Urwahlforum der Grünen:Gesucht: Ein Mann an der Seite von Katrin Göring-Eckardt

Länderrat der Grünen

Die Bewerber um die Doppelspitze der Grünen (v.l.n.r.): Anton Hofreiter, Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt und Robert Habeck.

(Foto: dpa)
  • Weil es zu viele Bewerber um die Spitzenkandidatur gibt, haben die Grünen 2013 das Urwahl-Prinzip eingeführt.
  • Als einzige Frau ist Katrin Göring-Eckardt der Platz in der Doppelspitze sicher.
  • An ihre Seite treten könnte neben Cem Özdemir auch Anton Hofreiter oder Robert Habeck.

Von Gianna Niewel

Im Sprengel Museum in Hannover wird Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts ausgestellt, Franz Marc, August Macke, ein bisschen Andy Warhol. Aber wegen der Kunstwerke ist niemand gekommen an diesem Samstagabend. Hier, im Calder-Saal, präsentieren sich zum ersten Mal die vier Bewerber um die Spitzenkandidatur der Grünen bei der Bundestagswahl 2017 ihrer Basis. An den Rednerpulten stehen Parteichef Cem Özdemir, dann Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzende im Bundestag, sowie der Kieler Umweltminister Robert Habeck.

Zwei der vier sollen die Partei zurück an die Regierung führen

Zwei der vier Kandidaten sollen die Partei im nächsten Herbst zurück an die Regierung führen. Nur: Wer? Darüber entscheiden die 60.000 Mitglieder noch bis Januar. Ein Mann wird es, eine Frau.

Frau ohne Konkurrenz und deshalb gesetzt ist Katrin Göring-Eckardt. 50 Jahre alt, eine Realo-Grüne, und auch im linken Flügel der Partei nicht unbeliebt. Ihr Schlagwort an diesem Abend war Mut. Mut, wenn es um eine klare Haltung gegen Rassismus und Homophobie geht, um eine offene Gesellschaft auch. "Wir sind die Partei", sagt Göring-Eckardt, "die keine Angst hat und keine Angst macht."

Göring-Eckardt hat in Leipzig evangelische Theologie studiert, ihr Studium aber nicht beendet. Sie war eine der ersten Grünen in der DDR und stand mehrere Jahre lang an der Spitze der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Bundestagswahlkampf wäre für sie nichts Neues: Schon 2013 trat sie als Spitzenkandidatin an - damals gemeinsam mit Jürgen Trittin.

Özdemirs Marshallplan kommt bei der Basis im Saal gut an

Cem Özdemir steht am Pult, die Hände in der Tasche, ruhig hört er der Konkurrenz zu. Vor 160 Männern und Frauen aufzutreten macht den Parteichef nicht nervös. Er ist einer von drei Männern, die sich um den Platz an der Seite von Göring-Eckardt bewerben. "Uns geht es um starke Grüne - und dann um die Koalition", sagte Özdemir, 50 Jahre alt, dem eine Nähe zur CDU nachgesagt wird. Sein stärkster Punkt: Als er einen Marshallplan für Afrika fordert, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Das kommt an im Saal.

Innerhalb der Partei ist Özdemir nicht unumstritten. Dass er etwa Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Parteitag im November eingeladen hat, gefiel nicht allen bei den Grünen, die als Öko-Partei groß geworden ist. Özedmir sagte, das sei doch ein "Hammer-Coup". So könnten die Grünen zeigen, dass sie die Partei sind, bei der die Debatte um die Zukunft der deutschen Automobilindustrie geführt wird.

Dass sich grüne Politik und industrieller Wohlstand nicht mehr ausschließen, zeigen die Länder. Baden-Württemberg, drittgrößtes Bundesland, wird regiert von Grün-Schwarz, und auch in Berlin wurden die Grünen zuletzt als Mehrheitsbeschaffer gebraucht. Wieso also nicht 2017 wieder im Bund? Und deshalb geht es an diesem Abend in Hannover und auch in den nächsten Wochen immer auch um die Frage, wer von den vier Kandidaten womöglich Innenminister werden könnte, wer vielleicht zum Vize-Kanzler taugt. Die Grünen kommen in Umfragen derzeit auf zwölf Prozent.

"Toni" Hofreiter, der kantige Öko ohne nennenswerte Erfolge

Eine Frage aus dem Publikum, von einem der 160 Männer und Frauen im Saal zielt genau darauf ab: "Anton, in welchem Ministeramt siehst du dich in einer Schwarz-Grünen Koalition?" Anton Hofreiter, 46 Jahre alt, antwortet vage. Erst einmal an die Regierung kommen. Ihm geht es an dem Abend oft um soziale Gerechtigkeit, darum, der "Refeudalisierung" der Gesellschaft entgegen zu wirken - mit einem "grünen Gerechtigkeitsbegriff", mit einer umsetzbaren Vermögenssteuer.

Innerhalb der Partei gilt Hofreiter, der sich selbst "Toni" nennt, als links. Würde er gewinnen, hätten die Grünen einen kantigen Öko an der Spitze. Hofreiter hat zur Artenvielfalt in den Südamerikanischen Anden promoviert, er kümmert sich um Umwelt- und Verkehrsthemen. Ob er für ein Gesetz wäre, das den Fleischkonsum in Kitas verbietet? Da kann er punkten mit seiner Forderung nach einer anderen Tierhaltung. Hofreiter führt gemeinsam mit Göring-Eckardt die Bundestagsfraktion. Allein: Ihm fehlen bislang nennenswerte Erfolge.

"Tach, darf ich Ihnen einen Flyer geben?", sagt Robert Habeck, 47, er steht in der Mitte des Saals und der Saal lacht. Er soll in 90 Sekunden erklären, wie er an einem Wahlkampfstand erklären würde, wieso die Passanten die Grünen wählen sollten. Weil es eine Partei braucht, die noch an Werten orientiert ist, sagt er. Weil es eine Partei braucht, die Tiere und Rohstoffe nicht als selbstverständlich hin nimmt.

Habeck steht für den "Schuss mehr Rebellentum"

Habeck ist der wohl unbekannteste der Kandidaten. Er ist von Haus aus Schriftsteller und aus Interesse zur Politik gekommen. In Schleswig-Holstein ist Habeck die Nummer eins seiner Partei, seit 2012 ist er Minister für Energiewende und Landwirtschaft in Schleswig-Holstein sowie der Stellvertreter von Ministerpräsident Torsten Albig.

Von dort aus bewarb sich der Habeck damit, dass die Grünen einen "Schuss mehr Rebellentum" gut vertragen könnten. Und tatsächlich ist er derjenige, der den Saal am meisten unterhält. Wenn er sagt, dass sich die Grünen nicht mehr auf die AfD beziehen dürften. Wenn klar sein müsse, dass sich bei der Besteuerung auch nach oben niemand davonstehlen dürfe. Der Saal klatscht, Habeck lacht. Sein nächstes Ziel: Berlin.

Aber davor stehen anstrengende Wochen für alle vier Kandidaten. 2013 haben die Grünen das Urwahl-Prinzip eingeführt, weil es zu viele Bewerber gab, zu viel Streit. Seither inszenieren sie diese Befragung der Mitglieder, es gibt Flyer, es gibt einen Slogan, "Basis ist Boss", und neun weitere solcher Diskussionsrunden. Die Tour durchs Land soll Aufmerksamkeit bringen. Und weitere Mitglieder. Allein in diesem Jahr haben die Grünen mehr als 800 Mitglieder aufgenommen.

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