US-Außenminister:Berlin fürchtet den Abschied von John Kerry

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (links) und sein amerikanischer Kollege John Kerry in Washington. (Foto: AFP)
  • Beim Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Washington schwingt Wehmut mit.
  • Intern ist in Berlin die Sorge groß, dass mit dem Abschied von US-Außenminister Kerry schwierigere Zeiten anbrechen könnten - etwa im Hinblick auf Syrien und die Ostukraine.

Von Stefan Braun, Washington

Die beiden mögen sich und wollen das zeigen. Noch bevor man John Kerry und Frank-Walter Steinmeier sieht, hört man sie lachen. Und als die beiden Außenminister sich vor den Mikros aufstellen, schenken sie sich ein Lächeln, als seien sie engste Buddys, die seit Jahrzehnten nichts anderes als gemeinsame Sache machen.

Kerry sagt: "Ich genieße es, auf dich zählen zu können." Steinmeier sagt: "Uns eint, dass wir niemals aufgeben." Kerry ergänzt, er sei jeden Tag dankbar für diese Beziehung. Und Steinmeier erklärt: "Ich bewundere deine Leidenschaft für die Außenpolitik."

So eng also wollen die beiden ihre Beziehung beschreiben. Und wahrscheinlich hat es eine größere Nähe in den deutsch-amerikanischen Beziehungen tatsächlich noch selten gegeben. Jenseits der Kameras und Mikrofone allerdings beschäftigt beide Seiten zunehmend die Aussicht, dass dieses Verhältnis bald endet. Nicht persönlich, aber politisch.

Kerry und Clinton gelten schon lange nicht mehr als Freunde

Im Herbst wird in den USA ein neuer Präsident gewählt, und dass Kerry danach noch Außenminister sein wird, ist praktisch ausgeschlossen. Bei Donald Trump, dem wahrscheinlichen Kandidaten der Republikaner, sowieso. Und auch bei Hillary Clinton kann sich das niemand vorstellen. Kerry und Clinton gelten schon lange nicht mehr als politische Freunde.

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Also wird sich nach den Wahlen nicht nur die Welt in den USA ändern. Auch für Berlin, die Bundesregierung, für Steinmeier wird eine neue Zeit beginnen. Die Sorgen, die der Deutsche damit verbindet, würde er niemals öffentlich ausbreiten. Seine Leute aber denken immer stärker daran, und das mit Grausen. Zu besonders ist die Kooperation der beiden. Und zu harsch, zu aggressiv sind die Töne, die der US-Vorwahlkampf derzeit hervorbringt.

Wann immer Fragen zur Außenpolitik die Debatte beherrschen, stehen den meisten in Berlin die Haare zu Berge. Die Ignoranz, der Isolationismus, die Aggressivität vor allem bei den Republikanern - das müsse einem große Sorgen bereiten, heißt es. Dabei richten sich die Blicke vor allem auf Trump. Aber auch mit Hillary Clinton verbinden viele Diplomaten nicht nur Gutes. Zu tief sitzt die Erinnerung, dass Clinton als Außenministerin 2011 in der Libyenkrise über Nacht ihren Kurs drehte und die Deutschen plötzlich alleine dastanden.

Wehmut schwingt deshalb mit bei dieser US-Visite Steinmeiers. Und die Ahnung, dass mit Kerrys absehbarem Abschied der wichtigste Partner für eine Politik wegfällt, die der Bundesregierung sehr zupasskam. Kerry kenne und nutze seine Macht, aber setze nicht auf Waffen und Dominanz, sondern auf Vermittlung und Kompromissbereitschaft. "Er hat dafür viel Kritik einstecken müssen", sagt ein deutscher Diplomat. "Aber uns hat das sehr geholfen."

Lächeln über die "weichen Deutschen"

So hat Kerry gegen schärfsten Widerstand in Washington dafür geworben, im Konflikt um die Ostukraine nicht den Scharfmachern im eigenen Land nachzugeben. Stattdessen kämpfte er dafür, Berlin die Krise managen zu lassen. Nicht wenige im US-Kongress lächelten damals aggressiv über die "weichen Deutschen", die zu feige seien, Russland die Stirn zu bieten. Sie hätten der Ukraine am liebsten große Mengen an Waffen geliefert und damit nebenbei auch die eigenen Geschäfte angekurbelt.

