US-Behörden schlagen Alarm:Warum sich Amerika vor Terror am Gedenktag fürchtet

Der Jahrestag rückt näher - und Amerika bangt: Islamistische Terroristen sollen einen neuen Anschlag planen, zehn Jahre nach 9/11. US-Behörden warnen vor der Gefahr, bleiben aber vage. Warum kommt der Alarm gerade jetzt? Wie groß ist die Bedrohung wirklich? Wen suchen die Ermittler? Und was hat der tote Osama bin Laden damit zu tun? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Oliver Das Gupta

Unmittelbar vor dem zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 gehen US-Fahnder einem "aktiven Plan" des Terrornetzwerks al-Qaida für Angriffe auf Ziele New York und Washington nach. Bloße Vorsichtsmaßnahme oder echte Gefahr - Amerika bangt vor den Gedenkfeiern um seine Sicherheit.

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Videoüberwachung in New York: Amerikas Polizei ist in erhöhter Bereitschaft

(Foto: REUTERS)

Wovor warnen die US-Behörden?

Die Bundespolizei FBI und das Heimatschutzministerium veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der sie alle Sicherheitsbehörden in den USA aufforderten, den ohnehin schon hohen Grad der Wachsamkeit aufrechtzuerhalten. Es hieß, es gebe eine "spezifische, glaubhafte, aber unbestätigte Information über eine Bedrohung". Ein Bulletin mit der Warnung ging an 18.000 staatliche Einrichtungen. Zumindest einige der Informationen sollen von "befreundeten Geheimdiensten" stammen. Die Ermittler suchen Männer, die möglicherweise einen Attentat verüben wollen.

Was ist über die Terrorverdächtigen bekannt?

Der Fokus der US-Ermittler richtet sich auf drei Personen. Weder deren Alter, noch deren Namen sind bisher bekannt. Allerdings sickerte durch, dass es sich bei einem der Männer um einen amerikanischen Staatsbürger handelt. Mindestens ein anderer soll über eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für die USA, eine Green Card, verfügen. Folglich ist den Männern Amerika nicht fremd, sie dürften keine Mühe haben, sich zurechtzufinden.

Woher kamen die potentiellen Täter?

Die gesuchten Männer sollen im August in die Vereinigten Staaten eingereist sein. Der US-Sender ABC berichtet unter Berufung auf anonyme Behördenquellen, die Personen seien auf dem Luftweg via Dubai eingereist. Ihre Reise hätten sie in den pakistanischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan begonnen - den Rückzugsgebieten von Al-Qaida-Terroristen und Taliban. Andere Quellen nennen Afghanistan als Ausgangspunkt der Männer. Wo sie sich derzeit aufhalten, ist unklar.

Welche Art von Anschlag wird befürchtet?

Verschiedene US-Medien berichten von Geheimdienstinformationen, die darauf hindeuten, dass al-Qaida einen Autobombenanschlag auf Brücken oder Tunnel plant. Zu Beginn des Jahres hieß es allerdings noch, das Terrornetzwerk erwäge eine Attacke aus der Luft. "Al-Qaida und ihre Verbündeten sind nach wie vor daran interessiert, Flugunterricht, insbesondere in Kleinflugzeugen, zu bekommen und Privatpersonen aus dem Westen für eine Ausbildung in Europa oder den Vereinigten Staaten anzuheuern", schrieben die US-Behörden damals in einem fünfseitigen Bericht, aus dem die Nachrichtenagentur AP zitierte.

Welche Orte gelten als besonders gefährdet?

Insbesondere die Schauplätze der Anschläge vom 11. September 2001 in Washington D.C. und New York. Aber prinzipiell sind alle Orte mit einem gewissen Symbolwert gefährdet, etwa das Kapitol in der Hauptstadt, aber auch die Golden Gate Bridge in San Francisco. Auch belebte Punkte wie Bahnhöfe, Flughäfen und Regierungsgebäude könnten Ziel einer Terrorattacke werden. Hier hätten die Täter besonders viele Opfer zu erwarten.

