Urwahl entscheidet über Spitzenkandidaten:Fünf Schritte bis zur Grünen-Spitze

Wer es macht, ist noch unklar. Aber zumindest der Fahrplan für die Urwahl steht: Bis zum 9. November sollen die Grünen darüber abstimmen, welches Duo sie künftig anführen wird. Bundesgeschäftsführerin Lemke wünscht sich eine "unprätentiöse Wahl". Doch der Wahlkampf dürfte heftig werden. Es geht um weit mehr als nur die Spitzenkandidatur 2013.

Thorsten Denkler, Berlin

Ob Steffi Lemke sich noch im Urlaub befindet oder schon voll zurück ist im politischen Alltag, lässt sich auf Anhieb nicht feststellen. Rotes Haartuch, braungebranntes Gesicht, weiße Bluse und offene Schlappen an den Füßen. So steht die politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen vor der Bundespresse. Eines macht das jedenfalls klar. Es gibt gerade sicher viele Orte, an denen sie jetzt lieber wäre als hier, im Presseraum der Bundesgeschäftsstelle.

Herbstklausur der Gruenen-Bundestagsfraktion

Die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Renate Künast und Jürgen Trittin, wollen beide Spitzenkandidat ihrer Partei für die Bundestagswahl 2013 werden. Doch für die zwei Posten gibt es noch vier weitere Bewerber.

(Foto: dapd)

Sie kann wenig dafür. Den Termin haben ihr jene eingebrockt, die es nicht dem Votum eines schnöden Bundesparteitags überlassen wollen, wer Spitzenkandidat für die Grünen im kommenden Bundestagswahlkampf wird. Am Sonntag wird sich deshalb der Länderrat damit beschäftigen, nach welchem Verfahren die Spitzenkandidaten ermittelt werden.

Geht es nach dem Bundesvorstand, wird es zwei Kandidaten geben, von denen mindestens einer eine Frau sein muss. Und weil jetzt schon mehr Kandidaten als Plätze zur Verfügung stehen, soll in einer Urwahl herausgefunden werden, wer ganz vorne stehen darf.

Sechs Kandidaten für zwei Plätze

Die Kandidatenliste umfasst sechs Personen. Die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, Parteichefin Claudia Roth und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sind die prominentesten Bewerber. Hinzu kommen noch die beiden Basisgrünen Frank Spitzenberger aus Bayern und Werner Winkler aus Baden-Württemberg. Beide sind erst seit 2011 Parteimitglieder.

Der Wahlkampf hat längst begonnen. In großen Interviews haben Künast, Roth und Trittin ihre Bewerbungen abgegeben. Für die Verhältnisse der Grünen ist da ein bemerkenswertes Personalgerangel losgebrochen. Über zwei Jahrzehnte gaben sie nicht viel auf die Spitzenkandidatur. Inhalte waren ihnen wichtiger. Erst 2002 haben die Grünen dieses Amt für sich entdeckt. Joschka Fischer war damals auf allen Plakaten zu sehen. Regelrecht nominiert wurde er aber nicht.

Zehn Jahre später ist es Steffi Lemkes Job, die Personaldebatte organisatorisch aufzufangen. Sie hätte gerne eine "unprätentiöse" Urwahl, sagt sie. Das zugehörige Verfahren hat sie auf ein Flip-Chart-Papier aufgemalt, das sie mühsam auseinanderfaltet.

[] Zwischen dem 10. und 16. September müssen demnach die Bewerbungen offiziell eingereicht werden.

[] Auf Regionalkonferenzen sollen sich die Mitglieder dann ein Bild von den Kandidaten machen können.

[] Am 8. Oktober werden die Wahlunterlagen an die Mitglieder versandt.

[] Bis zum 30. Oktober müssen die Stimmzettel zurückgeschickt worden sein.

[] Bis zum 9. November werden die Stimmen ausgezählt. An dem Tag wird auch das dann bindende Ergebnis veröffentlicht.

Politisches Neuland

Die Grünen betreten mit der Urwahl politisches Neuland. Keine deutsche Partei hat zuvor so ihre Spitzenkandidaten nominiert. Bei der SPD gab es 1994 zwar eine Mitgliederbefragung, bei der sich Rudolf Scharping gegen Gerhard Schröder und Heidemarie Wieczorek-Zeul durchsetzte. Allerdings musste Scharping später satzungsgemäß von einem Bundesparteitag bestätigt werden. Geholfen hat es nicht. Kohl blieb Kanzler.

Für die Grünen ist das Kanzleramt weit entfernt. Für die Spitzenkandidaten geht es vor allem um die Zeit nach dem Wahltag. Wenn es zu einer rot-grünen Regierung reicht, werden sich die Spitzenkandidaten ihre Regierungsämter wohl aussuchen können. Im Falle einer Niederlage werden sie ihre bisherigen Ämter behalten dürfen - oder zumindest gleichwertige bekommen. Hieße die Paarung etwa Trittin und Roth, würde Trittin wohl sicher Fraktionschef bleiben und Roth könnte sich aussuchen, ob sie Fraktionsvorsitzende wird oder weiter Parteichefin bleibt.

Die Spitzenkandidatur ist da wohl vor allem eine die Karriere erhaltende und/oder fördernde Position. Und das auch noch ohne besonderes Risiko. Gehen nämlich die Grünen baden, wird das die gesamte Führungsriege in Frage stellen - nicht nur die Spitzenkandidaten.

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