Am schärfsten trat dieser Konflikt auf der Münchner Sicherheitskonferenz vor einem Jahr zutage, als Steinmeier und die Kanzlerin für Verhandlungen warben, während US-Senatoren in Hintergrundgesprächen gegen die Bundesregierung polemisierten. Es war Kerry, der - selbst gegen scharfen Widerstand im eigenen Ministerium - dafür eintrat, der deutschen Linie eine Chance zu geben. Umstritten ist das bis heute, gerade in den Vereinigten Staaten. Berlin aber hat es den Rücken frei gehalten, trotz der bislang geringen Erfolge.

Zur Lösung des Syrien-Krieges mühen sich Kerry und Steinmeier tatsächlich in enger Abstimmung, diesen so grausamen wie verknoteten Konflikt aufzubrechen. Dabei ist es Kerry, der - wieder unter scharfen inneramerikanischen Attacken - durchgesetzt hat, die antirussische Haltung des US-Präsidenten abzulösen durch eine kontrollierte Kooperation nach dem Motto "So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig".

Während Barack Obama sich auch wegen seiner persönlichen Abneigung gegen Wladimir Putin lange dagegen wehrte, Russland einzubinden, waren es Kerry und Steinmeier, die über Russlands Außenminister Sergej Lawrow eine Annäherung anstrebten. Daraus erwuchs das erste Wiener Treffen, das Lawrow und Kerry als Ko-Vorsitzende neben dem UN-Sondervermittler führten.

Berlin wurde zum Boten, erst zwischen Washington und Moskau, dann zwischen Iran und Saudi-Arabien. Steinmeier machte, was Kerry nicht machen konnte: Er bearbeitete bei direkten Besuchen die wichtigsten regionalen Mächte. Und Kerry übernahm die Führung, als im Konfliktlösungsduell mit Moskau die Autorität Washingtons erforderlich wurde.

"Die Partei ist nicht mehr zu retten. Das Land ist es noch"

So erfolgreich wie mühsam das bislang gelang, so sehr wächst derzeit die Angst, dass die angestoßenen Prozesse ohne Kerry schnell zu Ende sein könnten. Auf die Frage, ob er Trump und die Folgen seiner Aggressivität fürchte, antwortet Kerry am Montagabend mit einem Scherz. "Eigentlich muss man bei jedem Politiker besorgt sein, der man nicht selbst ist", sagt Kerry. Und lächelt. Ansonsten sei er Diplomat, nicht Innenpolitiker und werde zu Trump gar nichts sagen. Er denke an den nächsten Tag, die nächste Woche und werde alles tun, um die Konflikte zu lösen. Leicht soll das wirken und erzählt doch viel.

Steinmeier sagt zur Aussicht, Kerry nach der Wahl zu verlieren, so sei das halt in Demokratien. Man müsse eben damit leben, dass man das, was man angestoßen habe, manchmal nicht bis zum Ende beeinflussen könne. Auch er will locker wirken. Dann fügt er hinzu, die Welt brauche es einfach, "dass wir gut zusammenarbeiten". Das klingt erst selbstbewusst und dann doch wie eine Beschwörungsformel.

Einen Hoffnungsschimmer hat es auf dieser Reise immerhin doch gegeben. Wenn auch einen, der alles sagt über die Ängste, die vor allem Trump derzeit auslöst. Es ist ein Artikel des konservativen Republikaners Robert Kagan. Er hat dieser Tage alle Republikaner dazu aufgerufen, im Herbst nicht für Trump, sondern für Clinton zu stimmen. "Die Partei ist nicht mehr zu retten. Das Land ist es noch", schrieb Kagan. Ausgerechnet Kagan, der zu den Chefideologen von Ex-Präsident George W. Bush zählte. Kein Wunder, dass Steinmeiers Leute diesen Artikel intensiv gelesen haben.

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