliche Mittel ergriffen werden oder nicht." Ein Fall für den Staatsanwalt?

Eberhard Bayer ist Leitender Oberstaatsanwalt in Zweibrücken. Der 63-jährige Strafverfolger kennt sich in der Gegend und mit heiklen Ermittlungsfällen aus. Bundesweit machte seine Behörde Schlagzeilen, als die Ermittler im Sommer 2005 ein Verfahren gegen unbekannt wegen Verdachts der Freiheitsberaubung einleiteten. Zwei Jahre zuvor hatte die CIA mitten in Mailand einen radikalen Imam verschleppt, um ihn zur Folter nach Ägypten zu schaffen. Ein Learjet des Geheimdienstes mit dem Opfer an Bord war in Ramstein gelandet, und dort war der Gefangene in eine andere Maschine zum Transport nach Kairo umgeladen worden.

Zu einer Anklage hat es nicht gereicht

Die Zweibrücker Staatsanwaltschaft wollte unbedingt jene CIA-Agenten identifizieren, die in Ramstein dabei waren und deutschen Boden betreten hatten. Die Strafverfolger ermittelten eifrig und erkundigten sich auch bei einem Colonel, den die Visitenkarte als höchsten Juristen der US-Luftwaffe in Europa und Afrika auswies. Der sagte, er sei in der Angelegenheit mehrmals nach Washington gereist, aber seine Regierung habe ihn nicht autorisiert, etwas über die Agenten mitzuteilen. Das Bundesjustizministerium teilte mit, nur Zeitungswissen zu haben, das Auswärtige Amt betonte, über keinerlei Informationen zu verfügen. Bayers Behörde stellte 2008 das Verfahren ein, nahm es 2011 wieder auf, um es dann wieder einzustellen. Er bedauert noch heute, dass es nicht zu einer Anklage gereicht hat.

Anders lief es in Italien, wo die CIA-Agenten, die nachweisbar in Mailand dabei waren, in Abwesenheit zu hohen Strafen verurteilt wurden. Auch ihre italienischen Helfer beim Militärgeheimdienst wurden hart bestraft. Die letzten Urteile wurden in diesem Jahr verkündet.

Vielleicht wird im Zusammenhang mit Africom und den Drohnen wieder jemand nach dem Staatsanwalt rufen, aber diesmal ist die Sache relativ einfach. Falls ein deutscher Staatsbürger in das Programm verwickelt sein sollte, müsste er mit einem Strafverfahren wegen Totschlag oder Mord rechnen. US-Militärs müssten den deutschen Ermittler nicht fürchten.

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