Der Einfluss des toten Terrorfürsten

Welche Rolle spielt Osama bin Laden?

Der Gründer von al-Qaida scheint einen Terroranschlag zum zehnten Jahrestag von 9/11 oder einem anderen symbolischen Datum erwogen zu haben. Die New York Times schreibt, bei der Tötung Osama bin Ladens im Mai seien dementsprechende Notizen des Terroristen gefunden worden. Die Rede ist von Daten, die sich auf Notebook fanden. Nach dessen Tod drohte der Nachfolger Aiman al-Zawahiri den USA mit Rache. Der Ägypter stecke hinter einem möglichen Anschlagsversuch, vermuten laut ABC die amerikanischen Behörden. Womöglich will Zawahiri den von Bin Laden angedachten Terrorplot zum Jahrestag von 9/11 als dessen Vermächtnis umsetzen. Das Wall Street Journal nennt drei weitere Al-Qaida-Führer als potentielle Drahtzieher: erfahrene Kader, die früher in den USA gelebt haben.

Sind die Informationen glaubhaft?

Schwer zu sagen. Einerseits steht die Regierung von Barack Obama bislang nicht in dem Verdacht, besonders alarmistisch zu sein, wenn es um Terrorismus geht. Andererseits nützen solche Warnungen den Regierenden mehr als der Opposition, weshalb sie als (unlautere) Wahlkampfmethoden gelten.

Amerikanische Politiker scheinen die Warnung jedenfalls ernst zu nehmen. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg bestätigte, es gebe "glaubhafte Informationen", wonach "Terroristen einen Plan ausgeheckt haben". Frances Townsend, ehemals Heimatschutz-Beauftragte unter Präsident George W. Bush, nannte die Informationen "plausibel". Der TV-Sender NBC berichtet, dass die Sicherheitsbehörden derzeit über eine Anhebung der Terrorwarnstufe berieten. Ein Regierungsmitarbeiter sagte, er stufe die aktuelle Gefahr auf einer Skala von eins bis zehn bei fünf oder sechs ein.

Welche Maßnahmen ergreifen die US-Behörden?

Wegen des 9/11-Jahrestags an diesem Sonntag sind die Sicherheitsvorkehrungen in den USA ohnehin schon erhöht worden, nun werden sie abermals forciert: Präsident Barack Obama lässt sich mehrfach am Tag Bericht erstatten und ordnete die Verdoppelung der Anti-Terror-Vorkehrungen an. Im ganzen Land werden sensible Punkte verstärkt gesichert: Militärbasen, öffentliche Einrichtungen und Bahnhöfe, selbst kleine Regionalflughäfen, wie das Wall Street Journal schreibt. Der New Yorker Polizeipräsident Raymond Kelly kündigte den Einsatz von zusätzlichen Bombenspürhunden an. Illegal abgestellte Fahrzeuge würden untersucht und abgeschleppt, zusätzlich soll es Fahrzeugkontrollen geben. Die Dienstschichten der Polizisten wurden von acht auf zwölf Stunden verlängert; Hunderte Einsatzkräfte sollen auf den Straßen und in den U-Bahn-Zügen nach potentiellen Gefahren Ausschau halten. Am Ground Zero, dort, wo die Flugzeuge ins World Trade Center krachten, sind Hunderte Kameras installiert. In Washington D.C. werden unzählige FBI-Beamte unterwegs sein, um die "Schlüsselorte" der Nation zu sichern.

Das Gedenken am "heiligen Jahrestag" (Washington Post) wollen sich die Amerikaner aber nicht beeinträchtigen lassen, Terrorwarnung hin oder her: "Das beste Mittel, das wir haben, um den Terror zu bekämpfen", sagte New Yorks Bürgermeister Bloomberg, "dieses Mittel heißt: keine Angst zu haben."

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