US Army in Norddeutschland:Wo die Panzer wieder rollen

US-Streitkräfte entladen für Atlantic Resolve

US-Streitkräfte entladen Panzer in Bremerhaven

(Foto: dpa)

In Bremerhaven lädt die US-Armee schweres Gerät aus, um es nach Osteuropa zu schaffen. Demonstranten haben Plakate gemalt, manch ein Bürger fühlt sich an früher erinnert.

Reportage von Peter Burghardt, Osterholz-Scharmbek

Der Kalte Krieg ist also kurz zurück in Norddeutschland, Herbert Behrens hat ihn gespürt. Als am Samstag vor einer Woche amerikanische Truppen in seiner Heimat eintrafen, wurde es frostig, der Wind fegte durch Bremerhaven. Der Politiker Behrens stand an einem Mikrofon am Kaiserhafen, an seiner Seite einige Mitstreiter. "Frieden statt Säbelrasseln", war in weißer Schrift auf einem blauen Plakat mit Taube zu lesen. Derweil rollten aus einem Riesenschiff auf abgeriegeltem Terrain nebenan die nächsten von 87 Panzern der US Army auf Züge. Es ging los.

Fast wie früher, fast. Hier die Landung von mehr als 2000 Militärgütern und 4000 Soldaten aus den USA, um Europa vor den Russen zu sichern. Dort einige Demonstranten, die befürchten, das Pentagon könne mit seiner Aktion einen Weltkrieg provozieren. "Hier beginnt eine Kriegsvorbereitung", sprach der linke Bundestagsabgeordnete Behrens, 62. Und es sei ihm wichtig, hier etwas dazu zu sagen, denn er komme aus dieser Region. Leider hätten die Proteste damals nicht verhindern können, "dass wir nun wieder dastehen müssen, um Militärtransporte zu verhindern".

Verhindert haben sie es auch diesmal nicht. Seit einer guten Woche ist eine gepanzerte Kampfbrigade der US Army unterwegs Richtung Polen und Baltikum, sie durchquerte auf Lastwagen und 900 Eisenbahnwaggons mehrere Bundesländer. Die Dritte Brigade der Vierten Infanterie-Division aus Fort Carson in Colorado verstärkt Europas Ostgrenzen, westlich von Russland.

Der Abgeordnete der Linken sagt, für ihn sei das alles "ein unheimliches Déjà-vu"

Die Operation "Atlantic Resolve" gilt als Washingtons Antwort auf Moskaus Annektierung der Krim und den Konflikt in der Ukraine. Nicht wenige Polen, Esten oder Letten fürchten Wladimir Putin. Es ist eine der größten amerikanischen Armeebewegungen auf europäischem Boden seit Jahrzehnten. Ein paar deutsche Städte lagen auf der Route. Herbert Behrens' Wohnort Osterholz-Scharmbeck liegt noch mittendrin.

Für ihn, einen früheren Gewerkschafter, ist das alles "ein unheimliches Déjà-vu". Die Amerikaner waren ja schon mal da, ziemlich lange sogar. In den einstigen Auswandererhafen Bremerhaven hatten sie nach dem letzten Weltkrieg ihren Nachschub geschickt. 1958 ging hier vom Truppentransporter General Randall der Rekrut Elvis Presley an Land, eine Plakette zum Gedenken an die Ankunft des leibhaftigen King of Rock'n'Roll in Uniform hängt am Kreuzfahrtterminal, Meter 700. Später hatten sich die Dinge so entspannt, dass die US Army abzog. Es blieb das Wirtshaus "Letzte Kneipe vor New York".

Im Mai 2016 berichtete die Stadtverwaltung, "das letzte noch aktive US-Relikt des Kalten Krieges in Bremerhaven" sei Geschichte. Das Gebäude 1 der ehemaligen Carl-Schulz-Kaserne werde geschlossen und abgerissen; ein Fachwerkhaus, aus dem AFN sendete und am Ende der letzte Teil der Military Community Norddeutschland untergebracht war. Ein Hafenbahnhof werde daraus. Und jetzt? Kaum acht Monate nach der epochalen Nachricht erreichten Bremerhaven drei Monsterfrachter, aus denen gewöhnlich VWs oder BMWs in die USA und nach Fernost verfrachtet werden, sowie Nissans oder Toyotas für Europa. Sie brachten diesmal die Schutzmacht für die östlichen Nato-Partner, Kettenfahrzeuge mit Kanonen.

"Army go home", hat jemand an eine Wand gemalt

Nur eine längst geplante Übung, mit dieser Auskunft versuchte während der Ankunft in Bremerhaven Timothy McGuire zu beruhigem, der stellvertretende Kommandant der US Army Europe. Dies sei "ein Zeichen der Zusammengehörigkeit der USA mit ihren Verbündeten, um Frieden und Wohlstand in Europa zu erhalten. Army strong, strong Europe!, heißt es auf der Website der amerikanischen Streitkräfte in Europa. "Army go home", hat jemand an eine Wand gemalt.

Herbert Behrens erinnert sich vor allem gut, wie es bei ihm daheim in Osterholz-Scharmbeck begann und wie sich die Sache nachher beruhigte. Siebzigerjahre, atomares Wettrüsten, Westen gegen Osten, Nato gegen Warschauer Pakt, USA gegen UdSSR, Pershing gegen SS 20, Bundeskanzler Helmut Schmidt, Nato-Doppelbeschluss. 1978 wurde im Stadtteil Garlstedt die US-Kaserne Lucius D. Clay eröffnet, es kam die 2nd Armored Division aus Texas, genannt "Hell on Wheels". Hölle auf Rädern.

Mehr als 20 000 US-Soldaten machten dort Station, einige von ihnen wurden in die Golfkriege beordert. 1992 sanken die Stars and Stripes in Garlstedt, zwei Jahren nach dem Mauerfall. Die Bundeswehr übernahm die Kaserne. Und jetzt sind 25 Jahre danach zu den deutschen Soldaten gerade wieder amerikanische gezogen.

Die Bundeswehr gibt an, sich diesmal als "Hausmeister" der Amerikaner zu sehen

Auch wenn man auf den ersten Blick wenig von ihnen sieht. Die Logistikschule der Bundeswehr liegt an der Bremerhavener Heerstraße bei Garlstedt in Niedersachsen im Wald, zwischen Bremen und Bremerhaven. Von außen sind nur Gebäude, Lichter oder Sendemast zu erkennen. "Aufgrund des Übungsverlaufes" hätten "die US-Kräfte" keine Zeit mehr für Fotos oder Interviews, informiert die Logistikschule. Von der Bonner Pressestelle erfährt man, dass "der Abschluss aller Maßnahmen" für Ende Januar 2017 geplant und bis dahin "ca. 300 US-Soldaten am Standort Garlstedt" seien. "Host Nation Support" nennt sich das. Die Deutschen helfen dem Partnerstaat bei Transport, Lagerung, Betankung, Unterkunft, Verpflegung. Einen "mobilen Gefechtsstand" für die Gäste gab oder gibt es auch. "Wir haben die Hausmeisterrolle", sagt ein Sprecher der Hausherren.

Beim Zwischenstopp der US-Vorhut mit Nachtruhe am Truppenübungsplatz Lehnin in Brandenburg gab es vereinzelte Proteste. Das kleine Garlstedt mit seiner Hundepension Lucky Dog Hostel und dem Lokal Up'n Swutsch bleibt ausgesprochen ruhig. Prägender für die örtliche Chronik dürfte die Entführung von Jan-Philipp Reemtsma in eines der reetgedeckten Häuser gewesen sein, und 1980 die mutmaßliche Sichtung eines Ufos. Seinerzeit stiegen US-Düsenjäger auf, um nach dem Rechten zu sehen.

Herbert Behrens bedauert, dass so wenige Parteien gegen die US-Präsenz demonstrierten. Doch er wittert eine Wiedergeburt der Friedensbewegung. Noch seien in Garlstedt keine Kundgebungen geplant, "das wird sich sicher an Ostern ändern." Dann sollen die Amerikaner aber voraussichtlich schon wieder weg sein, und wärmer ist es bis dahin wohl auch.

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